CfP/CfA event

Panel im Rahmen des 28. Deutschen Germanistentages 2025: Auf kurzem Weg klären. Zur Verknappung von Dialogen, Braunschweig


Event date:

14.09.2025-17.09.2025

Abstract submission deadline:

08.09.2024

Auf kurzem Weg klären. Zur Verknappung von Dialogen

Wenn Angestellte etwas auf kurzem Dienstweg klären, heißt das, dass sie sich schnell und unkompliziert über bestimmte Sachverhalte verständigen, ohne dass sie eine:n Vorgesetzte:n einschalten. Man geht mal eben über den Flur oder bespricht Themen nebenbei während des Mittagessens. Nicht selten zücken Angestellte – im Home-Office arbeitend – das private Handy und schreiben ihren Kolleg:innen eine Nachricht. Diese Kurzform des Dialogs drängt das Arbeiten ins Private, schafft eigene Handlungs-/Sprechräume und unterläuft bürokratische Machtstrukturen, scheint diese aber auch in der Absicht von Ökonomisierungsprozessen zugleich zu bestätigen. Etwas auf kurzem Weg zu klären, kann Dialoge aber auch zu konfrontativen, agonalen, polemischen und aggressiven Auseinandersetzungen verschieben und gleichzeitig eine Zone der Unbestimmbarkeit zwischen öffentlich-institutioneller und privater Sphäre eröffnen. In digitalen kommunikativen Zusammenhängen kann es aus dem virtuellen Raum heraus zu verbaler oder körperlicher Grenzüberschreitung einzelner Dialogpartner:innen oder gar sozialer Gruppen führen.

Eine besondere Tragweite hat die Verknappung von Dialogen, wenn Akteure oder Akteurinnen (wie Politiker:innen, Unternehmer:innen, Influencer:innen, Prominente in analogen oder digitalen Räumen), die aufgrund unterschiedlichster Konditionen eine enorme Zahl an Dialogpartner:innen erreichen, kurze Wege auf bestimmten – digitalen – Kanälen nutzen. So postete Elon Musk im Oktober 2022 den Satz „the bird is freed“ auf dem Kurznachrichtendienst, den er soeben gekauft hatte, und kündigte mit diesen vier Worten an, die aus seiner Sicht starken Reglementierungen dieser Plattform aufzuheben. Wenn solchermaßen öffentliche Personen mit wenig Worten oder mit Bildern auf kurzem Wege Dialoge eröffnen, stellt sich nicht nur die Frage, wie, mit welchen semantisch-narrativen (oder ikonischen) Strukturelementen die Mitteilung ausgestattet sein muss, um (noch) zu funktionieren, wie mit wenig Worten möglichst viel mitzuteilen ist, sondern auch inwieweit eine damit einhergehende Reduzierung von Komplexität den dialogischen Prozess kontaminiert, oder wie die Kürze selbst für persuasive Zwecke instrumentalisierbar ist. Techniken hierfür hat schon die antike Rhetorik in ihrem Brevitas-Postulat aufgewiesen: Allusio, Praeteritio, Percursio, Aposiopese etc. 

Kurze dialogische Wege bieten gerade im digitalen Bereich das Potenzial demokratischer, da egalitärer Aushandlung von Interessen, sofern jede:r Empfänger:in in kurzer Zeit auch die Möglichkeit hat, Sender:in zu sein, und umgekehrt. Gleichzeitig birgt die Verknappung von Dialogen auch die Gefahr der Manipulation und des Misserfolgs von Kommunikation. Die Verknappung von Dialogen scheint einerseits eine effektive Verständigung zu gewähren, andererseits kann sie auch ein Nicht-Verstehen-Können oder -Wollen erzeugen, für ein manipulatives, machtvolles Zu-Verstehen-Geben stehen und Kommunikation gänzlich verhindern.

In diesem Panel des 28. Deutschen Germanistentages geht es vor allem um Betrachtungen kommunikativer Gegenstände, wie sie in ihrer semantischen Konstitution, in ihrem Gelingen oder Misslingen durch ihre komprimierte dialogisch-sprachliche Darstellung, deren rhetorisch-narrative Verfahren und entsprechend durch spezifische kommunikative Faktoren (vor allem: Kanal, Code, Sender:in/Empfänger:in, Kontext) bedingt sind. Dabei sind ihre räumlichen und medialen Rahmenbedingungen entscheidend: Sie erzeugen online/offline, im Privaten/Öffentlichen oder im Literarischen/Nicht-Literarischen ein politisch in-/exkludierendes Potenzial für Kommunikation, Positionierung, Identifikation und Gruppenbildung. In unserem Panel möchten wir die Frage danach stellen, was sich in solcher Kürze sagen lässt, genügt das, um etwas so zu erzählen, dass das Erzählte all die Informationen für das Gegenüber beinhaltet, die ‚transportiert‘ werden sollen, oder braucht es dazu das Erzählen in Fortsetzung. In der Diskussion werden wir uns mit literarischen und nicht-literarischen Texten beschäftigen, die alle durch ihre Kürze charakterisiert sind. Damit möchten wir die Diskussion für die verschiedenen germanistischen Disziplinen öffnen. Von Posts oder Blogs über politische Reden, Zeichen von bestimmten Gruppierungen oder Demonstrationsplakaten bis hin zu spezifischen literarischen Texten können Verknappungsprozesse von Dialogen interdisziplinär untersucht werden. 

Für die Panelteilnahme mit einem Vortrag (ca. 15 Minuten) laden wir alle Interessierten ein, uns bis zum 08.09.2024 ein Abstract (max. 300 Wörter) einschließlich einer Kurzbiografie an Thomas Glaser (thomas.glaser@uni-erfurt.de) und Johanna Käsmann (johanna.kaesmann@uni-erfurt.de) zu senden. Vortragsideen von fortgeschrittenen und Nachwuchswissenschaftler:innen sind gleichermaßen willkommen.

Contact Information

Thomas Glaser (thomas.glaser@uni-erfurt.de

Johanna Käsmann (johanna.kaesmann@uni-erfurt.de)

Contact Email

johanna.kaesmann@uni-erfurt.de

URL

https://deutscher-germanistenverband.de/verbandsprofil/deutscher-germanistentag/

Created by: Redaktion avldigital.de
Published on: 26.07.2024
Last change: 07.06.2025, 19:44

Proposed citation:
"Panel im Rahmen des 28. Deutschen Germanistentages 2025: Auf kurzem Weg klären. Zur Verknappung von Dialogen, Braunschweig" (CfP/CfA event), avldigital.de, veröffentlicht am: 26.07.2024. https://avldigital.de/en/networking/information/call-for-papers/panel-im-rahmen-des-28-deutschen-germanistentages-2025-auf-kurzem-weg-klaren-zur-verknappung-von