Künstlerische Kollaborationen. Gruppen, Gemeinschaftsarbeiten und andere Formen kollektiver Produktion
CfP: Künstlerische Kollaborationen. Gruppen, Gemeinschaftsarbeiten und andere Formen kollektiver Produktion, Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf, 6. bis 7. November 2025
Eine Veranstaltung des Heinrich-Heine-Instituts und des Zentrums für Rheinlandforschung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, gefördert vom Landschaftsverband Rheinland
Dem Aspekt des bewussten oder auch unbewussten Zusammenarbeitens in der künstlerischen Produktion ist in letzter Zeit in der Forschung erhöhte Aufmerksamkeit gezollt worden.[1] Ein Ergebnis dessen war u.a. auch die Begründung des DFG-Netzwerks „Zusammenarbeiten. Praktiken der literarischen Kollaboration“.[2]
Die Relevanz des Themenfeldes erschließt sich in literaturhistorischer wie auch zeitgenössischer Perspektive – das gemeinsame und gemeinschaftliche Produzieren literarischer Texte, musikalischer Werke und visueller Artefakte durch Künstler-Duos, -Trios oder -Gruppen wird nicht erst seit der historischen Avantgarde verstärkt gepflegt. Heutzutage sind kollektive Arbeitsweisen geradezu an der Tagesordnung (nicht nur im primär künstlerischen Bereich, man denke etwa an die Autorenteams von TV-Serien).
Dazu kommen weitere komplexe und hintergründige Formen des Ineinanderwirkens von Akteuren, etwa die Zusammenarbeit von Autor und Lektor, aber auch von Autor und Zensor. Solche (durchaus nicht immer nur konfliktbeladenen) Kooperationsprozesse sind nicht leicht zu rekonstruieren. Selbst die offen zu Tage liegenden Praktiken künstlerischer Zusammenarbeit, ob explizite gemeinschaftliche Produktion, ob das Zusammenwirken im Kontext von Künstlergruppen, zieht eine Reihe von Fragen nach sich, etwa nach den verschiedenen Anteilen der jeweiligen Autorinnen und /oder Autoren, wer hat welchen Part beigesteuert, wie ist das Werk in diese spezifische Form gebracht worden? Oder für den Bereich der Künstlergruppen: Wie war die Dynamik, wer hat den größten Einfluss auf die Gruppe gehabt, wie stark hat sich dieser in den Arbeiten der einzelnen Gruppenmitglieder niedergeschlagen, wie viel also in ihrer konkreten künstlerischen Produktion ist der Gruppenprogrammatik geschuldet, wie viel ist individuelle künstlerische Überzeugung? Weiterhin stellen sich Fragen an die Dokumentation und Erforschung dieser Kooperationen: Welche Archivalien transportieren das Wissen über diese Kooperationen? Welches Quellenmaterial kann hierfür nutzbar gemacht werden und mit welchen Methoden kann in der Forschung darauf reagiert werden?[3] Nicht zuletzt entstehen Fragen in Bezug nach der Zeitlichkeit von kreativen Gemeinschaften, z.B. in Form von Intertextualität und innerliterarischen Gemeinschaftsformen.
Gleichzeitig fehlen bislang überhaupt nur Überblicksdarstellungen künstlerischer Gruppen, die in erschöpfender Weise aufführen, welche Gruppierungen es überhaupt gegeben hat. Für den Bereich des Rheinlands arbeiten das Rheinische Literaturarchiv im Heinrich-Heine-Institut und das Zentrum für Rheinlandforschung in zwei vom Landschaftsverband Rheinland geförderten Projekten daran, a) eine interaktive Kartografie von Künstlergruppen im Rheinland zu erstellen (Zentrum für Rheinlandforschung), b) eine digitale Ausstellung zu „Literarischen Gruppierungen, Aktionsbünden und Publikationsprojekten im Rheinland nach 1945“ zu realisieren.
