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  1. Das Versprechen in der Popmusik : Pop und Paranoia in Thomas Melles "Die Welt im Rücken"
    Autor*in: Nolte, Thomas
    Erschienen: 07.01.2025

    Der vorliegende Beitrag untersucht den in "Die Welt im Rücken" zur Sprache gebrachten paranoiden 'Beziehungswahn' anhand der Funktion, die Popmusik im Text erfüllt. Den Schwerpunkt auf die Popmusik zu legen - und nicht etwa auf andere Themen, die im... mehr

     

    Der vorliegende Beitrag untersucht den in "Die Welt im Rücken" zur Sprache gebrachten paranoiden 'Beziehungswahn' anhand der Funktion, die Popmusik im Text erfüllt. Den Schwerpunkt auf die Popmusik zu legen - und nicht etwa auf andere Themen, die im Buch ebenfalls an die Paranoia geknüpft sind -, ist deshalb ein besonders lohnendes Unterfangen, da der Text eine untergründige Affinität zwischen Pop und Paranoia aufzeigt. Bereits die konstante Beschallung mit Popmusik, so suggeriert der Text, nähert die von Melle beschriebene Wahrnehmung an diejenige eines Schizophrenen an: Zu Beginn des Buchs erwähnt Melle, dass man bei Patientengesprächen stets gefragt werde, ob man Stimmen höre - den psychiatrischen Klassifikationen zufolge ein unfehlbares Anzeichen für Schizophrenie. Während seiner manischen Phasen vernimmt Melle durch den andauernden Popmusik-Konsum dann tatsächlich in einem fort Stimmen. Und auch sein in diesen Phasen exaltierter Kleidungsstil steht in einem Bezug zu den ausgestellt modischen Exzentrizitäten etlicher Pop-Heldinnen und -Helden [...]. Die von Melle hervorgehobene Affinität zwischen Pop und Paranoia liegt, wie im Folgenden gezeigt werden soll, in der spezifischen Offenheit der Popmusik und ihrer Aussagen begründet. Diese Offenheit stiftet die Voraussetzung dafür, dass sich der 'Beziehungswahn' des Paranoikers an der Popmusik überhaupt entzünden kann. Ein erster Abschnitt untersucht, welche Wirkung die Popmusik während der von Melle beschriebenen manischen Schübe entfaltet. Indem sich Melle der Popmusik bedient, um seine eigene Krankheit darzustellen, wirft er zugleich ein Licht auf die spezifische Verfasstheit von Popmusik, womit sein Text unter der Hand eine abgründige Poptheorie entwirft. Anschließend zeigt ein zweiter Abschnitt, dass der Rückgriff auf Popmusik in "Die Welt im Rücken" Melle bei seinem eingangs zitierten Vorhaben unterstützt, die eigene, durch die Krankheit fragmentierte Geschichte zu artikulieren. Dass Melle für die Offenlegung des Persönlichsten und Intimsten ausgerechnet auf die oft als oberflächlich verschriene Massenware Pop zurückgreift, mag auf den ersten Blick verwundern. Das Vorgehen, individuelle Erfahrungen mithilfe der allgemein verfügbaren Popmusik zu artikulieren, erscheint allerdings weniger widersprüchlich, wenn man einen Blick auf die Poptheorie wirft. Diese hat herausgearbeitet, dass besagter Widerspruch der Popmusik selbst inhärent ist, da sie auf konventionalisierte Formen zurückgreift, um persönlichen Erfahrungen zum Ausdruck zu verhelfen. Dieser Rückgriff auf bereits bestehende Formen, deren Neuanordnung etwas Eigenes formuliert, wurde in der Poptheorie mit dem von Stuart Hall übernommenen Konzept der 'articulation' beschrieben. Ein letzter Abschnitt zeigt anhand der "Die Welt im Rücken" durchziehenden reflexiven Passagen, dass die der Popmusik entlehnten Aneignungsverfahren den Text auch dann bestimmen, wenn nicht explizit von Popmusik die Rede ist. Bei diesem Verfahren handelt es sich also um die dem Text zugrundeliegende Poetologie. Dass der Popmusik abgeschaute Verfahren der Aneignung fremder Aussagen ist insofern vorbildhaft, als sich Melle ebenso die eigene, durch die Krankheit fremd gewordene Geschichte mit dem Schreiben des Buchs aneignet. Dies ermöglicht die in der Nähe zur Autofiktion stehende Erzählsituation, die sich dadurch auszeichnet, dass Melle dezidiert in der ersten Person Singular schreibt und die Grenze zwischen Autor und Erzählinstanz verwischt.

