Vor mehr als einem Jahrhundert schrieb Hans Davidsohn alias Jakob van Hoddis die folgenden Zeilen, sein damals schon, wie jetzt vielleicht schon wieder, epochales Kultgedicht, in dem er dem eigenen apokalyptisch getönten Zeitalter - wie vielleicht auch dem unseren, nicht weniger endzeitlich gestimmten - eine zwingende sprachliche Gestalt verlieh. [...] Das Gedicht, 1911 veröffentlicht, vibriert als Vorbeben der kommenden Geschichtskatastrophen des gerade heranrückenden Jahrhunderts: Geschrieben wurde es indes unter dem Eindruck des Nahens des Halleyschen Kometen, vor dessen Aufprall mit der Erde man sich bei seinem Auftreten 1910 gefürchtet hatte. So ist das Gedicht wie suspendiert über den zwei Abgründen des Katastrophalen, dem geschichtlichen wie dem naturgeschichtlichen: Und dies macht auch heute seinen singulären Reiz wie seine anhaltende Faszination aus; seine, wie man so sagt, Aktualität. Letztere gründet wohl auch gerade darin, dass jene beiden katastrophalen Abgründe, welche den Menschen zu verschlingen drohen, in der Klimakrise nunmehr eins geworden sind. Was aber das Gedicht betrifft, so sind es hier vielleicht vor allem die folgenden Aspekte, welche die tiefe Verschwisterung zwischen der einst so untergangstrunkenen Epoche des Expressionismus und unserer eigenen, vielleicht weniger visionären und rauschhaften, dafür aber real umso mehr auf Untergang getrimmten signalisieren. Erstens, das pure Ineinander des Elementaren: die Aufschichtungen und Überlagerungen von Physis wie von Thesis, der wüste Zusammenstoß von Naturmächten mit dem vom Menschen Gemachten; zweitens, die Art und Weise, wie letzteres hier vom ersteren zunächst leicht angeweht, etwas inkommodiert, schließlich aber richtig gepackt und kurzerhand weggefegt oder am Ende gar überwältigt wird. Die stolzen modernen technischen Konstrukte, aber auch die schlicht alltäglichen menschlichen Verrichtungen, die menschlichen Ordnungen insgesamt sind brüchig und werden hier von der sie einholenden Natur ihrer Fragilität und Haltlosigkeit schlagartig überführt; wobei Alltag und Überwältigung, Biedersinn und Katastrophe, Routine und Sturzwelle auf das Sonderbarste und doch Einleuchtendste verknüpft sind: Das zunächst so Ferne rückt mit einmal unaufhaltsam nahe, das jedes Maß Sprengende entpuppt sich als schon der Banalität eingeschrieben, und die Eisenbahnen als Emblem der grenzüberschreitenden Naturbeherrschung zeigen sich als immer schon prädestiniert für Flug und Fall. Und im Mittelpunkt steht, damals wie heute, der brave nichtsahnende Bürger; so dass vielleicht noch mehr als auf den Status als 'signature poem' des Expressionismus, "Weltende" wohl Anspruch darauf hätte, als das 'signature poem' des Anthropozän zu gelten. [...]
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