Spektakel, Schaulust, Subalternität – Diskursive Verhandlungen von Identität und Alterität im Kontext populärer Wissensmedien (1850–1950)
Online-Workshops
Organisation: Prof. Dr. Kirsten von Hagen, Magdalena Watrin, Justus-Liebig Universität Gießen, Institut für Romanistik
Abgabefrist für Abstracts: 15.06.2025
Das DFG- Projekt „Spektakel, Schaulust, Subalternität – Diskursive Verhandlungen von Identität und Alterität im Kontext populärer Wissensmedien (1850–1950)“ unter der Leitung von Prof. Dr. Kirsten von Hagen untersucht unter Einsatz literatur-, kultur- und medienwissenschaftlicher Verfahren die besondere Rolle von Zigeuner-Figuren und -Inszenierungen in populären Wissensmedien zwischen 1850 und 1950. Die durchgestrichene Fremdbezeichnung wird unter Vorbehalt als Hilfskonstrukt verwendet, um auf unter diesem – in historischen Quellen verwendeten – Terminus geführte Diskursivierungen und stereotype Vorstellungen zu verweisen.
Der Fokus des Projekts liegt auf Frankreich und Spanien, insbesondere aber auf Paris als einem der wichtigsten Zentren der europäischen Moderne, wo im untersuchten Zeitraum auffällig viele Zigeuner-Figuren im Kontext spektakulärer Wissensvermittlung und populärer Unterhaltung zur Darstellung kommen. Besondere Berücksichtigung finden Abenteuerromane, Reiseliteratur und Presseberichte ebenso wie publikumswirksame Aufführungs- und Ausstellungsmedien, die – wie Oper, populäres Theater oder Weltausstellungen – das fremde Andere spektakulär in Szene setzen. Neben den spezifischen Funktionen, die den Zigeuner-Figuren in populären Wissensmedien zukommen, steht die Art und Weise ihrer Inszenierung – vor allem ihrer Inszenierung als Grenz- und Verhandlungsfiguren der europäischen Moderne – im Fokus. In den Blick genommen werden außerdem frühe Selbstrepräsentationen von Roma – offizielle, wenn auch unter den Angehörigen der Minderheit umstrittene Eigenbezeichnung – in ihrem Verhältnis zu den untersuchten Fremdrepräsentationen.
Das Projekt ist ein Teilprojekt der DFG-Forschergruppe „Antiziganismus und Ambivalenz in Europa (1850-1950)“, die zum Ziel hat, die bisher nur teilweise und disziplinär untersuchten Zusammenhänge, die zwischen Antiziganismus und Ambivalenz in Europa bestehen, systematisch, historisch und interdisziplinär zu untersuchen. Der Titel Antiziganismus und Ambivalenz verweist auf die Polaritäten von Selbstartikulation, Emanzipation und Inklusion einerseits und Fremdrepräsentation, Exklusion und Elimination andererseits, die es zu erforschen gilt. Wir wollen dies in Form von drei Online-Workshops in internationaler Form tun, um eine möglichst große Form von Partizipation zu ermöglichen.
Online-Workshop 1: 03./04. Dezember 2025
Spektakuläre Zigeuner-Inszenierungen in literarischen Texten (Frankreich/Spanien 1850-1950)
Der erste Workshop widmet sich Zigeuner-Darstellungen in literarischen Texten wie Abenteuerromanen, Novellen und Reiseberichten. Die Texte werden als Medien und „Vehikel“ einer Welterschließung, die mit spektakulären Beschreibungen ‚anderer‘ einher-geht, in den Blick genommen. Untersucht wird, welche Erzählverfahren, Stereotype und Topoi als populäres Wissen innerhalb der Texte zirkulieren. Der Workshop versammelt interdisziplinäre wissenschaftliche Perspektiven auf Zigeuner-Figuren als Grenz- und Verhandlungsfiguren der europäischen Moderne.
Mögliche Akzentuierungen und Themenfelder:
- Ambivalenzen spektakulärer Zigeuner-Inszenierungen: zwischen Faszination und Tremendum, Inklusion und Exklusion
- Ästhetik des Spektakulären als Modus der Festschreibung von Alterität und Subalternität
- Literarische Zigeuner-Darstellungen in ihrem Verhältnis zu ethnographischen und anderen expositorischen Texten
- Der Bohémien als Künstlerfigur par excellence - eine Figur zwischen Festschreibung und Selbstermächtigung?