     

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    Quelle: CompaRe
    Sprache: Deutsch
    Medientyp: Wissenschaftlicher Artikel
    Format: Online
    DDC Klassifikation: Literatur und Rhetorik (800); Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur (830)
    Sammlung: Passagen Verlag, Weimarer Beiträge
    Schlagworte: Melle, Thomas; Die Welt im Rücken; Popmusik <Motiv>; Paranoia <Motiv>
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  2. Ästhetik des Dazwischen : zur avantgardistischen Filmkunst von Michelangelo Antonioni
    Autor*in: Voss, Dietmar
    Erschienen: 07.01.2025

    Im Gegensatz zu den teilweise grotesken Suggestionen der deutschen Verleihfirmen, die Filmtitel wie "L'eclisse" ["Die Sonnenfinsternis"] oder "L'avventura" ["Das Abenteuer"] in "Liebe 1962" bzw. in "Die mit der Liebe spielen" verwandelten, ist Liebe... mehr

     

    Im Gegensatz zu den teilweise grotesken Suggestionen der deutschen Verleihfirmen, die Filmtitel wie "L'eclisse" ["Die Sonnenfinsternis"] oder "L'avventura" ["Das Abenteuer"] in "Liebe 1962" bzw. in "Die mit der Liebe spielen" verwandelten, ist Liebe als solche keineswegs Thema von Antonionis Filmen. Wenn in ihnen von 'Liebe' die Rede ist, dann meist in verworrener und absurder Weise. [...] Im filmischen Œuvre Antonionis wird, was die Leute für 'Liebe' halten, analytisch zersetzt. Dabei prallen höchst unterschiedliche kulturelle Ordnungen aufeinander, welche für die Beteiligten meist unbewusst deren Fühlen und Begehren bestimmen. Auf der einen Seite die 'bürgerliche', romantische Gefühlstradition, am eindringlichsten von der Figur der Giuliana (Monica Vitti) in "Il deserto rosso" (1964) verkörpert; auf der anderen Seite eine fernöstliche, buddhistisch inspirierte Gefühlstradition, die allerdings nicht, wie das Klischee es will, Askese, sondern vielmehr Indifferenz gegenüber sinnlichem Lusterleben anstrebt. [...]

     

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    Quelle: CompaRe
    Sprache: Deutsch
    Medientyp: Wissenschaftlicher Artikel
    Format: Online
    DDC Klassifikation: Öffentliche Darbietungen, Film, Rundfunk (791); Literatur und Rhetorik (800)
    Sammlung: Passagen Verlag, Weimarer Beiträge
    Schlagworte: Antonioni, Michelangelo; Film; Ästhetik; Gefühl <Motiv>; Leere <Motiv>
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  3. Schwarze Aufklärung : H.P. Lovecraft: Philosophie - Poetik - Literatur
    Erschienen: 08.01.2025

    Howard Philipps Lovecraft ist nach Edgar Allan Poe der bedeutendste amerikanische Autor unheimlicher Literatur. Leser und Autoren wissen es schon lange; inzwischen, mit einem halben Jahrhundert Verzögerung, ist auch die Kritik allmählich... mehr

     

