Konferenzen, Tagungen

Liquide Formen 1800, Konstanz

Beginn
12.10.2023
Ende
14.10.2023

Liquide Formen 1800

Internationale literaturwissenschaftliche Tagung, Universität Konstanz, 12.-14. Oktober 2023

Formbegriff und Wasserströme scheinen zunächst gegensätzlichen, wenn nicht gar sich ausschließenden Denk- bzw. Phänomenbereichen anzugehören. Wo Form als konturiertes und integriertes Gebilde verstanden wird, muss liquide Bewegung immer schon sistiert sein, so wie sich Wasser umgekehrt durch Gestaltlosigkeit auszeichnet, das sich zwar einfassen, aber selber nicht formieren lässt.

Gegenüber einer solchen Divergenz von Form und Fluidum ist für die Sattelzeit um 1800 ein Konzept der endogenen Form (Wellbery) profiliert worden, welches Form prozessual als Explikation der Idee in der Erscheinung begreift und diese Formdynamik zugleich im Phänomenbereich liquider Umwelten verankert: Ästhetik, Morphologie, Naturphilosophie und romantische Poetik zeichnen sich unisono dadurch aus, dass sie ihren Formbegriff als ‚Hemmung‘ bzw. ‚Rückstau‘ einer entgrenzten Strombewegung konfigurieren und Form derart verzeitlichen. Damit ist die Differenz zwischen eidetisch-platonischer und endogen-romantischer Form auch und insbesondere an einem divergenten Verhältnis zu fluiden Verläufen festzumachen: Während in der Antike das Heraklit zugeschriebene Diktum des panta rhei („Alles fließt“) die flüchtige und fließende Zeit exemplifiziert, die indessen von keiner Form restlos eingeholt werden kann, rückt in der Moderne die Zeitlichkeit bzw. der Widerstand, der ihrem Fluss entgegengebracht wird, zum Paradigma von „Theorien vom Formwandel“ (Geulen) auf.

Wie dynamische Formmodelle über Arbeit am Liquiden ihre energetischen Ökonomien regulieren, ist aus literatur- wie kulturwissenschaftlicher Perspektive Untersuchungsgegenstand der Tagung. Wie tarieren um 1800 Literatur, Kunst und ihre Theorien das Formideal dynamischer Prozessualität am Gefälle fluider Bewegungen aus? Inwiefern geht die „Verflüssigung aller Formverhältnisse“ (Schneider/Vogel) mit einer Neukonzeptionalisierung von Rhythmus und Metrik einher? In jedem Fall steht der Pluralisierung von Formkonstellationen ein breites Spektrum an ‚Liquiditätsszenarien‘ zur Verfügung, an denen sie sich durchdeklinieren lassen: Wasserkreislauf und ozeanische ‚Allnatur‘, reißende und stehende Gewässer, Katarakt und Austrocknung, Überflutungsphantasien und Deichkonstruktionen, Quellareale und Brunnenarchitekturen, Spiegeleffekte und Opazitätsschwellen. Damit lässt sich die Emergenz eines Formpluralismus um 1800 nicht nur auf eine Diversität ‚aquatischer Spielräume‘ abbilden. Zu berücksichtigen ist gleichfalls der ingenieurstechnische Fortschritt der Wasserbaukunst (Blackbourn), der systematisch die Trockenlegung von Sümpfen und Rektifizierung von Flussläufen erlaubt und damit Natur selbst als formbare Ressource in den Blickpunkt rückt.

 

Programm

12.10. 2023

14:30   Empfang

15:00 – 15:30   Lars Friedrich, Florian Schneider, Juliane Vogel: Einführung

15:30 – 16:30   Lars Friedrich: Das strömende Gefälle der Ode. Zur Vorgeschichte einer Lyrik in Freien Rhythmen

17:00 – 18:00   Philipp Lammers: Metrik und Hydraulik im Fabelgarten von Versailles

18:00 – 19:00   Konstantin Sturm: Aporien des Liquiden. Anmerkungen zu einer fabeltheoretischen Kontroverse in Johann Jakob Breitingers „Critischer Dichtkunst“

13.10.2023

9:00 – 10:00   Florian Schneider: Flussumkehr. Zum Lauf der Geschichte bei Schiller

10:00 – 11:00   Alexander Honold: Poetische Aggregatzustände in Hölderlins Stromdichtungen

11.30 – 12:30   Richard Heinrich: Eile und Hemmung in Hölderlins Rheinhymne

13:30 – 14:30   Juliane Vogel: „Achill kämpft mit den Flüssen.“ Formen und Fluten in den Weimarer Preisaufgaben 1799 -1804

14:30 – 15:30   Cornelia Zumbusch: West-östliche Wasserwirtschaft. Goethes Arbeit an den Formen der Dichtung

16:00 – 17:00   Eva Geulen: „Schöpft des Dichters reine Hand / Wasser wird sich ballen“. Überlegungen im Ausgang von Goethes „Lied und Gebilde“

Abendvortrag 18:00 – 19:00   David Wellbery: Fließendes als Moment der Formdynamik. Zur leiblich-affektiven Dimension einiger Goetheverse

14.10. 2023

9:00 – 10:00   Philipp Ekardt: Fluss und Fassung. Bewegte Form in Lady Hamiltons „Attitudes"

10:00 – 11:00   Roland Borgards: Fassung finden, Form verlieren. Karoline von Günderrodes „Aegypten“, „Der Nil“ und „Ein apokaliptisches Fragment"

11:30 – 12:30   Sebastian Meixner: Narratives Überfließen. Zur Liquidierung der Form in „Die Leute von Seldwyla“

12:30 – 13:30   Elisa Ronzheimer: Formen des Fluiden in der Literatur der „Neuen Empfindsamkeit“

 

Die Tagung wird gefördert von der DFG und der Universität Konstanz.

 

Contact Information

PD Dr. Florian Schneider, Universität Konstanz, Fachbereich Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaften

PD Dr. Lars Friedrich, Universität Konstanz, Fachbereich Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaften

Contact Email

florian.schneider@uni-konstanz.de

Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Forschungsgebiete

Literatur und andere Künste, Literatur und Kulturwissenschaften/Cultural Studies, Literatur und Philosophie, Literatur und Visual Studies/Bildwissenschaften, Ästhetik, Literatur des 18. Jahrhunderts, Literatur des 19. Jahrhunderts

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Universität Konstanz
Datum der Veröffentlichung: 06.10.2023
Letzte Änderung: 06.10.2023