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Workshop: Fliehende Sprachen. Grammatik - Literatur - Politik

Beginning
06.03.2025
End
07.03.2025
Registration deadline
05.03.2025

Ort:Technische Universität Dresden, Institut für Germanistik und Medienkulturen, Professur für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Medienkulturwissenschaft, Wiener Straße 48, 01219 Dresden, Konferenzraum 0.16

Zeit: 6./7. März 2025

Organisation: Dr. Florian Scherübl

Zeitplan:

Donnerstag, 6. März 2025

 

13:30h  Begrüßung: Dr. Florian Scherübl
  Fliehende Sprachen. Skizze eines Forschungsfeldes
 

14:00-14:45h


 

  Dr. Philip Kraut, HU Berlin:
  Vom Stammbaum zum Rhizom.  Kurt M. Steins denglishe Lyrik als
  multilinguale Kunstform der deutschamerikanischen Community um 1930              

14:45-15:30h Annika Gebhard M.A., FU Berlin:
 Die „lengevitch“ bei Kurt M. Stein, Uljana Wolf und Iris Hanika – Agrammatikalität als     poetisches Prinzip

15:30-15:45h

 Kaffeepause

15:45-16:30h


 

 Dr. Bernhard Stricker, TU Dresden:
 Menschen, Monster und Maschinen: Über literarische ›Sprachlernszenen‹ (Skizze eines   Forschungsprogramms)
 
16:30-17:15hYun-Chu Cho M.A., HU Berlin:
Auch die Sprache entflieht: Ostdeutscher Dialekt als Zeichen des Entflohenen in der Post- DDR-Literatur (Thomas Brussig)

17:15-17:30h

 Kaffeepause

17:30-18:15h

 Abendvortrag: Dr. Julia Prager, TU Dresden

19:30h

Gemeinsames Abendessen in Dresden

Freitag, 7. März 2025

 

09:00h
 
Ankunft + Kaffee
 
09:30-10:15h 
Dr. Petra Brunnhuber, Università di Firenze:
Sprachen und ihre “gesprengten Grenzen“ in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur

10:15-11:00h


Dr. Christine Arendt, Università degli Studi di Milano Statale:
Entgrenzung der Sprache in Nach der Flucht von Ilija Trojanow

11:00-11:15h

Kaffeepause

11:15-12:00h

Leon Hartmann M.A., Albert-Ludwigs-Universität Freiburg):
Die fliehende Sprache des Begehrens. Fragmente einer Sprache der Liebe in Senthuran Varatharajahs Roman Rot (Hunger)
12:00-12:45h
 Kristina Schauhoff, M.A., Georgetown University:
„Ein Erdling spricht gerade mit einem Marsianer. Oder umgekehrt.“ Linguistische, psychologische und epistemische Vulnerabilität im (fiktiven) Asylverfahren in Abbas Khiders Roman Ohrfeige

12:45-13:30h

Mittagspause
13:30-14:15h
Dr. Nursan Celik, Universität Bielefeld:
Heftklammerentferner. Reflexionen und Formen exophonen Schreibens bei Yōko Tawada, Sharon Dodua Oto und Abbas Khider

14:15-15:00h

Dr. Agnieszka Hudzik, Universität des Saarlandes:
Auf der Flucht vor der Sprache der Akademie. Kafkas Relektüren bei Lotz und Gardi

15:00h


Verabschiedung und Abreise
 

Finanziert mit Mitteln der DFG

Gäste sind ausdrücklich willkommen. Anmeldungen bitte an florian.scheruebl@tu-dresden.de.

In der jüngeren deutschsprachigen Literatur begegnet vermehrt die Tendenz, die Grenzen dessen zu sprengen, was als sprachlicher „Standard“ (Dembeck/Mein 2014) oder als „Sprachigkeit“ des Deutschen angesehen werden kann (Stockhammer 2010). Mit künstlerischen Mitteln wird dabei oft ein grammatisch kodifiziertes, „richtiges“ Deutsch überschritten, das immer noch weitgehend mit Hochkultur und kulturellem Kapital identifiziert wird und somit kulturpolitisch aufgeladen ist (Balke 2016). Texte wie Tomer Gardis Broken German, Iris Hanikas Echos Kammern oder Kim de l´Horizons Blutbuch haben vor einigen Jahren aufs Neue widerlegt, dass literarisch ausdrucksstarke Sprache grammatisch richtig sein muss. Der Fokus auf Mehr-, aber auch auf Anderssprachigkeit schlechthin ist auch Thema zeitgenössischer Essayistik von Gegenwartsschriftsteller*innen (Grjasnowa 2023; Gümüşay 2020). Diese und andere Phänomene geben Anlass dazu, Phänomenen wie Agrammatikalität stärkere Aufmerksamkeit zu widmen. Letztere stellt nicht nur Fragen der Mehrsprachigkeit und Exophonie von Literatur in den Raum, sondern auch der Fähigkeit literarischer Texte zur Sprachentgrenzung, -veränderung und -erneuerung sowie der dabei gegebenenfalls mitlaufenden (kultur-)politischen Implikationen und Engagements.