    Howard Philipps Lovecraft ist nach Edgar Allan Poe der bedeutendste amerikanische Autor unheimlicher Literatur. Leser und Autoren wissen es schon lange; inzwischen, mit einem halben Jahrhundert Verzögerung, ist auch die Kritik allmählich dahintergekommen: Nachdem Lovecraft lange höchstens als Autor adoleszenter Schauerschundgeschichten belächelt wurde, wird er seit etwa den 1990er Jahren auch von ihr als Meister des Unheimlichen entdeckt und als Klassiker anerkannt. Eine der Besonderheiten dieses Autors ist, dass er nicht nur in seiner Literatur, sondern auch in Essays und besonders seiner umfangreichen Korrespondenz eine - atheistisch-materialistische - Philosophie entwickelt, die sich als "Schwarze Aufklärung" über den Menschen und seine Welt verstehen lässt. Was Adorno und Horkheimer in ihrer Dialektik der Aufklärung anhand de Sades und Nietzsches ausführen, gilt, mutatis mutandis, auch für Lovecraft: Wie jene ein "dunkle[r] Schriftsteller des Bürgertums", entfaltet Lovecrafts Werk eine "intransigente Kritik der praktischen Vernunft" und ihres Agenten, des allzu "selbstherrliche[n] Subjekt[s]", eine Kritik, die mit den Grenzen des Denkens, unserer Welt und ihrer Wissenschaften auch die der Aufklärung in den Blick zu nehmen erlaubt - und ihr so, unter Aufweis ihrer Kehrseite und Verbildlichung ihrer Konsequenzen sowie durch radikale Absage an jegliche "harmonistische Doktrinen", treu bleibt. Erst vor dem Hintergrund der Grundpositionen der Philosophie Lovecrafts, wie er sie in seinen Essays und Briefen entwickelt, wird seine Poetik der Form und Aufgabe unheimlicher Erzählungen wirklich nachvollziehbar. Als zugleich philosophisch-poetologische Positionierung und praktisch-literarisches Programm verstanden, eröffnet Lovecrafts Philosophie nicht nur das Verständnis seiner eigenen Literatur, sondern gibt überdies richtungsweisende Konzepte zur Philosophie und Philologie des Unheimlichen überhaupt an die Hand. Folgender Beitrag entwickelt zunächst einige philosophische und poetologische Grundpositionen Lovecrafts und diskutiert sie im historisch-systematischen Kontext. Vor diesem Hintergrund zeigt eine Lektüre der Erzählung "The Colour Out of Space" (1927) - eine seiner populärsten und einflussreichsten Erzählungen und die wohl vollkommenste "weird tale" in seinem Gesamtwerk - en détail, wie Lovecraft diese Positionen, unter Rückgriff auf neueste Erkenntnisse der zeitgenössischen Naturwissenschaften, in seiner eigenen Literatur realisiert. So wird deutlich, dass Lovecrafts "weird fiction" selbst eine Philosophie ist, die im Modus des Zeigens, der Erzählung operiert und mit spekulativen Mitteln die Grenzen unseres Wissens sowohl auszuloten als auch zu hinterfragen versucht: Die unheimliche Literatur Lovecrafts denkt den unmöglichen Gedanken der Grenze allen Denkens - und zwar, indem sie ihn erzählt.

     

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    Quelle: CompaRe
    Sprache: Deutsch
    Medientyp: Wissenschaftlicher Artikel
    Format: Online
    DDC Klassifikation: Literatur und Rhetorik (800); Amerikanische Literatur in in Englisch (810)
    Sammlung: Passagen Verlag, Weimarer Beiträge
    Schlagworte: Lovecraft, H. P; Philosophie; Poetik; Das Unheimliche
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  4. Selbstbildnis mit Engel : Hertha Kräftner oder Die Kartographie der Melancholie
    Autor*in: Peck, Clemens
    Erschienen: 07.01.2025

    Während neuere literaturwissenschaftliche Auseinandersetzungen auf die Gefahr einer autobiographisch-pathologischen Rezeption des literarischen Werks hingewiesen haben, gilt als 'common sense', dass Kräftners Schreiben auch abseits eines einfachen... mehr

     

