ERC Advanced Grant „Poetry in the Digital Age”
Heutige Präsentationsformen von Lyrik finden sich oft jenseits des Buches, z.B. auf Bühnen oder im Internet. Solche performativen Formen, in denen poetische Sprache durch Musik oder visuelle Komponenten sowie die physische Anwesenheit des ‚Poeten‘ oder der ‚Poetin‘ ergänzt wird, eröffnen neue Zugänge zu einer literarischen Gattung, die bislang als elitär oder abstrakt galt.
Anspruchsvolle ‚Buchlyrik‘ erlangt durch populäre Formate eine größere Reichweite, wie dies auch umgekehrt gilt. Lyrik erhält auch neue Funktionen, indem sie Gemeinschaften erzeugt, die sich durch physische oder virtuelle Ko-Präsenz auszeichnen. Populäre Lyrikformate und Online-Praktiken verstärken die Selbstinszenierung der Poet/innen. Gedichte können aber auch als Medium für politischen Aktionismus, Meinungsäußerung und die spielerische Aushandlung von Transkulturalität und Multilingualität dienen.
Das Projekt ist zwischen Literaturwissenschaft, Cultural und Interart Studies angesiedelt. Es wird Analyseparameter für die facettenreichen aktuellen Lyrik-Formate entwickeln, die von popkulturellen Werken bis hin zur elaborierten Kunst reichen, indem es die Formen und Räume ihrer Präsentation und Performance untersucht – von der Theaterbühne bis zu Social Media, von der Schriftseite bis zum urbanen Raum. Es wird die folgenden Leitfragen beantworten: Welche Faktoren haben zur aktuellen Popularität von ‚Poetry’ beigetragen? Wie können ihre Genres systematisiert werden? Welche neuen Methoden und Theorien werden benötigt, um sie zu untersuchen? Wie unterscheiden, interagieren oder vermischen sich Unterhaltungskultur und ‚Hochkultur‘? Welche (ästhetischen, kulturellen, sozialen, politischen) Funktionen haben diese neuen Formen und Modi der Präsentation?
Die Forschungsarbeit wird in drei Teilprojekte gegliedert, die sich schwerpunktmäßig (1) Lyrik und Performance, (2) Lyrik und Musik und (3) Lyrik und Visueller Kultur widmen. Ein interdisziplinäres Team, bestehend aus den Fächern Literaturwissenschaft, Medien- und Filmwissenschaft, Theaterforschung, Sound Studies, Sprechwissenschaft und Visual Culture Studies, wird dieses Feld gemeinsam kartografieren.
Als eine ‚Poetik neuer Formen‘ wird das Projekt erstmalig die große Diversität, das mediale Spektrum und die Verbreitung zeitgenössischer Gedichte untersuchen. Seine Forschungsergebnisse werden zu einer neuen, erweiterten Definition von Lyrik führen und die Art und Weise verändern, wie Wissenschaftler/innen, Dichter/innen und die Öffentlichkeit diese literarische Gattung betrachten.