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Zerbrochene Linsen … Der female gaze (und die Macht-Konfigurationen von Blickbeziehungen) | Hagen

Beginn
12.06.2025
Ende
13.06.2025
Deadline Abstract
15.03.2025

Tagung

Zerbrochene Linsen…Der female gaze (und die Macht-Konfigurationen von Blickbeziehungen)

Berlin 12./13. Juni 2025 (FernUniversität in Hagen)

PORTRAIT DE LA JEUNE FILLE EN FEU (F 2019) unter der Regie von Céline Sciamma wird vor allem als Beispiel eines gelungenen female gaze gefeiert (Pilarczyk 2019), der sich einer langen Kinotradition des männlichen Blicks widersetzt, diesen jedoch gleichzeitig inkorporiert, indem er ihn sich aneignet und umschreibt, um lesbisches Begehren zu entfalten. Der Film offenbart Kenntnisse feministischer Blicktheorien, die insbesondere das ‚weibliche‘ Filmen prägen (vgl. Kolonko 2023), – eine vielfältige Auseinandersetzung mit bestehenden patriarchalen Repräsentationsstrukturen und im Zuge dessen mit Möglichkeiten eines weiblichen Subjektes. Im Kontext feministischer Kritik verwies Mulvey (1975) auf die Rolle der Frau als Blickobjekt, die aus den heteronormativen Begehrensstrukturen hervorgeht, die das Kino entfaltet. Schon Simone de Beauvoir hat in ihrem die zweite Welle der Frauenbewegung maßgeblich beeinflussenden Werk „Le Deuxième Sexe“ (1949) davon gesprochen, wie fundamental in die weibliche Subjektivierung die Rolle als Blickobjekt eingeschrieben ist. In der Suche nach einem weiblichen Blick wurde daher versucht, die der Frau zugeschriebene Passivität zu überwinden und sie als eine aktive Zuschauerin zu denken, versehen etwa mit einem transvestitischen (Mulvey 1999), masochistischen (Studler 1985) oder maskierten, oszillierenden Blick (Doane 1994) – alle Kategorien entnommen den Theorien, die Weiblichkeit gegenüber dem männlichen Subjekt als das Andere konzipieren. Auch wurde die Mutterfigur als potenzielle Trägerin eines weiblichen Blicks gesehen (Koch 1980; Kaplan 1984; Brauerhoch 1996; Koch 1995). Kann Frau zum Subjekt des Blickes werden oder ist sie eher eine Relationsgröße des Begehrens, das im ödipalen Dreieck entsteht (de Lauretis 1990) und das sie aktiv umgestalten kann (Johnston 1977)? Es stellt sich also die Frage, in welcher Weise ein female gaze sich dem male gaze entgegenstellen kann, sei es im Film, der Literatur oder im Selbstverständnis von Weiblichkeit. 

Die Debatten über den männlichen, weiblichen, queeren, rassifizierenden und ethnisierenden Blick wurden bis in die 1990er Jahre hinein umfangreich geführt (vgl. Gradinari 2024), die Frage nach der Macht des männlichen Blickes hat jedoch nie an Aktualität verloren. Die Medialisierung der Blicke findet zwar längst außerhalb von Kino und Fernsehen statt – die Digitalität hat technologisch produzierte Blicke im sozialen Raum verstreut, in dem nun Prosumer:innen um Sichtbarkeit kämpfen und diese mit anderen Machtstrukturen (Militär, Werbeindustrien, Kommunikationskonzerne, Geheimdienste usw.) verknüpfen. Male gaze, der im Kino zwar nicht vollständig verbannt, aber zumindest kritisiert wurde, feiert ein Comeback. Gill (2007: 151) spricht von der Inkorporierung des männlichen Blicks durch Frauen in der Popkultur und im digitalen Raum. Darüber hinaus liegen den Blickstrukturen Überwachungsmechanismen zugrunde – es hat sich ein surveillance gaze herausgebildet, an den auch Frauen angeschlossen werden (Ruto 2016: 86; Winch 2013). Vor dem Hintergrund der Digitalisierung ließe sich sogar fragen, ob die Unterwerfung unter den male gaze nicht noch umfassender zu denken sei. Nicht nur weibliche Subjekte machen sich zunehmend zu Objekten eines entpersonalisierten Blicks, unabhängig vom Gender schreitet eine Selbstobjektivierung voran, die in der Kulturgeschichte ihres gleichen sucht (Kauer 2023). 

Vor dem Hintergrund der technologischen Transformation westlicher Kulturen möchten wir nun die Fragen nach der sozialen, medialen und digitalen Disposition sowie der ästhetischen und politischen Transformation geschlechtsspezifischer Blicke aufwerfen (eine eigene Fragestellung ist jedoch ebenfalls möglich). Das Schlagwort female gaze wird zwar recht häufig im Munde geführt, doch vermissen wir eine klare Vorstellung davon, wie dieser aussehen kann und wie er heteronormativen Strukturen entgegenzuwirken vermag. Bedeutet female gaze ein Reflektieren, Unterlaufen oder eine Opposition zum male gaze? Ist er abhängig von der geschlechtlichen Identifikation der Blickenden? Ist der female gaze normative Setzung oder eine empirische Beschreibung dafür, dass auch Frauen Blicke setzten und Andere objektifizieren können? 

  • Wo und wie manifestieren sich geschlechtsspezifische Blicke, und wie können sie theoretisch erfasst werden? 
  • Ist die Psychoanalyse weiterhin eine produktive Grundlage für die Auseinandersetzung mit Blickstrukturen? 
  • Welche Rolle spielt eine feministische Kritik bei der Debatte um male bzw. female gaze? 
  • Welche anderen theoretischen Ansätze und Subjektkonzepte können fruchtbar gemacht werden? 
  • Wie werden die Blicke in verschiedenen Medien reguliert (Literatur, Film, Serien, soziale Medien, Fernsehen, Streaming-Dienste, Literatur und Kunst)? 
  • Gibt es Verflechtungen zwischen den Medien?
  • Wie hat sich der soziale Raum durch die Vergesellschaftung digitaler Technologien verändert?

Bitte senden Sie uns einen Vorschlag (ca. 300 Wörter) bis zum 15.03.2025 an carolin.rolf@fernuni-hagen.de und katja.kauer@uni-tuebingen.de

Organisatorinnen: Irina Gradinari, Katja Kauer und Carolin Rolf

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Katja Kauer

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katja.kauer@uni-tuebingen.de

Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Forschungsgebiete

Feministische Literaturtheorie, Literatur und andere Künste, Literatur und Psychoanalyse/Psychologie, Literatur und Visual Studies/Bildwissenschaften, Intermedialität

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FernUniversität Hagen
Datum der Veröffentlichung: 17.01.2025
Letzte Änderung: 17.01.2025