    Während neuere literaturwissenschaftliche Auseinandersetzungen auf die Gefahr einer autobiographisch-pathologischen Rezeption des literarischen Werks hingewiesen haben, gilt als 'common sense', dass Kräftners Schreiben auch abseits eines einfachen Biographismus nicht vom Leben zu trennen ist. [...] Die folgende Auseinandersetzung mit Kräftners Figurationen der Melancholie und Depression gehen demgegenüber vom performativen Vollzug und der literarischen Praxis ihrer Texte aus. Diese Praxis soll als Kartierung verstanden und rekonstruiert werden. Die dabei minutiös verzeichneten Bewegungen und Konstellationen von Affekten, Erinnerungen, Perzeptionen, Figuren und Bildern sind zwar einem biographischen Kontext zuzuordnen, lassen sich aber nicht zur Gänze als Zeichen einer Autobiographie decodieren oder auf die Kontinuität eines personalen Bewusstseins bzw. auf dessen pathologischphallogozentrische Klassifikationen reduzieren. Ein Problem, das die Forschung zu Hertha Kräftner in ein unendliches labyrinthisches Spiegelkabinett versetzt, ist die Prämisse einer subjektiven Identität, eines personalen Zusammenhangs, der überall dort als Referenz angenommen wird, wo autobiographische Markierungen in den verschiedenen Genres zu finden sind. Diese biographischen Vorannahmen, denen dann entsprechende heteronormative Liebeskonstellationen sowie psychische Krisenverläufe zugeordnet werden, müssen zwangsläufig hinter die literarische Praxis von Kräftners Texten zurückfallen. Ausgehend vom Begriff der literarischen "Kartographie", wie ich ihn im Anschluss an Deleuze und Guattari für das Textkonvolut Kräftners verwenden möchte, werden im Folgenden zwei Kategorien in den Blick genommen: jene des Subjekts und jene der literarischen Gattung. Die italienische Philosophin Rosi Braidotti fasst die Kategorie des Subjekts in ihrem Aufsatz über Virginia Woolf als "eine kollektive Assemblage, ein Relais für ein Netz komplexer Beziehungen, das die Zentralität Ich-indizierter Identitätsbegriffe verschiebt". Unter literarischer Kartographie soll demgemäß eine ästhetische Sensibilisierung dieses Gefüges, seiner Längen- und Breitengrade und seiner Beziehungen zur Außenwelt verstanden werden. Der autobiographische Zusammenhang 'Hertha Kräftner' zeigt sich darin im literarischen Text nicht als kohärentes und beständiges 'Ich', sondern als Relais eines zeiträumlich wechselnden Beziehungsnetzes mit vielfältigen Spielräumen und Affekten. Dieser Logik folgt auch ein Gattungsverständnis, das Braidotti mit dem Begriff des "intensiven Genres" im Anschluss an Gilles Deleuze und Félix Guattari entwickelt. Darunter versteht sie ein Netz literarischer Praktiken und Figuren, das "eine Reihe etablierter literarischer Formen transversal kreuzt, um einen qualitativen Modus eigener Art zu konstituieren". Hertha Kräftners intensives Genre, so die These, wird durch jene literarischen Figuren und Praktiken ermöglicht, die abweichend von der Kreisbewegung der Melancholie und Depression Fluchtlinien der Kreativität kartographieren, mit eigenen Formen von Zeitlichkeit und Räumlichkeit. Früh hat die literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit Blick auf den Komplex Melancholie und Trauer in den Texten eine "kreisförmige" Anlage bzw. zyklische Bewegungen zwischen den Texten gesehen. Das Verständnis von literarischen Texten als Kartographie ermöglicht es, das Verstreute, Dynamische und Nomadische, das zu Beginn als performative Bewegung des Gedichts zu zeigen versucht wurde, zum trauervoll Konsistenten und monadisch Verschlossenen in Beziehung zu setzen. Diese spezifischen Kräfte, Affekte und Relationen des textuellen Gefüges sind in der kartographischen Lektüre "aus[zu]breiten". Nicht mehr Fragen von Ich und Außenwelt, von Krankheit und Gesundheit, Biographie und Literatur stehen dabei im Zentrum, sondern Bewegungen auf einer literarischen Karte: die Beziehungen von Kreislinie und Fluchtlinie. Im Zentrum stehen Möglichkeiten des "Intensiv-Werdens", Transformationen des isolierten und der Vergangenheit zugewandten Subjekts in eine offene Karte des Begehrens ohne Subjekt.

     

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    Quelle: CompaRe
    Sprache: Deutsch
    Medientyp: Wissenschaftlicher Artikel
    Format: Online
    DDC Klassifikation: Literatur und Rhetorik (800); Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur (830)
    Sammlung: Passagen Verlag, Weimarer Beiträge
    Schlagworte: Kräftner, Hertha; Melancholie
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  5. Absurdistische Logik in der chinesischen Avantgarde-Kunst
    Erschienen: 07.01.2025

    Sich mit den vergangenen vier Jahrzehnten der chinesischen Geschichte zu befassen bedeutet, sich mit der chinesischen Postmoderne auseinanderzusetzen und damit mit der Gesamtheit der 'Posts', die auf Mao Zedong (1893–1976) folgten: Post-Revolution,... mehr

     

