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Journal of Literary Theory Bd. 18, Nr. 1 (2024): Die Autonomie der Literatur

Abstract submission deadline
15.07.2023

Journal of Literary Theory Bd. 18, Nr. 1 (2024)

  

Themenschwerpunk "Die Autonomie der Literatur" (English version below)

  

Wenngleich der Begriff der Autonomie vor allem mit älteren Traditionen der philosophischen Ästhetik von Schiller bis Adorno assoziiert wird, spielt er auch in der aktuellen Literaturwissenschaft noch (oder wieder) eine prominente und vielfach kontroverse Rolle. Die Annahme, dass im späten 18. Jahrhundert die gesellschaftliche Ausdifferenzierung zu einer Autonomisierung der Literatur geführt habe, genießt zwar weitreichende Akzeptanz, aber: "the nature and scope of this autonomy has always been under debate" (van Rooden 2015, 167). In jüngerer Zeit sind nicht nur geläufige Annahmen über die Herausbildung der Autonomieästhetik in die Kritik geraten (vgl. Porter 2010; Kivy 2012; Axelsson et al. 2021), sondern die Vorstellung von der Autonomie der modernen Literatur ist auch grundsätzlich als eine 'purifizierende' Selbststilisierung der programmatischen Moderne kritisiert worden, mit der die vielfältigen Heteronomien der modernen Literatur verdeckt werden (vgl. Hahn 2013 sowie Albers et al. 2022). In Diskussionen über den (angeblichen) Bedeutungsverlust der Literatur in der Gegenwart wird die Autonomie der Literatur mal als Teil des Problems, mal als Lösung präsentiert (vgl. van Rooden 2015, 167f.; Jusdanis 2005). Die Idee, dass einzelne literarische Werke – im Unterschied zum System der Literatur – autonom seien, ist vielfach als Bestandteil einer metaphysisch fundierten Ästhetik kritisiert worden. Aber auch in jüngster Zeit wird der Begriff der Autonomie genutzt, um einen Anspruch literarischer Werke zu bezeichnen, der beim Interpretieren und Bewerten dieser Werke respektiert werden müsse.

 

Das JLT-Heft soll an diese neueren Diskussionen anschließen und vor allem zwei Ziele verfolgen: Die Vermutung liegt nahe, dass die Debatten um die Autonomie der Literatur zum Teil auf unterschiedlichen Verwendungen des Begriffs 'Autonomie' beruhen. Ein Ziel des Hefts besteht deshalb darin, zur Klärung des Begriffs der Autonomie in Bezug auf Literaturtheorie beizutragen. Dabei kann auch diskutiert werden, ob der Autonomiebegriff sich überhaupt zur Analyse der modernen Literatur eignet oder zu vieldeutig und vorbelastet ist. Zweitens laden wir dazu ein, die Debatte um die Autonomie oder Heteronomie von Literatur weiterzuführen. Dabei sind auch Beiträge willkommen, die an verschiedene einschlägige Theorien – etwa Adornos, Bourdieus oder Luhmanns – anschließen. Sie sollten aber nicht nur die kanonischen Positionen in Erinnerung rufen, sondern auf neuere Herausforderungen, wie sie in aktuellen theoretischen und historisch-empirischen Ansätzen diskutiert werden, reagieren.

 

Fragen, an denen sich Beiträge orientieren könnten, lauten wie folgt:

 

(1) Inwieweit sollte das Konzept der Autonomie für die literaturwissenschaftliche Hermeneutik sowie die Literaturgeschichtsschreibung und -theorie noch eine Rolle spielen? Wie ließe sich diese Autonomie bestimmen und was würde es bedeuten, sie in der Auseinandersetzung mit einem Werk (oder einer Gattung) zu respektieren?

(2) Der Begriff der Autonomie wird meist zur Beschreibung des modernen Literatursystems verwendet, aber er besitzt zugleich evaluative Konnotationen, die sich nur schwer ganz ausblenden lassen. Ist diese Komplexität oder thickness des Begriffs als produktiv anzusehen? Oder sollten die Begriffe Autonomie/Heteronomie durch neutralere, mehr symmetrische Begriffe ersetzt werden?

(3) Was ist der Kontrastbegriff zu 'Autonomie der Literatur'? Eine naheliegende Antwort lautet: 'Heteronomie der Literatur'. Unter Heteronomie können aber sowohl politisches Engagement (oder commitment) als auch die Abhängigkeit vom Markt, von bestimmten Institutionen oder sogar Formen der Zensur verstanden werden. Zudem wird autonome Literatur manchmal auch mit realistischer und referentieller Literatur kontrastiert. Wie ist diese Polyvalenz zu erklären, und welche dieser Oppositionen sind konsistent und sinnvoll?

(4) Sowohl Bourdieus als auch Luhmanns Theorien über die Autonomie der modernen Literatur sind vielfach für historische Fallstudien genutzt worden (vgl. etwa Joch et al. 2009; Werber 2011; Amlinger 2021). Müssen und können diese Theorien weiterentwickelt werden, um neuen Entwicklungen der Literatur oder neuen Einsichten – etwa über die heteronomen Seiten der Literatur – Rechnung zu tragen?

