Ich möchte vorschlagen, "Mogadischu Fensterplatz" ausgehend von der im Roman thematisierten und sprachlich reflektierten Ausnahmesituation als Szenario der Postsouveränität zu untersuchen. Ein solches Szenario stellt sich als Folge einer Zäsur ein, die es erforderlich macht, nach neuen Kategorien, Begriffen und Darstellungsweisen für eine ungewohnte, zumeist plötzlich eingetretene Situation zu suchen. Niemand behält dabei den Überblick. Diese Konstellation von plötzlicher Ausnahme, Zäsurerfahrung, Orientierungslosigkeit und Begriffsauflösung beinhaltet eine Formveränderung souveräner Instanzen wie Subjekt, Staat und Kunst und führt hin zu einer postsouveränen Verunsicherung, die der Roman erzählerisch einzufangen versucht. Der zehn Jahre nach der tatsächlichen Entführung erschienene Roman "Mogadischu Fensterplatz", der die Ereignisse aus der Innensicht des Flugzeugs literarisch rekonstruiert, ist nicht nur ein Beispiel für die literarische Auseinandersetzung mit dem Terrorismus, sondern vor allem ein literarischer Text, der reflektiert, welche Bedeutung die Rhetorik von Zäsur, Epochenumbruch, Zeitenwende für die Selbstbeschreibung der Gesellschaft hat. Der Roman zeigt die Bemühung darum, eine dem Ereignis der Flugzeugentführung angemessene literarische Erzählweise zu finden und zugleich die Bedingungen dieser Darstellung zu reflektieren. Das Ereignis 'Mogadischu' wird hier nicht nacherzählt, sondern erzählerisch hervorgebracht.
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