Um diese Projekte einerseits mit theoretischen Grundlagen, andererseits der Darstellung konkreter Fallbeispiele zu bereichern, veranstalten Heinrich-Heine-Institut und Zentrum für Rheinlandforschung am 6. und 7. November 2025 eine interdisziplinäre Tagung. Dazu werden unter anderem Mitglieder des genannten DFG-Netzwerks „Zusammenarbeiten“ eingeladen, um über Ziel und Ausrichtung dieses Verbunds zu berichten. Im ersten Teil der Tagung werden zudem Praktiken künstlerischer Kollaboration in theoretischer Perspektive hinterfragt, der Gedanke auch unterwussten Kooperierens nuanciert.
Im praktischen Teil sollen Beispiele von Gruppierungen oder Arbeitszusammenhängen aus den Bereichen Kunst, Literatur und Musik behandelt, in diesem Fall ausgehend vom Territorium des Landschaftsverbands Rheinland, und schwerpunktmäßig aus der Zeit nach 1945.
Vorschläge für Referate zu beiden Tagungsteilen können bis zum 1. September 2025 eingereicht werden – Abstract mit bis zu 1000 Zeichen. Eine thematische Absprache mit den Tagungsorganisatoren im Vorfeld wäre sinnvoll.
Kontakt:
Dr. Enno Stahl, Heinrich-Heine-Institut, enno.stahl@duesseldorf.de
Dr. Jasmin Grande, Zentrum für Rheinlandforschung der HHU, grande@hhu.de
[1] Vgl. dazu etwa: Ines Barner, Anja Schürmann, Kathrin Yacavone (Hg.): Artistic Collaborations: The Practice and Aesthetics of Working Together (= Special Issue Journal of Literary Theory 16.1 (2022)); Daniel Ehrmann, Thomas Traupmann (Hg.): Kollektives Schreiben. Paderborn 2022; Walther Müller-Jentsch: Exklusivität und Öffentlichkeit. Über Strategien im literarischen Feld. In: Zeitschrift für Soziologie, 36.3 (2007), S. 219–241.
Walther Müller-Jentsch: Die Kunst in der Gesellschaft. Wiesbaden 2012; Rolf Parr: Interdiskursive As-Sociation. Studien zu literarisch-kulturellen Vereinen, Gruppen und Bünden zwischen Vormärz und Weimarer Republik. Tübingen 2000; ders: Warum die Bildung von Schriftstellergruppen eine so schwierige Angelegenheit ist. Das Beispiel der „Dortmunder Gruppe 61“. In: Gertrude Cepl-Kaufmann, Jasmin Grande (Hg.) im Auftrag des Fritz-Hüser-Instituts: Schreibwelten – Zum 50. Geburtstag der Dortmunder Gruppe 61. Essen 2011, S. 155–162.
Erika Thomalla, Carlos Spoerhase (Hg.): Werke in Netzwerken. Kollaborative Autorschaft im 18. Jahrhundert (= Schwerpunkt Zeitschrift für deutsche Philologie 139/2 (2020)). Siehe auch allgemein zu gesellschaftlichen Formen der Kooperation: Mark Terkessidis: Kollaboration. Berlin 2015; sowie zur Gruppenbildung in der Avantgarde Peter V. Zima: Die Institutionalisierung literarischer Sprachen, in: ders.: Textsoziologie. Stuttgart 2021, S. 73-89 und zu aktuellen Fragen der Schreibforschung Susanne Knaller, Doris Pany-Habsa, Martina Scholger (Hg.): Schreibforschung interdisziplinär. Praxis – Prozess – Produkt. Bielefeld 2020.
[2] Vgl. dazu https://www.netzwerk-zusammenarbeit.de/
[3] Dazu entsteht aktuell im Rahmen des Graduiertenkollegs „Literatur und Öffentlichkeit in differenten Gegenwartskulturen“ ein Sammelband „Literarische Gruppen nach 1945“. Dieser Band ergänzt u.a. das „Handbuch literarisch-kultureller Vereine, Gruppen und Bünde 1825-1933, hrsg. v. Wulf Wülfing, Karin Bruns und Rolf Parr. Stuttgart, Weimar 1998.
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