(5) Wie lassen sich neuere Entwicklungen in der Soziologie auf die Frage nach der Autonomie der Literatur beziehen – so etwa die Praxistheorie, die soziale Netzwerkanalyse oder neue Ansätze der Differenzierungstheorie? Welche neuen Perspektiven auf Begriff und Phänomen der Autonomie der Literatur eröffnen diese Ansätze?

  

Die Beiträge sollten nicht mehr als 50.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) umfassen. Wir bitten um die Einreichung der Artikel bis zum 15. Juli 2023 über unsere Webseite www.jltonline.de unter "Artikel".

 

Beiträge werden von unserem internationalen Beirat in einem doppelt anonymisierten Peer-Review-Verfahren begutachtet und für die Publikation ausgewählt.

 

Weitere Informationen zum JLT sowie zur Beitragseinreichung finden Sie unter "Über JLT" und "Für Autor/innen" auf www.jltonline.de/index.php/articles. Gerne können Sie uns auch per Email kontaktieren: jlt@phil.uni-goettingen.de.

 

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JLT publiziert Forschungsbeiträge zu systematischen Problemen der Literaturtheorie, zur Methodologie, zum Aufbau von Theorien und zur Begriffsbildung sowie zu einzelnen literaturtheoretischen Ansätzen. Einzelfallstudien – d.h. Studien zu einzelnen Autor/-innen, Werken oder literaturgeschichtlichen Problemen – werden nur berücksichtigt, wenn sie auf ihren systematischen Ertrag hin ausgewertet sind, einen Beitrag zur Rekonstruktion der Geschichte der Literaturtheorie leisten oder innovative Methoden vorstellen.

  

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an die Redaktion.

 

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http://www.degruyter.com/view/j/jlt

  

Literatur

 

Albers, Irene/Marcus Hahn/Frederic Ponten (Hg.), Heteronomieästhetik der Moderne, Berlin/Boston 2022.

Amlinger, Carolin, Schreiben. Eine Soziologie literarischer Arbeit, Berlin 2021.

Axelsson, Karl/Camilla Flodin/Mattias Pirholt (Hg.), Beyond Autonomy in Eighteenth-Century British and German Aesthetics, London 2021.

Hahn, Marcus, Heteronomieästhetik der Moderne. Eine Skizze, Zeitschrift für Kulturwissenschaft 7:1 (2013), 23–35.

Joch, Markus et al. (Hg.), Mediale Erregungen? Autonomie und Aufmerksamkeit im Literatur- und Kulturbetrieb der Gegenwart, Tübingen 2009.

Jusdanis, Gregory, Two Cheers for Aesthetic Autonomy, Cultural Critique 61 (2005), 22–54.

Kivy, Peter, What Really Happened in the Eighteenth Century: The 'Modern System' Re-examined (Again), British Journal of Aesthetics 52:1 (2012), 61–74.

Porter, James I., Why Art Has Never Been Autonomous, Arethusa 43:2 (2010), 165–180.

Van Rooden, Aukje, Reconsidering Literary Autonomy: From an Individual Towards a Relational Paradigm, Journal of the History of Ideas 76:2 (2015), 167–190.

Werber, Niels (Hg.), Systemtheoretische Literaturwissenschaft. Begriffe – Methoden – Anwendungen, Berlin/New York 2011.

        

Journal of Literary Theory Vol. 18, No. 1 (2024)

  

Special Issue "The Autonomy of Literature"

 

Although the concept of autonomy has primarily been associated with older traditions of philosophical aesthetics from Schiller to Adorno, it still (or once again) plays a prominent and often controversial role in literary theory. Despite a broadly-held acceptance of the assumption that a societal differentiation in the late 18th century led to an autonomy of literature, "the nature and scope of this autonomy has always been under debate" (van Rooden 2015, 167). Recently, not only the widespread assumptions about the formation of the aesthetics of autonomy have come under criticism (cf. Porter 2010; Kivy 2012; Axelsson et al. 2021): The presumed 'autonomy' of modern literature has also been fundamentally criticized as a 'purifying' self-stylization of programmatic modernism, which conceals the heteronomies of modern literature (cf. Hahn 2013; Albers et al. 2022). In discussions about literature's (alleged) loss of importance in the present, the autonomy of literature is viewed as both part of the problem and part of the solution (cf. van Rooden 2019, 167sq.; Jusdanis 2005). Indeed, the idea that individual literary works – as opposed to literature as a system or field – are autonomous is frequently criticized as an extension of a metaphysically-rooted aesthetics. However, in recent times the concept of autonomy continues to be employed to refer to specific claims of literary texts that ought to be respected in the process of interpretation and evaluation.

