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Die Kraft der Avantgarden. Formen und Funktionen einer ästhetischen Bezugsgröße zwischen 1900 und 1940

Beginning
04.02.2026
End
06.02.2026
Abstract submission deadline
10.05.2025

Internationale und interdisziplinäre Tagung, 04.-06.02.2026, DFG-Kollegforschungsgruppe "Imaginarien der Kraft", Universität Hamburg

Organisation: Caroline Adler, Dr. Adrian Renner, Dr. Julia Soytek

Die suggestive und emphatische Proklamation von Kräften stellt ein zentrales Charakteristikum europäischer wie außereuropäischer Avantgarde-Bewegungen zwischen 1900 und 1940 dar. Die Vielfalt und Vielgestaltigkeit ihrer Artikulationen lässt sich dabei in einem breiten Spannungsfeld von Programmatik und ästhetischer Konkretion verorten. Evokationen elementar-natürlicher, oftmals körperlich erfahrener Kräfte, die mit Konzeptualisierungen einer gesteigerten Wahrnehmungsintensität oder einer basalen Expressivität dichterischer oder bildnerischer Sprache enggeführt werden, finden sich sowohl im Expressionismus als auch in zeitgleichen oder späteren Bewegungen wie dem Fauvismus, dem Muralismo oder der Acéphale-Gruppe. Vorstellungen natürlicher Kräfte werden hierbei vielfach mit religiösen und mythologischen Bezügen oder mit Imaginationen einer magischen, exotisierten oder ‚primitiven‘ Welt verknüpft. Ebenso emphatisch beschworen werden immaterielle, kosmische oder übersinnliche Kräfte, die etwa im Kontext des Blauen Reiters durch die Berufung auf spiritistische Praktiken, in kosmologischen Bewegungen wie dem Russischen Kosmismus vor allem naturwissenschaftlich begründet werden.

Einen weiteren Aspekt avantgardistischer Kräfte-Artikulationen bilden technische, maschinelle, aber auch militärische und chauvinistische Kräfte, die Kraft als revolutionäre wie antagonistische, zerstörerische oder konstruktive Handlung, Tat oder Aktion modellieren. Zeitschriftentitel wie Blast! der britischen Vortizisten artikulieren hierbei Vorstellungen einer eruptiven Freisetzung körperlicher, energetisch-technischer oder sozialer Kräfte, die in den Programmtexten des italienischen Futurismus vielfach mit Imaginationen einer maskulinen Vergeschlechtlichung schöpferischer Kräfte verknüpft und mit Vorstellungen von Kontrolle und Beherrschung verschränkt werden. Ebenso aber können technologische und maschinelle Kräfte ein sozialutopisches Profil gewinnen, indem sie, wie beispielsweise im russischen Konstruktivismus, in den Dienst kollektiver Befreiung gestellt werden.<o:p></o:p>

Avantgardistische Kräfte-Proklamationen berufen sich ferner – wie in surrealistischen Bewegungen – auf Vorstellungen einer unbewussten und entgrenzenden Produktivität oder Kreativität, die sich in Verfahren ‚magischer‘ Analogizität oder schöpferischer Formlosigkeit manifestieren können. Ebenso lassen sich maßgeblich für den Zürcher und Pariser Dadaismus (Re-)Artikulationen von Kraftdiskursen und damit korrelierenden Gattungsformen beobachten, die auf eine Weise mit der Form- und Verfahrensebene der Texte und Performances verschaltet sind, dass Neukonzeptualisierungen ungerichteter, kontingenter, dissipativer oder negierender Kräfteverhältnisse von gleichermaßen poetischer wie soziopolitischer Faktur erkennbar werden.

Ausgehend von diesen Beobachtungen möchte die Tagung den vielfach konstatierten, indes allenfalls in Teilaspekten aufgearbeiteten Nexus von Kunst und Kraft in den Avantgarden zwischen 1900 und 1940 in den Blick nehmen. Fokussiert werden sollen die komplexen diskursivenbildlichen oder poetologischen Verfahren und Konzeptualisierungen, in denen Kraft als Verknüpfung von ästhetischen, soziopolitischen und (natur-)wissenschaftlichen Kräftevorstellungen artikuliert wird. Neben der Frage, welche SemantikenBegriffe oder Konzepte von Kraft jeweils in unterschiedlichen avantgardistischen Konstellationen entwickelt oder (re-)artikuliert werden, soll insbesondere die Frage nach den Formen und Verfahren im Zentrum stehen, mit denen Kräfte jenseits ihrer programmatischen und suggestiven Anrufung evoziert werden. Verhandelt werden sollen ebenso mögliche Kräfte-Stile und -Rhetoriken in unterschiedlichen künstlerischen Medien oder Gattungen wie auch die Frage nach den wirkungsästhetischen, sozio- und diskurspolitischen Funktionen und Effekten avantgardistischer Kräfte-Artikulationen. Der Fokus auf Kraft als ästhetische Bezugsgröße soll hierbei die Möglichkeit bieten, avantgardistische Bewegungen fokussiert und vergleichend zu (re-)perspektivieren und dabei gegebenenfalls auch bisher unbeobachtete Interferenzen und Übergangsphänomene zwischen vorgeblich distinkten Gruppierungen über sprachliche, geografische und disziplinäre Grenzen hinaus sichtbar zu machen.

Wir freuen uns über Einreichungen aus der Literatur-, Kunst-, Kultur-, Musik- und Medienwissenschaft, der Wissensgeschichte und Philosophie sowie aus angrenzenden Disziplinen und bitten um Abstracts (max. 500 Wörter) für Vorträge von 25-30 Minuten sowie um kurze bio-bibliographische Angaben (in einer PDF-Datei) bis zum 10.05.2025 an caroline.adler@uni-hamburg.de. Abstracts können in deutscher oder englischer Sprache eingereicht werden. Ein passives Verständnis beider Sprachen wird vorausgesetzt. Reise- und Übernachtungskosten werden übernommen, eine Publikation der Beiträge ist geplant.

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Fields of research

Literary historiography, Literary theory, Interdisciplinarity, Literature and other forms of art, Literature and visual studies, Literature and music/sound studies, Literature and media studies, Intermediality, Aesthetics, Rhetoric, Literature of the 20th century
Avantgardeforschung

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Submitted by: Julia Soytek
Date of publication: 19.03.2025
Last edited: 19.03.2025