Überforderung der Form. Erkundung einer neuen Fragestellung in der Theorie der Dichtung und in der interpretatorischen Praxis, Leipzig
Tagung des Instituts für Germanistik der Universität Leipzig (Abteilung Literaturwissenschaft) und des Department of German der University of Chicago an der Universität Leipzig vom 23.-24.10.2021
Konzeption, Organisation und Leitung: Prof. Dr. David Wellbery (University of Chicago, Department of German – wellbery@uchicago.edu) und Dr. Jan Urbich (Universität Leipzig, Institut für Germanistik – jan.urbich@uni-leipzig.de)
Gefördert durch die Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung
Veranstaltungsort: Vortragssaal der „Bibliotheca Albertina“ (Universitätsbibliothek Leipzig), Beethovenstraße 6, 04107 Leipzig
Die Formdiskussion in der Literaturwissenschaft hat dem Phänomen der Überforderung von dichterischen Formen bisher keine systematische Beachtung geschenkt. Fälle von Formüberforderung stellen einen Grenzbereich der Manifestation von formensprachlichen Mustern dar, mit denen eine innere Spannung in das Werk eindringt, welche die Integrationsleistung der Form problematisiert und – gerade dadurch – sichtbar macht. Überforderte Form exploriert angeschichtlich erprobten Formmöglichkeiten neue Formpotentiale, deren Bedürfnisse bereits durchbrechen und in diesem Rahmen noch nicht anders denn als Defizite, Abbrüche, Versagen etc. verwirklicht werden können. Sie erkundet im Raum bestehender Ausdrucksmöglichkeiten und Gestaltsemantiken der Form das Begehren nach neuen, bisher noch nicht bis zur Freiheit der Form entwickelten poetischen Mustern. Dichterische Form kann demnach nicht nur von einem Normalbereich, sondern muss auch von einem internen Grenzbereich ihres Gelingens her verstanden werden, der die geschichtliche Dimension eines utopischen Formenpotentials beinhaltet. Der Zugriff auf solche Phänomene gibt möglicherweise bestimmte wesentliche Eigenschaften und Funktionskontexte dichterischer Form überhaupt zu erkennen. Dem will die Tagung in konzentrierten Einzellektüren nachgehen und so den Regularien der Selbstüberschreitung dichterischer Formen auf die Spur kommen.
Tagungsplan:
23. Oktober
09.00 Uhr Begrüßung und Einführung (David Wellbery, Jan Urbich)
09.30 Uhr Helmut Hühn
Zeit und Form. Überlegungen im Ausgang von Hölderlins Gedicht Hälfte des Lebens
10.30 Uhr Pause
11.00 Uhr Dirk Oschmann
Innere Unendlichkeit. Zur Paradoxie einer Denkfigur um 1800
12.00 Uhr Mittagspause
13.00 Uhr David Wellbery
Zur Formfrage in Goethes Iphigenie auf Tauris
14.00 Uhr Jan Urbich
Schlussfiguren. Überforderungen der inneren Form in zwei Gedichten Goethes und Rilkes (Dornburg, Archaischer Torso Apollos)
15.00 Uhr Pause
15.30 Uhr Daniel Carranza
Literaturgeschichte als Formproblem. Stefan Georges Reim
16.30 Uhr Juliane Vogel
Überforderte Syntax. Hofmannsthals Chandos-Brief
18.00 Uhr Abendveranstaltung:
Dieter Burdorf
Hölderlins Zackern. Leistung und Überforderung der Odenform.
24. Oktober
09.00 Uhr Frauke Berndt
Formen generischer Ambiguität
10.00 Uhr Jan Röhnert
„Aufforderung“ und „Entfaltung“. Die formalen Aporien des Expressionismus und der Dichter Wilhelm Klemm
11.00 Uhr Pause
11.30 Uhr Heinrich Detering
Propheten im verbrannten Strauch: Weinheber und Hermlin 1940
12.30 Uhr Mittagspause
13.30 Uhr Carsten Dutt
Gottfried Benn: Metaphysik und Melancholie der Form
14.30 Uhr Matthias Löwe
„Du sollst Dir kein Bild machen!“ – Überforderung der Form in Arnold Schönbergs Oper Moses und Aron.
15.30 Uhr Pause
16.30 Uhr Peter Utz
Die „kleine Form“ des Feuilletons und ihre Überforderungen
17.30 Uhr Eva Geulen
Klassizität als Effekt überforderter Form bei Peter Szondi
18.30 Uhr Schlussdiskussion