Konferenzen, Tagungen

Wissen und Ganzheit: Das 18. Jahrhundert und sein Nachleben

Beginn
30.10.2019
Ende
01.11.2019

Eine Kooperation des Deutschen Seminars der Universität Zürich mit der Professur für Literatur-und Kulturwissenschaften an der Universität Luzern und dem Lehrstuhl für Medizingeschichte der Universität Zürich

Konzeption & Organisation: Sophie Witt, Laure Spaltenstein, Leander Diener, Marie Louise Herzfeld-Schild

«Der Körper ist nicht wieder zurückzuverwandeln in den Leib. Er bleibt die Leiche, auch wenn er noch so sehr ertüchtigt wird», so klingt der bekannte Abgesang der Dialektik der Aufklärung auf den Körper und auf unsere Möglichkeit, diesen (und: mit diesem) zu denken. Adorno und Horkheimer sind nur ein Beispiel für jene Narrative, die dem 18. Jahrhundert die (politisch katastrophalen) Folgen einer Ausdifferenzierung der Wissenssphären zuschreiben, die bis heute in ‹Natur› und ‹Kultur› sowie in Natur- und Geisteswissenschaften trennt. Der Resistenz der ‹Trennungsgeschichte› zum Trotz aber arbeitet sich bereits das 18. Jahrhundert in unterschiedlichen wissensgeschichtlichen Formationen kritisch und produktiv an der Descartes bis heute immer wieder zugeschriebenen Trennung in res extensa und res cogitans ab und entwickelt Konzepte von ‹Ganzheit›, die Natur-und Kulturbegriffe zu konstellieren suchen: etwa in den psychophysischen Konzepten der verschiedenen ‹ästhetischen Materialismen› oder (literarischen) Anthropologien, im Zusammenschluss der Künste mit der Physiologie und der Medizin u.v.m. Die geplante Tagung fragt aus verschiedenen disziplinären Perspektiven nach einem solchen Wissen von Ganzheit.

Zum einen schauen wir von der Warte der Nachträglichkeit auf die wissenschaftlichen Diskurse und Künste des 18. Jahrhunderts und fragen, an welchem KörperDenken Musik, Tanz und Theater, aber auch Literatur partizipieren. Denn gerade in den Künsten des 18. Jahrhunderts taucht dieses vielfach selbst als ganzheitliches auf – und macht so jenem angenommenen Urverlust des Körpers einen Strich durch die Rechnung. Zum anderen fragen wir nach den Einsatzfeldern dieser Suche nach dem Ganzen und nach dem Nachleben des 18. Jahrhunderts in den Wissenschaften und den Künsten. Zu fragen wäre etwa nach den Motivationen der Rede von den ‹zwei Kulturen›, nach deren diagnostischem Potential und nach dem daraus resultierenden holistischen ‹Versöhnungsbegehren›, das besonders im 20. Jahrhundert virulent wird – z.B. in den Avantgarden (als kritisch durchgestrichenes), oder affirmativ in der Phänomenologie und im Projekt der Psychosomatik, die explizit auf die Anthropologien des 18. Jahrhunderts rekurriert.

  

Tagungsprogramm

Mittwoch, 30. Oktober

Universität Zürich, RAA-Gebäude, Aula, Rämistr. 59

14.00–14.30 Begrüßung und Einführung

Anthropologie/Darstellung

14.30–15.15 Carsten Zelle (Bochum): ‹Ganzheitswissen› in der Diätetik um 1750, 1800 und 1850

15.15–16.00 Arne Stollberg (Berlin): «Der Mensch, man glaube mir, ist ein musikalisches Instrument». Die Literalisierung einer Metapher seit dem späten 17. Jahrhundert und ihre kompositionsgeschichtlichen Konsequenzen

16.30–17.15 Patrick Hohlweck (Berlin): Naturell und Mitteilung (Walch, Gottsched)

17.15–18.00 Beate Hochholdinger-Reiterer (Bern): Menschendarstellung als Phantasma von Ganzheit

19.30–20.45 Katja Münker (Berlin): Im-Gehen-Verstehen / Lecture Performance

Donnerstag, 31. Oktober

Cabaret Voltaire, Spiegelgasse 1

Verkörperung /Resonanz

09.30–10.15 Frauke Berndt (Zürich): Rhythmus und Verkörperung

10.15–11.00 Marion Schmaus (Marburg): Zauberflöte & Co. Das Zusammenspiel von Märchenoper und Musiktherapie seit dem 18. Jahrhundert

11.30–12.15 Caroline Welsh (Berlin): Resonanz und Stimmung in anthropologischen Modellen der Selbst- und Weltwahrnehmung um 1800 und heute

Natur/Kultur

14.00–14.45 Hans-Christian von Herrmann (Berlin): Die wirkende Natur. Wissenschaftskritik und Naturforschung in Goethes «Faust I»

14.45–15.30 Lea Bühlmann (Fribourg): Weisheiten des Körpers. Epistemologien der Umgebung in den Lebenswissenschaften der 1920er Jahre

Psyche/Soma

16.00–16.45 Leander Diener (Zürich): «Unzertrennlichkeit des Leibes und der Seele». Psyche

und Soma in der Geschichte der Physiologie seit dem 18. Jahrhundert

16.45–17.30 Oliver Falk (Zürich): Impulse für ein neues Denken? Gustav von Bergmanns funktionelle Pathologie und die psychosomatische Medizin

17.30–18.15 Sophie Witt (Zürich): Psychosoma und Theaterwissen

Freitag, 1. November

Cabaret Voltaire, Spiegelgasse 1

Bios/Politik

09.30–10.15 Thorben Päthe (Zürich): «Es ist der Geist, der sich den Körper baut.» Zur politisch-institutionellen Korporalität des ‹deutschen Geistes›

10.15–11.00 Matthias Dreyer (Rostock): Beobachte das Stolpern. Theater-Avantgarde und Reformpädagogik

11.30–12.15 Antonia Eder (Karlsruhe): Über Wachen und Schlafen. Müdigkeit und das Wissen vom ganzen Menschen

Zweite Ordnung/Metaform

14.00–14.45 Hartmut von Sass (Zürich): Dualismen zweiter Ordnung, oder: Richard Rorty über ironische Coolness

14.45–15.30 Boris Previšić (Luzern): Akustische Wahrnehmung als Metaform des Denkens – Diderots Rêve de D’Alembert

15.30–16.00 Schlussdiskussion und Verabschiedung

Infos: https://www.ds.uzh.ch/de/projekte/psychosomatik/veranstaltungen.html, sophie.witt@ds.uzh.ch

Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Forschungsgebiete

Literatur und Kulturwissenschaften/Cultural Studies, Literatur des 18. Jahrhunderts
Wissen ; Ganzheit ; Nachleben ; Wissenschaftsgeschichte

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Einrichtungen

Universität Zürich (Uzh)
Deutsches Seminar
Universität Luzern
Datum der Veröffentlichung: 11.10.2019
Letzte Änderung: 11.10.2019