Sonderforschungsbereiche

SFB 933 "Materiale Textkulturen"

Der SFB 933 untersucht Texte, die auf Dinge  geschrieben sind. Texte auf Säulen, Portalen, Grabsteinen, Tontafeln, Tonscherben, Amuletten, Rollen, auf Papyrus, Pergament, Papier etc. Das Interesse richtet sich dabei auf die spezifische materiale Beschaffenheit und die dadurch evozierte Präsenz der beschrifteten Artefakte und des Geschriebenen selbst. Die beteiligten Forscherinnen und Forscher stellen eine Vielzahl von Fragen an diese Artefakte: Wie und unter welchen Bedingungen wurden sie hergestellt? In welchem räumlichen Arrangement befanden sie sich? Wer hatte Zugang zu ihnen? Was wurde mit ihnen gemacht bzw. welchen Handlungen wurden an ihnen vollzogen? Welche Handlungen lösten sie aus? Der Leitgedanke ist, dass Schrift, Schriftträger und darauf bezogene Praktiken eine unlösbare wechselseitige Verbindung eingehen, deren Berücksichtigung für das Verständnis der überlieferten Texte und ihrer kulturellen Umgebung hohe Erklärungskraft besitzt.

Der SFB wählt seine Untersuchungsobjekte in erster Linie aus solchen Kulturen, in denen keine Verfahren der massenhaften Produktion von Geschriebenem verfügbar oder verbreitet waren oder sind. Dazu gehören z. B. antike Statuenbasen, mit Keilschrift beschriebene Tontafeln aus Mesopotamien oder Schriftzeichen an mittelalterlichen Bauwerken. Diese Entscheidung beruht auf der Annahme, dass sich der Zusammenhang von Text, Materialität, Räumlichkeit und darauf bezogenen Praktiken durch den Buchdruck fundamental verändert – so scheint unter anderem die Materialität des Geschriebenen für die Akteure weniger Bedeutung zu haben. Mit der Entwicklung eines geeigneten methodischen Instrumentariums leistet der SFB jedoch auch einen Beitrag zum Bewusstsein, wie die Materialität von Texten nicht nur in lang vergangenen Gesellschaften, sondern bis heute eine tragende Rolle für ihr Verständnis spielt.

Folgendes übergeordnetes Ziel verfolgt der SFB 933 seit seiner Einrichtung: die interdisziplinäre, systematische Entwicklung und Erprobung eines Methodentableaus und seiner Begründung für die Analyse schrifttragender Artefakte als einer Theorie materialer Textkulturen. Darüber hinaus deren Etablierung in den historisch-archäologischen Wissenschaften und den Philologien.

Auf dem Weg zu diesem Ziel hat der SFB sich als ‘geisteswissenschaftliches Experimentallabor‘ entwickelt, in dem Prämissen, Erkenntnisinteressen, Gegenstandsbereiche und Methoden, die gewöhnlich getrennt voneinander operieren, kreativ miteinander kombiniert werden, um neue Forschungsfelder, verbesserte analytische Verfahren und signifikanten Wissensgewinn zu generieren.

Die Sammlung und Bereitstellung qualifizierter Daten ist ein zentrales Anliegen des SFB 933 (Teilprojekt „Informationsinfrastrukturen“). Integral ist dabei auch die systematische Reflexion zukünftiger Verwendungsweisen (vgl. auch den Datenmanagementplan des SFB 933).

Der SFB hat sich zudem die systematische Verbreitung seiner Forschung an verschiedene Zielgruppen der Öffentlichkeit vorgenommen, deren Methoden im Teilprojekt „Öffentlichkeitsarbeit“ geplant und verwirklicht werden.

Der Forschungsverbund wird seit 2011 gefördert. Etwa 70 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 18 geisteswissenschaftlichen Disziplinen der Universität Heidelberg und der Hochschule für jüdische Studien Heidelberg sind an ihm beteiligt. Die DFG bewilligte im Mai 2019 eine dritte Förderperiode des SFB 933 bis 2023.

Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Forschungsgebiete

Literatur und Kulturwissenschaften/Cultural Studies
Material Turn ; Materialität ; Textwissenschaft

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Universität Heidelberg
SFB 933 "Materiale Textkulturen"
Datum der Veröffentlichung: 28.10.2019
Letzte Änderung: 28.10.2019