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Kulturanthropologie nach Rousseau: Ethnographie, Kulturkritik und Religionskritik zwischen 1800 und 1850

Beginn
06.07.2018
Ende
06.07.2018

Kulturanthropologie nach Rousseau: Ethnographie, Kulturkritik und Religionskritik zwischen 1800 und 1850

6. Juli 2018 / Universität Paderborn, Warbuger Str. 100, 33098 Paderborn / Raum B3.231

Insbesondere in der französischen Forschung wird Jean-Jacques Rousseau seit Claude Lévi-Strauss’ einschlägigen Studien als der Begründer der Wissenschaft vom Menschen angesehen, so dass die Formel von der ‚Kulturanthropologie nach Rousseau’ meist in zweifacher und zugleich komplementärer Weise verstanden wird. Denn zum einen wird die Präposition ‚nach’ konsekutiv gelesen und dabei die logische Verbindung bzw. genauer: die logisch aufeinander aufbauende Abfolge herausgestellt, so dass jede Kulturanthropologie nach Rousseau eine ist, die über Modifikationen und Transformationen eine grundlegende Diskursformation bis in die Gegenwart hinein fortschreibt. Zum anderen wird die Präposition ‚nach’ temporal gefasst und damit stärker auf diejenigen Autoren und Werke abgehoben, die dem so genannten Rousseauismus zugerechnet werden können, so dass eine unmittelbare Beziehung, wenn nicht gar Schülerschaft in den Blick genommen wird.
Der 250. Geburtstag von François Réné de Chateaubriand soll als Ausgangspunkt genommen werden, um einen anderen Zugang zur Kulturanthropologie nach Rousseau zu gewinnen, insofern dessen Werk auf zwei Probleme hinweist, die es zu bedenken gilt. Claude Lévi-Strauss Rede von Rousseau als Begründer der Wissenschaft vom Menschen, der science de l’homme, setzt eine Kontinuität des Rousseau’schen Denkens voraus, die von diesem ausgehend über die Idéologues um 1800 bis hin zum Strukturalismus Pariser Prägung nach 1950 weitgehend ungebrochen reicht. Betrachtet man die historische Situation nach 1800 in Frankreich, dann erkennt man hingegen leicht, dass einerseits die Idéologues und deren Konzept der Anthropologie nur vergleichsweise kurz die betreffenden Diskurse beherrschten, und andererseits nach 1800 von einer Konkurrenz verschiedener Konzeptionen der Kulturanthropologie zu sprechen ist, die sich etwa durch das Gegeneinander von gnoseologischen und epistemologische Denkweisen auszeichnen oder durch diametral entgegengesetzte Verständnisse von Religionskritik, die einmal das Kompositum als Genitivus subjektivus und einmal als Genitivus objektivis begreifen. Gleichwohl eint diese unterschiedlichen Konzeptionen der Kulturanthropologie, dass sie sich unmittelbar oder mittelbar auf Rousseau und dessen Werke beziehen und dabei drei dominante Diskursformationen bearbeiten, nämlich die Ethnologie, die Kulturkritik und die Religionskritik.
Ein prominentes Beispiel hierfür ist Chateaubriands Konzeption der Kulturanthropologie, die er in seinen frühen Erzählungen Atala und René einerseits auf Rousseau aufbauend präsentiert, andererseits aber durch die Verlagerung in einen anderen, amerikanischen Kulturraum nicht nur neu fasst, sondern auch durch die konzeptionelle Einbindung in den Génie du Christianisme etwa über die so genannte ‚christliche Perspektive’ neu ordnet, um sich dergestalt gegen die Konzeption der Anthropologie als ‚Rapports du physique et du moral de l’homme‘ Cabanis’scher Prägung abzugrenzen. An diesem Punkt setzt der Workshop an, um der Frage nachzugehen, welche Konzepte und Modelle von Kulturanthropologie zwischen 1800 und 1850, d.h. zwischen den Idéologues und dem Positivismus, aber eben auch zwischen Karl Viktor von Bonstetten und François René de Chateaubriand diskutiert werden und welches Feld wie von ihnen kartographiert wird. Dabei sollen ausgehend von den französischen Diskussionen um die Kulturanthropologie auch diejenigen Ansätze in den Blick genommen und dergestalt zueinander in Beziehung gesetzt werden, die in den anderen europäischen Ländern zeitgleich, und d.h. eben auch: in Konkurrenz zueinander entwickelt werden.

Programm:

10.00-10.15:
Begrüßung und kurze Einführung

10.15-11.15:
Prof. Dr. Jörn Steigerwald (Komparatistik/Paderborn): Postrousseauistische Kulturanthropologie: Zu Chateaubriands Atala

11.15-11.30:
Kaffeepause

11.30-12.30:
Dr. Johannes-Georg Schülein (Philosophie/Bochum): Der Mensch in der Natur: Schellings Anthropologie im System der gesammten Philosophie (1804)

12.30-14.00:
Mittagspause

14.00-15.00:
Dr. Antonio Roselli (Komparatistik/Paderborn): Anthropologie als Metaphysik: Max Stirners Feuerbach-Kritik

15.00-15.15:
Kaffeepause

15.15-16.15:
Dr. Cordula Reichart (Italianistik/München): Kulturanthropologie nach Vico, Rousseau, Balzac und Chateaubriand: Baudelaires Forderung nach neuen Archiven

16.15-16.45:
Kaffeepause

16.45-17.45:
Niklas Corall, M.A. (Philosophie/Paderborn): Normalmenschen als „größte Gefahr“: Nietzsches kulturanthropologische Kritik des Monotheismus

Veranstalter:
Prof. Dr. Jörn Steigerwald, Dr. Antonio Roselli

Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Forschungsgebiete

Literatur und Kulturwissenschaften/Cultural Studies, Literatur und Theologie/Religionswissenschaften, Literatur und Anthropologie/Ethnologie, Literatur des 19. Jahrhunderts

Links

Einrichtungen

Universität Paderborn
Datum der Veröffentlichung: 12.12.2018
Letzte Änderung: 03.01.2019