Workshops, seminars

Philologie und Kritik

Beginning
21.06.2018
End
22.06.2018
Registration deadline
15.06.2018

„Nur dann zeige ich, daß ich einen Schriftsteller verstanden habe,“ schreibt Novalis im Blütenstaub-Fragment 29, „wenn ich in seinem Geiste handeln kann, wenn ich ihn, ohne seine Individualität zu schmälern, übersetzen, und mannigfach verändern kann.“ Leicht gesagt, aber in Wahrheit ist die Forderung enorm, die dieser Satz an den Leser — an das ich, das in drei Zeilen vier mal genannt wird — richtet. Wie ist das Verstehen hier zu verstehen? Was bedeutet es, einen Text, einen Schriftsteller, nur dann zu verstehen, wenn ich ihn verändern kann, und zwar „mannigfach“ verändern kann? Gilt diese Forderung, die Novalis an sich selbst stellt, auch für alle jene unter uns, die sich mit Schriftstellern und der Frage nach dem Verstehen beschäftigen? Wenn ja, wie können wir ihr gerecht werden? Wenn nein: Irrt sich Novalis, oder ist sein Satz nicht mehr zeitgemäß?

Das Blütenstaub-Fragment und die Überlegungen, die es provoziert, stecken das Feld unseres Workshops ab. Der Workshop soll Gelegenheit bieten, sich über die Praxis der Literaturwissenschaft Gedanken zu machen, indem wir zwei Begriffe — und zwei unterschiedliche Herangehensweisen — untersuchen und reflektieren, die im Mittelpunkt der Literaturwissenschaft stehen: Philologie und Kritik. Unter dem Titel der Philologie sammeln sich viele Theorien, Methoden und Praktiken, doch eins haben sie gemeinsam, was sie sofort in Spannung bringt zu Hardenbergs Programm: Sie wollen Texte nicht verändern, sondern mit der gesamten Autorität, die einer Wissenschaft zukommt, bewahren. Auch die Kritik benennt eine Vielzahl von Arbeitsweisen, jedoch lässt sich auch hier der Kern der Sache — das Urteilen — nicht leicht mit der Idee vereinbaren, dass das wahre Verstehen mit der Möglichkeit der Veränderung notwendig verbunden sein soll. Gibt es Modelle der Philologie und der Kritik, die den Weg zu einer Art des Verstehen weisen, die wesentlich im Handeln besteht? Gibt es Interferenzen zwischen diesen beiden Praktiken, die uns neue Handlungsweisen öffnen?

Wir laden unsere Teilnehmer/Innen ein, uns einige Wochen vor dem Workshop Texte von maximal 15 Seiten zu schicken. Die Texte können eigene sein oder aus fremder Feder stammen, poetischen oder wissenschaftlichen Charakter haben. Sie sollen dazu dienen, das Gespräch unter uns anzuregen und uns mit neuen Möglichkeiten des Denkens und Handels zu überraschen. Wir bitten die Teilnehmer, die Texte vorher zu lesen, damit im Workshop möglichst viel Zeit für den Austausch von Gedanken bleibt, der auf deutsch und englisch stattfinden kann. Die Denkrichtung kann jeder Teilnehmer in einem fünf bis sieben Minuten langen Referat anzeigen.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer: Christoph König (Osnabrück), József Krupp (Budapest), Aden Kumler (Chicago), Melanie Möller (FU Berlin), Eyal Peretz (Indiana), Jürgen Paul Schwindt (Heidelberg), Samir Sellami (Berlin), Dieter Thomä (St. Gallen), Johannes Türk (Indiana), Stefan Willer (ZfL Berlin).

Der Workshop ist für eine begrenzte Zahl an Gästen geöffnet. Eine Voranmeldung ist erforderlich und bis zum 15. Juni 2018 per e-Mail möglich.

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Fields of research

Literary theory
Kritik, Philologie

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Freie Universität Berlin
Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien

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Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien, Freie Universität Berlin
Date of publication: 12.12.2018
Last edited: 24.04.2019