Versifizieren/Übersetzen. Möglichkeiten einer Praxeologie gebundener Rede
Workshop an der Universität Konstanz, 6.7.-7.7.2023
Einsatzpunkt des komparatistisch angelegten Workshops ist die alte und vermeintlich einfache Frage, was Texte in Versen überhaupt auszeichnet. Wir möchten diese Frage aus einer praxeologischen Dimension neu stellen, und zwar, indem wir sie als ein Problem der Übersetzung behandeln. Der Umstand, dass die Geschichte der Versifikation über weite Strecken auch als eine Geschichte der Übersetzung(en) figuriert, kann zwar grundsätzlich als bekannt vorausgesetzt werden (vgl. Gasparov 1996), ist in seiner historischen wie theoretischen Breite bislang allerdings kaum ergründet worden. Der Alexandriner, der Blankvers/verso sciolto oder die antiken Odenstrophen sind nur drei Beispiele von Versformen als Übersetzungsformen.
Für unseren Workshop schlagen wir indes einen noch distinkteren Fokus vor. Wir widmen uns der Versifizierung als Übertragung von Prosa in Verse – und im weiteren Sinne als metrisch gestaltete Darbietung von sonst in Prosa gehaltenen Sachverhalten (vgl. Müller/Rohmer 2003). Insofern es sich dabei um eine „Wiedergabe sprachlicher Zeichen mittels anderer Zeichen derselben Sprache“ (Jakobson 1988, S. 483) handelt, kann die Versifizierung mit Roman Jakobson als intralinguale Übersetzung aufgefasst werden. Erst jüngst hat Didier Coste zudem explizit eine „theoretical exploration of versification and prosification as translational acts of speech“ (Coste 2020, S. 110) eingefordert. Daran anknüpfend möchte der Workshop systematische Zugänge zum Verhältnis von Vers und Prosa ausgehend von innersprachlichen Übersetzungsvorgängen erschließen. Ziel ist es, das Potenzial einer translationalen Theorie gebundener Rede auszuloten.