Komparatistik digital: Perspektiven und Strategien
Workshop Komparatistik digital: Perspektiven und Strategien
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 14.-15. November 2024
Schon längst hat die Arbeit mit digitalen Methoden die Arbeit in der Komparatistik verändert: Textverarbeitungsprogramme, elektronische Bibliothekskataloge, Datenbanken, digitale Editionen gehören zum literaturwissenschaftlichen Alltag. Gleichzeitig hängt das Fach mit einer systematischen Auseinandersetzung mit diesen Arbeitsweisen wie auch mit den methodologischen Ansätzen der Digital Humanities noch hinterher. Der Workshop nimmt diese Situation zum Anlass, um über Potentiale, Probleme und Strategien digitaler Arbeitsweisen in der Komparatistik nachzudenken und insbesondere die Zusammenarbeit mit zwei Infrastruktureinrichtungen zu intensivieren: Zum einen mit dem 2016 etablierten Fachinformationsdienst AVL, zum anderen mit Text+, einem im Rahmen des Aufbaus einer nationalen Forschungsdateninfrastruktur gegründetem Konsortium, das darauf abzielt, textbasierte Forschungsdaten langfristig zu erhalten und deren breite Nutzung zu ermöglichen.
Obwohl die Ansätze des ‘distant reading’ (Franco Moretti), die das ‘great unread’ (Margaret Cohen) untersuchbar machen, innerhalb der Komparatistik entstanden sind, sind die daraus entstehenden Computational Literary Studies danach häufig im Rahmen von einzelphilologischen Projekten weiterentwickelt worden. Das liegt u.a. an der bis jetzt bestehenden Förderstruktur von Forschung, die häufig entlang nationaler Linien verläuft und dadurch die Bearbeitung einzelsprachlicher Korpora unterstützt. Solche Strukturen zeigen sich auch dann, wenn Tools entwickelt werden, die nur Texte in einer Sprache (meist Englisch) verarbeiten können, Normdaten, nicht untereinander kompatibel sind oder Korpora, nur für bestimmte Sprachen vorliegen. Komparatistik stellt auch besondere Anforderungen an die digital unterstützte Literaturwissenschaft, etwa beim Umgang mit mehrsprachigen Korpora und Literatur. Kurz: während die (deutschsprachige) Komparatistik als Fach mit den Digitalen Geisteswissenschaften noch fremdelt, haben sich dort bereits Strukturen entwickelt, die eine Nutzung durch die komparatistische Forschung erschweren.
Wir wollen dies zum Anlass nehmen, um im Gespräch mit Vertreter:innen des Faches, Repräsentanten des FID AVL sowie mit Expert:innen aus dem Text+-Konsortium darüber nachzudenken, wie genuin komparatistische Fragestellungen sich mit Hilfe der Digital Humanities entwickeln lassen bzw. welche neuen Untersuchungsfelder sich dabei eröffnen und wie Forschungsergebnisse nachhaltig nachweisbar, recherchierbar, archivierbar und damit nachnutzbar gemacht werden können.
Wie lassen sich etwa Fragen der Übersetzung digital modellieren? Welche globalen Venetzungsgeschichten lassen sich modellieren? Wie können quantitative Methoden bei der genuinen Aufgabe des Vergleichens helfen? Lässt sich auch das Verhältnis von Literatur zu anderen Künsten mit digitalen Verfahren untersuchen und modellieren? Wie lässt sich, strategisch gedacht, verhindern, dass Korpora und Fragestellungen im engen Sinne auf einzelsprachige Korpora bezogen werden? Wie lassen sich dafür Ideen, Forscher:Innen und Ressourcen sinnvoll und synergetisch zusammenführen?
Der Workshop versteht sich als Ideenwerkstatt: Angesichts der aktuellen Situation wollen wir uns – durchaus im Offenen – über Ideen und Interessen austauschen und versuchen, einige Grundlinien möglicher Zusammenarbeit zu skizzieren. Das betrifft insbesondere die Zusammenarbeit mit dem FID: Wie lässt sich das Thema „Forschungsdaten“ für die AVL infrastrukturell fruchtbar machen? Was sind überhaupt Forschungsdaten in der AVL? Wie kann und wie sollte man mit ihnen als wissenschaftlichen Ergebnissen umgehen? Wie können AVLer:innen die entstehenden Nachweissysteme für Forschungsdaten nutzen? Wie sollte sich das Fach insgesamt mittelfristig zur DH und digitalen Arbeitsweisen positionieren? Sollte eine AG Digitale Komparatistik gegründet werden und was wären ihre Arbeitsfelder und Aufgaben?
Organisation: Jana-Katharina Mende, Volker Michel, Arne Mrotzek und Daniel Weidner
Teilnehmende: Marie-Christine Boucher, Winfried Eckel, Luca Giovannini, Achim Hölter, Maria Hinzmann, Sophie Jaussi, Josef Peter Jeschke, Felix Rau, Nanette Rißler-Pipka, Jörg Ritter, Johannes von Vacano