    Sich mit den vergangenen vier Jahrzehnten der chinesischen Geschichte zu befassen bedeutet, sich mit der chinesischen Postmoderne auseinanderzusetzen und damit mit der Gesamtheit der 'Posts', die auf Mao Zedong (1893–1976) folgten: Post-Revolution, Post-Sozialismus, Post-Mao, Post-Utopie. Bedenkt man, dass die Erfahrung des Maoismus als die Erfahrung der chinesischen Moderne in die chinesische Geschichtsschreibung eingegangen ist, dann kann die Zeit nach Mao als direkter Übergang in die Phase der Postmoderne betrachtet werden. Tatsächlich bedeutet dies auch einen tiefgreifenden kulturellen Wandel. Die chinesische Postmoderne markiert eine plötzliche und beispiellose Wende in der chinesischen Geschichte, einen Umbruch, eine Umgestaltung des modernen China, das wesentlich auf Asketismus und Egalitarismus basiert. So hat das Aufeinandertreffen von globalem Kapitalismus, Popkultur und chinesischem Kontext eine Art kulturellen Hybrid erzeugt. Postmoderne bedeutet in China die letzte Kulturrevolution, das Zeitalter der digitalen und der grünen Wirtschaft, der Neuen Seidenstraße, der nationalen Verjüngung, des Kampfes gegen die Korruption. Aber das Versprechen der Moderne hat die Grenzen der ideologischen Vergangenheit und der sozialistischen Gegenwart überschritten. Gegenwärtig wird nach einer neuen Identitätsdefinition einer Bevölkerung gesucht, die modern und traditionell, konservativ und liberal sein soll, die sich ändern soll, aber auch nicht all zu sehr. Mein Eindruck ist, dass die heutige Avantgarde-Ästhetik einen pessimistischen Blick auf die triumphierenden Visionen der offiziellen Mainstream-Produktion wirft, und darum bemüht ist, der Unzulänglichkeit der chinesischen Gegenwart Ausdruck zu verleihen, und zwar durch die offene Abkehr von rationalen Mitteln und linearem Denken. [...] Am meisten interessiert mich der letzte Trend der experimentellen Phase. Entstanden nach den Ereignissen auf dem Platz des himmlischen Friedens (1989), in einer Mischung von politischer Desillusionierung und kommerziellem Markt, ist dieser Trend abstrakter und konzeptueller als vorherige Versuche und hat ästhetische Implikationen, die sehr an die durch Camus theoretisierte absurdistische Philosophie erinnern. Diese künstlerische Entwicklung ist dabei inhärent chinesisch und offensichtlich postmodern, die neue Gesellschaftsstruktur wird als ein Szenario der Nachahmung, Verdopplung, vielleicht sogar als Maskerade skizziert; zugleich ist die fehlende Tiefe der Postmoderne hier durch eine absurdistische Struktur bereichert, die die Diskussion um die chinesische Avantgarde-Kunst mit soziologischer Bedeutung anreichert. In aller Kürze sei zunächst auf die moderne Entwicklung der Philosophie des Absurdismus im Westen zurückgeblickt, danach sollen der chinesische Kontext und die entsprechenden Experimente der Avantgarde-Kunst im Zentrum stehen. Seit der bahnbrechenden China/Avantgarde-Ausstellung 1989 in Peking wurde eine beeindruckende Fülle wissenschaftlicher Arbeiten produziert. Zahllose kritische Rezensionen, akademische Artikel und Texte sind geschrieben worden, die die Reaktion der Kunst auf das geheime Einverständnis zwischen chinesischer Postmoderne und globalem Kapitalismus beschreiben, welches zugleich mit einer Steigerung der Lebensstandards, aber auch mit gesellschaftlichen Probleme einhergeht, die der Ära Maos und ihrer Version des Sozialismus fremd waren. Die nächsten Seiten sollen allerdings nicht einfach diese vertrauten und gesicherten akademischen Erkenntnisse wiederholen, sondern verstehen sich vielmehr als Versuch, die chinesische Avantgarde-Kunst als einen Ausdruck der durch den Existentialismus theoretisierten absurdistischen Philosophie zu verstehen.

     

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    Hinweise zum Inhalt: kostenfrei
    Quelle: CompaRe
    Sprache: Deutsch
    Medientyp: Wissenschaftlicher Artikel
    Format: Online
    DDC Klassifikation: Künste; Bildende und angewandte Kunst (700); Literatur und Rhetorik (800)
    Sammlung: Passagen Verlag, Weimarer Beiträge
    Schlagworte: China; Kunst; Avantgarde; Postmoderne; Das Absurde
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