„Agrammatisch“ nennt Gilles Deleuze in Anschluss an den Linguisten Henri Gobard Phänomene, die grammatische Regeln in konkreten Äußerungen (enunciations)unterlaufen: es handelt sich um „Fluchtlinien der Sprache“. Diese können nicht nur in einer migrantisch geprägten „Kanak Sprak“ auftreten (Zaimoglu 1995), sondern ebenso in Dia- und Soziolekten. Da diese neuen Transformationsregeln ausbilden können wie im Falle des „Kiezdeutsch“ (Wiese 2012) liegt hier die Frage nach der Erneuerung, Ergänzung und Diversifizierung der Sprachen auf der Hand. Zugleich stellt sich die Frage nach dem subversiven wie auch – auf lange Sicht – die langue neu konfigurierenden Potenzial solcher „fliehenden Sprachen“. Hier lassen sich mehrere Forschungsoptionen abzweigen:

  • Welche theoretischen Beschreibungsmodelle und -modi besitzen die Philologien, um Abweichungen von Sprachstandards zu beschreiben? Wie lassen sich künstlerische Regelverstöße hier systematisch erforschen? Welche Theorien/Methoden erweisen sich dabei (interdisziplinär) anschlussfähig?
  • Wie lassen sich die Strategien fliehender Sprachen im Einzelnen beschreiben? Welche sozialen und (kultur-)politischen Positionen werden dabei mit Phänomenen wie Agrammatikalität verbunden?
  • In welchem spannungsvollen Verhältnis stehen sprachnormierende und sprachüberschreitende Tendenzen zueinander? Welche Querbezüge ergeben sich zu benachbarten Fragen (etwa Disputen um die Regelung „gendergerechter Sprache“)? Welche Optionen stehen der Literatur hier offen?
  • Welche kulturpolitischen Annahmen entwerfen Rufe nach einer „Sprachnorm“ (Hofmannsthal 1980) oder einer „referentiellen“ Literatur- und Kultursprache (Gobard 1975), wie sie sich bei Autoren wie Hofmannsthal, Stefan George oder Rudolf Borchardt u.a. finden lassen? Wie verhalten sich deren Vorstellungen bzgl. Spracherneuerung und -ergänzung zur „Agrammatikalität“ fliehender Sprachen?

Auswahlbibliographie

  • Agamben, Giorgio: Die Sprache und die Völker, in: Ders., Mittel ohne Zweck. Noten zur Politik, Zürich 2001.
  • Arndt, Susanne/Naguschweski, Dirk/Stockhammer, Robert (Hg.): Exo-Phonie. Anderssprachigkeit (in) der Literatur, Berlin 2007
  • Balke, Friedrich: Sprache und Politisierungen von Kulturbegriffen, in: Sprache - Kultur - Kommunikation / Language - Culture – Communication. Ein internationales Handbuch zu Linguistik als Kulturwissenschaft / An International Handbook of Linguistics as a Cultural Discipline, hg. von Ludwig Jäger/Werner Holly/Peter Krapp/Samuel Weber/Simone Heekeren, Berlin/Boston 2016.
  • Bourdieu, Pierre: Was heißt Sprechen? Zur Ökonomie des sprachlichen Tausches, Wien 2015.
  • Cixous, Hélène: Das Lachen der Medusa [1975], in: Esther Hutfless/Gertrude Postl/Elisabeth Schäfer (Hg.), Hélène Cixous,Das Lachen der Medusa, zusammen mit anderen Beiträgen, Wien 2013.
  • Deleuze, Gilles: Die Literatur und das Leben, in: Ders., Kritik und Klinik, Frankfurt am Main 2000.
  • Deleuze, Gilles/Guattari, Félix: Kafka. Für eine kleine Literatur, Frankfurt am Main 1974.
  • Deleuze, Gilles/Guattari, Félix: Postulate der Linguistik, in: Dies., TausendPlateaus, Berlin 1992.
  • Dembeck, Till/Mein, Georg (Hg.): Philologie und Mehrsprachigkeit, Heidelberg 2014.
  • Gardi, Tomer: Broken German, Graz 2016.
  • Giesecke, Michael: `Natürliche´ und `künstliche´ Sprachen. Medienrevolutionen und ihre Auswirkungen auf Sprachen und Sprachbegriffe, in: Ders., Sinnenwandel – Sprachwandel – Kuturwandel. Studien zur Vorgeschichte der Informationsgesellschaft, Frankfurt am Main 1992.
  • Gobard, Henri: L´aliénation linguistique. Analyse Tétraglossique, Paris 1976.
  • Grjasnowa, Olga: Die Macht der Mehrsprachigkeit. Über Herkunft und Vielfalt, Berlin 2021.
  • Gümüşay, Kübra: Sprache und Sein, Berlin 2020.
  • Hanika, Iris: Echos Kammern, München 2019.
  • De l´Horizon, Kim: Blutbuch, Köln 2022.
  • Von Hofmannsthal, Hugo: Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation [1927], in: Ders., Hugo von Hofmannsthal, Gesammelte Werke. Reden und Aufsätze III 1925–1929, Hg. von Bernd Schoeller et al, Frankfurt am Main 1980.
  • Stockhammer, Robert: und: Globalisierung, sprachig - Literatur (Gegenwart?, deutsch?) In: Wilhelm Amann/Georg Mein/Rolf Parr (Hg.): Globalisierung und Gegenwartsliteratur. Konstellationen - Konzepte – Perspektiven, Heidelberg 2010.
  • Stockhammer, Robert: Grammatik. Wissen und Macht in der Geschichte einer sprachlichen Institution, Berlin 2014.
  • Wiese, Heike: Kiezdeutsch. Ein neuer Dialekt entsteht, München 2012.
  • Zaimoglu, Feridun: Kanak Sprak. 24 Mißtöne vom Rande der Gesellschaft, Hamburg 1995.
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Fields of research

Literary theory, Poststructuralism, Literature and philosophy
Linguistik

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Technische Universität Dresden
Institut für Germanistik und Medienkulturen
Professur für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Medienkulturwissenschaft
Submitted by: Florian Scherübl
Date of publication: 04.03.2025
Last edited: 04.03.2025