-Zigeuner-Figuren im Feuilletonroman als früher Form des spektakulären Serienformats
Online-Workshop 2: 25./26. März 2026
Zigeuner-Figuren in Ausstellungs- und Aufführungsmedien (Frankreich/Spanien 1850-1950)
Der zweite Workshop betrachtet Zigeuner-Darstellungen in Ausstellungs- und Aufführungsmedien. Untersucht wird, wie in Oper/ette, Féerie, Vaudeville oder Weltausstellung Alteritätskonstruktionen als alternative Wissensformate multimodal in Szene gesetzt werden, um die Schaulust am Unbekannten, Ungewöhnlichen und Spektakulären zu bedienen. Es geht u.a. um eine nähere Bestimmung spektakulärer Wissensvermittlung mit Schwerpunkten auf Performativität und multimodaler Ästhetik. Der Workshop versammelt interdisziplinäre wissenschaftliche Perspektiven auf die Frage, inwiefern diese Ausstellungs- und Aufführungskontexte Optionen der Selbstrepräsentation und Selbstermächtigung z.B. als ‚performer‘ und/oder ‚entrepeneur‘ ermöglichen (wie durch eigene Tanz- oder Musik-Performances) oder (wie im Falle der Kolonialausstellungen) vereiteln.
Mögliche Akzentuierungen und Themenfelder:
- Fort- und Festschreibung literarischer Topoi in Aufführungs- und Ausstellungsmedien
- Intermediale Wechselwirkungen im Kontext populärer Wissensvermittlung
- Multimodale Zigeuner-Inszenierungen zwischen Spektakularität, Subalternität und Selbstermächtigung
-Verhältnis von Alteritätsinszenierung, Wissensfiguration/ -zirkulation und Medienreflexivität
- Zigeuner-Figuren in der Oper: Alteritätskonstruktionen als „transmediales Spektakel“
- Formen der Mitwirkung von Roma in Ausstellungs- und Aufführungskontexten
Online-Workshop 3: 11./12. November 2026
Von der Fremd- zur Selbstdarstellung – Frühe Selbstrepräsentationen von Roma (Frankreich/Spanien 1850-1950)
Der dritte Workshop beschäftigt sich mit frühen Selbstrepräsentationen von Roma in ihrem Verhältnis zu den Fremdrepräsentationen in populären Wissensmedien. Es wird der Frage nachgegangen, wie sich Roma in das über sie zirkulierende Wissen und in spektakuläre Repräsentationsmodi einschreiben und diese einem Rewriting oder einer Reappropriation unterziehen. Untersucht werden sowohl schriftliche Zeugnisse als auch performative Darbietungen. Der Workshop versammelt interdisziplinäre wissenschaftliche Perspektiven auf Selbstpräsentationen von Roma. Nachgegangen wird der Frage, wie diese sich, um von der Mehrheitsgesellschaft wahrgenommen zu werden, in gängige Wissensformen und spektakuläre Ästhetiken einschreiben und Formen des Rewritings und der Dekonstruktion von Mythen und Stereotypen aufweisen.
Mögliche Akzentuierungen und Themenfelder:
- frühe performative Selbstpräsentationen (Schauspiel, Musik, Tanz, Zirkus)
- frühe literarische Selbstrepräsentationen im Werk von Matéo Maximoff
- Formen des Rewritings von Heterostereotypen
- Zusammenspiel von Selbst- und Fremdrepräsentationen in ethnographischen Studien (Études Tsiganes )
Wir bitten um Einsendung von Vorschlägen bis zum 15. Juni 2025 (Vortragstitel, Abstract von 500 Wörtern, Kurzbiografie) für einen Vortrag (max. 30 Minuten) an die E-Mail-Adressen:
Kirsten.v.Hagen@romanistik.uni-giessen.de
Magdalena.Watrin@uni-giessen.de
Die Beiträge der Workshopreihe sollen in einem Sammelband veröffentlicht werden. Die Workshopsprachen sind Deutsch, Englisch und Französisch.