Dissertation
Autor*in: Fabiola Valeri

König Saul im Spannungsfeld von Religion und Politik – Die Rezeption einer biblischen Erzählung im europäischen Drama des 19. und 20. Jahrhunderts

Zu Recht von Gott verstoßener Todsünder, tragisches Opfer eines korrupten Priestertums oder heroischer Wegbereiter einer säkularen Moderne – die Lesarten der biblischen Geschichte zu Saul, dem ersten weltlichen König Israels, zeigen sich über die Jahrhunderte ambivalent und facettenreich. Sie haben auch aufgrund der tragischen Handlungsstruktur der Erzählung wiederholt Eingang in das europäische Drama gefunden. Als narrativer Kernkonflikt ist das Spannungsverhältnis von religiöser und weltlicher Macht zu identifizieren, da König Saul wegen autonomer Entscheidungen vom Propheten verstoßen wird. Diese Grundkonstellation lässt den Stoff interessant werden für diachron immer wieder neu aufgelegte Debatten um das Verhältnis von Staat und Kirche, Politik und Religion, wie sie mit besonderer Intensität gerade zu Beginn einer säkularen Moderne im 19. und 20. Jahrhundert geführt werden.

Am Beispiel der dramatischen Adaptationen des Saul-Mythos im 19. und 20. Jahrhundert soll dieses für die Moderne substanzielle Spannungsverhältnis von Politik und Religion anhand von Modellanalysen einerseits historisch im Lichte zeitgenössischer philosophischer sowie soziokultureller Diskurse untersucht werden. Im Zuge dessen interessiert insbesondere, wie diese Diskurse literarisch inszeniert und an den biblischen Text diskursiv rückgebunden werden. Zu fragen ist andererseits in einer systematischen Perspektive, wie hierdurch Differenzierungen eines manchmal vielleicht zu eindimensionalen Moderneverständnisses vorgenommen werden können und was anhand der Saul-Dramen-Tradition über Ort und Funktionalisierung religiöser Stoffe in der Literatur der Moderne ausgesagt werden kann. Die Wiedererschließung des literaturwissenschaftlich noch brach liegenden Saul-Mythos erfolgt somit erstmals jenseits von rein stoffgeschichtlichen Erwägungen in einer komparatistisch und interdisziplinär ausgreifenderen Perspektive und kann sich dabei im Feld des ebenso wissenschaftlich neu erwachten Interesses am Religiösen situieren.

Einrichtungen

Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)
Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft

Forschungsgebiete

Literatur aus Deutschland/Österreich/Schweiz, Französische Literatur, Italienische Literatur, Hermeneutik, New Historicism, Rezeptionsästhetik, Erzähltheorie, Interdisziplinarität, Literatur und Theologie/Religionswissenschaften, Tragödie, Ästhetik, Stoffe, Motive, Thematologie, Literatur des 19. Jahrhunderts, Literatur des 20. Jahrhunderts
Beitrag von: Fabiola Valeri
Datum der Veröffentlichung: 08.07.2020
Letzte Änderung: 08.07.2020