Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit Texten aus der zweiten grossen Schaffensperiode von Gabriele d'Annunzio (1863-1938), die mit seinem Exil in Frankreich ab 1910 einsetzt. Sie wird von der Forschungsliteratur gerne als produzione notturno' bezeichnet. Neue, sym-bolistische Aspekte von Realität rücken hier in den Blickpunkt. In kurzen Textformen wird eine pointierte, aber gemässigte Sprache eingesetzt, die am Rande von Lyrik und Prosa expe-rimentiert. Formal wichtige Kriterien sind Antinarrativität und Strukturauflösung. Thematisch werden Orte des Inneren und die Multivalenz von Realität erkundet. D'Annunzio bewegt sich in den Grenzbereichen des 'ignoto', des 'ineffabile' und geht von visionären Fähigkeiten des Künstlers aus. Gleichzeitig mit der methodischen Suche nach einer Sprache für diese Phäno-mene läuft in den Texten auch die Reflexion über das Selbstverständnis des eigenen Künst-lertums. Die für d'Annunzio unabdingbare Verknüpfung von Leben und Kunst ist jetzt fast frei von Exzessen und wird als existentielles Grundbedürfnis körperlich und mental wahrge-nommen. Das eigene künstlerische Schaffen wird aufgeschlüsselt in Momente der Inspiration, der Produktion, der Materialität des Schreibens und der Solidarität innerhalb eines übergrei-fenden, künstlerischen Systems. Anhand ausgesuchter Texte aus den Faville del maglio (1911-1914) und anhand der Con-templazione della morte (1912) wird in der Untersuchung ein poetologisches Regelwerk her-ausgearbeitet, welches einer so verstandenen Realität Ausdruck gibt. Gleichzeitig wird der Metatext beobachtet, der das neue Selbstverständnis des Künstlers reflektiert. Im Sinne des Titels der Arbeit wird der Künstler verstanden als jemand, der Schwellen überschreitet, zuerst die Schwelle zwischen vita' und arte' zugunsten einer magisch erfahrbaren Realität, danach sind formale und stilistische Schwellen zu überwinden, die es der eigenen Sprache ermögli-chen, in diese Bereiche vorzudringen. ; published
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