 

The proposed issue of the Journal of Literary Theory will follow up on these discussions to primarily pursue two goals: Recent debates surrounding the autonomy of literature, in part, seem to be driven by very different usages of the term 'autonomy'. Therefore, one goal of this issue is to contribute to clarifying the term 'autonomy' with respect to literary theory. In this context, it is worth considering whether the concept of autonomy is an indispensable component of modern literature, or whether it is too ambiguous to be of use. Second, with the issue proposed we aim at continuing the debate surrounding the autonomy or heteronomy of literature. Herein, we welcome contributions that expand on a variety of pertinent theories, including those by Adorno, Bourdieu or Luhmann. This does not mean that submissions should simply revisit canonical positions; rather, we invite contributors to (critically) respond to new challenges as they appear in current theoretical, historical, and empirical approaches.

 

Questions which contributions might address include, but are not limited to, the following:

 

(1) To what extent should the concept of autonomy in literary hermeneutics, as well as in literary history and literary theory, still play a role? How could this autonomy be defined and what would respecting this concept entail in terms of analysing a literary work (or a genre)?

(2) The concept of autonomy is frequently employed as a description of the field of modern literature, but it also contains evaluative connotations, which are difficult to set aside entirely. Can this complexity or thickness of the concept of autonomy be viewed as productive? Or should the concept of autonomy/heteronomy be substituted with more neutral or symmetrical terminology?

(3) What is the antonym of 'autonomy of literature'? One self-evident answer is 'heteronomy of literature'. However, heteronomy can be understood as a political engagement or commitment as well as a dependence on the market, on specific institutions, or even as forms of censorship. Additionally, autonomous literature is occasionally contrasted with realistic or referential literature. How can this polyvalence be explained and which of these oppositions are consistent and applicable?

(4) Both Bourdieu's and Luhmann's theories on the autonomy of modern literature have been frequently used to support historical case studies (e.g., Joch et al. 2009; Werber 2011; Amlinger 2021). Should and can these theories be further advanced as a means to account for new developments in literature or to incorporate new insights, such as those on the heteronomous aspects of literature?

(5) How can more recent developments in sociology be connected to the question of the autonomy of literature, namely practice theory, social network analysis, or new approaches to differentiation theory? Which new perspectives regarding the terminology or the phenomenon of the autonomy of literature result from these approaches?

  

Contributions should not exceed 50,000 characters (including blanks) in length and have to be submitted by 15 July 2023. Please submit your contribution electronically via our website www.jltonline.de under "Articles".

 

Articles are chosen for publication by an international advisory board in a double-blind review process.

 

For further information about JLT and to view the submission guidelines, please visit www.jltonline.de/index.php/articles ("About JLT" and "For Authors") or contact the editorial office at jlt@phil.uni-goettingen.de.

 

SUBMISSIONS THAT DO NOT FOCUS ON ONE OF OUR SPECIAL TOPICS CAN BE SUBMITTED CONTINUOUSLY VIA OUR WEBSITE.

 

JLT aims to publish work on fundamental issues in methodology and the construction of theories and concepts, as well as articles on particular literary theories. Case studies, i.e. studies on specific authors, works, or problems of literary history, are accepted only if they adopt a predominantly systematic perspective, contribute to the reconstruction of the history of literary theory, or pursue innovative methods. Moreover, the Journal of Literary Theory contains work reviewing and outlining trends of theoretical debates in literary theory and related disciplines.

  

Please contact the editorial office if you have further questions.

  

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www.JLTonline.de

http://www.degruyter.com/view/j/jlt

  

References

 

Albers, Irene/Marcus Hahn/Frederic Ponten (eds.), Heteronomieästhetik der Moderne, Berlin/Boston 2022.

Amlinger, Carolin, Schreiben. Eine Soziologie literarischer Arbeit, Berlin 2021.

Axelsson, Karl/Camilla Flodin/Mattias Pirholt (eds.), Beyond Autonomy in Eighteenth-Century British and German Aesthetics, London 2021.

Hahn, Marcus, Heteronomieästhetik der Moderne. Eine Skizze, Zeitschrift für Kulturwissenschaft 7:1 (2013), 23–35.

Joch, Markus et al. (eds.), Mediale Erregungen? Autonomie und Aufmerksamkeit im Literatur- und Kulturbetrieb der Gegenwart, Tübingen 2009.

Jusdanis, Gregory, Two Cheers for Aesthetic Autonomy, Cultural Critique 61 (2005), 22–54.

Kivy, Peter, What Really Happened in the Eighteenth Century: The 'Modern System' Re-examined (Again), British Journal of Aesthetics 52:1 (2012), 61–74.

Porter, James I., Why Art Has Never Been Autonomous, Arethusa 43:2 (2010), 165–180.

Van Rooden, Aukje, Reconsidering Literary Autonomy: From an Individual Towards a Relational Paradigm, Journal of the History of Ideas 76:2 (2015), 167–190.

Werber, Niels (ed.), Systemtheoretische Literaturwissenschaft. Begriffe – Methoden – Anwendungen, Berlin/New York 2011.

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Literary historiography, Literature and sociology
Autonomie

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ISSN: 1862-8990

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Date of publication: 16.09.2022
Last edited: 16.09.2022