Fritz Hüser Sommerakademie »Autosoziobiographie« | Dortmund (30.04.2023)
om 24.–27. Juli 2022 richtet das Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt die dritte »Fritz Hüser Sommerakademie« aus, diesmal zum Thema »Autosoziobiographie«. Masterstudierende in der Abschlussphase, Graduate Students, Promovierende und Postdocs sind eingeladen, über eigene Zugriffe auf den Untersuchungsgegenstand miteinander und mit international etablierten Expert:innen zu diskutieren. Die Sommerakademie ist ein auf intensiven Austausch setzendes Format. In Form von Impulsvorträgen stellen die Teilnehmer:innen ihre Forschungsvorhaben und -fragen im Plenum vor, zudem werden in kleineren Gruppen eigene Texte der Teilnehmer:innen oder von ihnen ausgewähltes, für ihre Projekte einschlägiges Material besprochen.
Autosoziobiographien verstehen wir als Genre, das das lebensgeschichtliche Erzählen der schreibenden Subjekte in den Mittelpunkt rückt und zugleich Wechselwirkungen zwischen subjektiven Lebensläufen und sozialen Begebenheiten, Praktiken, Praxen und (ihren) Veränderungen reflektiert, zwischen autobiographischem Erinnern und sozioökonomischen Gegebenheiten wie soziokulturellen Normen und Konventionen. Als Genrebezeichnung findet die Autosoziobiographie spätestens seit dem Erfolg von Didier Eribons »Retour à Reims« (2009) und seinen Übersetzungen ins Deutsche (2016) und Englische (2018) in der literaturwissenschaftlichen Forschung verstärkt Beachtung. Besondere Aufmerksamkeit erfährt sie dabei aktuell in Form der transclasse-Erzählung. Für das Bekanntwerden des Genres sorgen Texte wie die von Tove Ditlevsen in Dänemark, von Annie Ernaux in Frankreich (die auch die Genrebezeichnung I‘auto-socio-biographie geprägt hat) sowie von Christian Baron und Daniela Dröscher in Deutschland. Als Soziobiographien reflektieren die Texte sowohl ihre eigene Erzählhaltung und die Position der Erzählstimmen in der Diegese als auch die historisch-subjektive Verortung des Erzählens.
Diese Texte handeln von persönlichen wie beruflichen Verunsicherungen, Umbrüchen, Umorientierung, Freiheitsversprechen, von Erwerbslosigkeit oder Armut, die teils auf Prozesse des Übergangs von industriellen zu post-industriellen Arbeitsverhältnissen zurückführbar sind. Sie machen aber auch auf die Intersektionalität von sozialer und ethnischer Herkunft, Alter, Geschlecht etc. aufmerksam und auf die mit ihnen zusammenhängenden Formen von Benachteiligung. Auffällig ist in dieser Hinsicht, dass sich Autosoziobiographien überwiegend in einem nationalen Kontext verorten. Wie aber verhält es sich mit autosoziobiographischen (transclasse-)Erzählungen, die diesen Kontext mit post-migrantischen oder transnationalen Geschichten verflechten, wie etwa die von Natasha Brown, Dinçer Güçyeter, Stuart Hall oder Deniz Ohde? Diese Storys sind nicht minder transclasse, verhandeln jedoch Lebenswege, gesellschaftlichen Aufstieg bzw. Abstieg – ja, Gesellschaft selbst – im Kontext von globalen politischen und wirtschaftlichen Zusammenhängen (z.B. Kolonialismus und Post-Kolonialismus), so dass sich die Frage aufdrängt, in welchem Spannungsverhältnis Kategorien wie transclasse und transnational stehen. Ebenso wäre nach dem Verhältnis von transclasse und transgender zu fragen.
Diese Hintergründe wollen wir nutzen, um die Beschreibungs- und Deutungsleistung der Genrebezeichnung »Autosoziobiographie« selbst zu diskutieren. Gefragt werden kann aber auch nach Ausformungen, Manifestationen, Ästhetiken, Stilen, Rhetoriken und Poetiken von Autosoziobiographien; nach der Autosoziobiographie als subjektive oder kulturelle, ästhetische Praxis oder Erkenntnisform, die dominante oder sogenannte subalterne bzw. eher verborgen gebliebene Aspekte von Erfahrungen bereithält und reflektiert. Nicht zuletzt möchten wir die Genrebezeichnung und -charakteristika diskutieren, gerade auch mit Blick auf historisch vergleichbare autofiktionale Erzählformen.
Bewerbungen
Interessierte Forscher:innen werden gebeten, bis zum 30. April 2023 eine kurze Skizze ihres Projektes (max. 1800 Zeichen) und einen knappen Lebenslauf (max. 1 Seite) an Iuditha Balint (ibalint@stadtdo.de) zu senden. Über das Ergebnis des Auswahlverfahrens werden die Bewerber:innen bis spätestens Ende Mai informiert.
Stipendien
Vergeben werden Stipendien in Höhe von 775,- Euro (an Stipendiat:innen aus Deutschland) und 1.775,- Euro (max., an Stipendiat:innen aus dem Ausland), die auch die anfallenden Kosten für Reise, Unterbringung und Verpflegung abdecken.
Mentor:innen
Assistant Professor Lilla Balint, PhD (Berkeley)
Dr. Eva Blome (Hamburg)
Prof. Dr. Anja Lemke (Köln)
Dr. Iuditha Balint (Dortmund)
Arbeitssprache
Arbeitssprache ist Deutsch, Bewerbungen sind jedoch auch aus dem nichtdeutschsprachigen Raum willkommen.
Ort und Zeit
Die Sommerakademie findet vom Nachmittag des 24. bis zum Nachmittag des 27. Juli in Dortmund statt.
Organisation
Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt: fhi.dortmund.de