CfP/CfA Veranstaltungen

Zukunftsdenken und Zukunftsästhetik in literarischen, kulturellen und medialen Diskursen der Moderne (1880–1950), Bonn

Beginn
13.02.2025
Ende
15.02.2025
Deadline Abstract
07.10.2024

Workshop "Zukunftsdenken und Zukunftsästhetik in literarischen, kulturellen und medialen Diskursen der Moderne (1880–1950)"

13.–15. Februar 2025 an der Universität Bonn

 

Organisation:

Fabian Lampart (Potsdam), Christian Meierhofer (Bonn), Natalie Moser (Potsdam)

in Verbindung mit dem DFG-Graduiertenkolleg „Gegenwart/Literatur“

 

Am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert lässt sich in literarischen, kulturellen und medialen Diskursen eine Vielzahl an Bilanzierungsversuchen und ein hohes Maß an Zukunftsreflexion bemerken. Das fin de siècle befördert eine intensive Auseinandersetzung mit dem kommenden début de siècle. Offensichtlich ist das in Genres wie Utopie und Dystopie oder in der Science Fiction, die seinerzeit gegenwärtige Reflexionen über kulturelle, technische oder wissenschaftliche Zukunftsentwürfe extrapolieren. Die zeitgenössische Gegenwart, in der diese Texte entstanden sind, erscheint in den literarischen Szenarien als eine künftige Vergangenheit, die sich mitunter radikal von der projizierten Zukunft unterscheidet. Anders gelagert sind diese Verhältnisse in Texten, die von ihrer Gegenwart aus eine mögliche Zukunft prophezeien, programmatisch entwerfen oder mit dem Ziel der Vorsorge und Absicherung prognostizieren; insgesamt also in Texten, die Zukunft mit einem Gestaltungs- oder Bewältigungsanspruch begegnen, der von der Gegenwart aus gedacht ist und diese dabei mehr oder weniger grundlegend verändern will. Varianten solcher gestaltender Zukunftsreflexion in der literarischen Moderne sollen im geplanten Workshop in den Blick genommen werden. Eine Leitfrage ist dabei, wie sich die mitunter langfristig etablierten diskursiven ‚Ordnungen des Zukunftswissens‘ (Bühler/Willer 2016) um und ab 1900 transformieren, aktualisieren oder auch beenden lassen. Einige Schwerpunkte, an denen entlang das Zukunftsdenken in literarischen, kulturellen und medialen Diskursen beobachtet werden kann, seien hier angeführt.

 

Neuordnung der Zukunftsregimes: Literarische, kulturelle und mediale Diskurse der Moderne – die sich selbst in ihren verschiedenen Spielarten zwischen programmatischer, avantgardistischer und ‚reflektierter‘ Moderne (vgl. Kiesel 2004) als ‚neu‘ im Verhältnis zum Bestehenden und zur Gegenwart verstehen – sind von jeweils spezifischen Arten der Umstrukturierung und programmatischen Neuordnung der Zukunftsreflexion geprägt. Eine nicht zu unterschätzende zeit- und kulturhistorische Voraussetzung bilden dabei die Zäsursetzungen zwischen 1871 und 1945, die seit der Gründerzeit und vor allem von den beiden Weltkriegen markiert, aber schon zeitgenössisch auf ihre katalysatorischen Effekte und ein zukunftsweisendes gesellschaftliches Potential der ‚Reinigung‘ hin gedeutet werden (vgl. Meierhofer/Wörner 2015).

 

Neuheitsanspruch als Zukunftsästhetik: Parallel sind künstlerische-literarische Programme und Postulate der Avantgarden – etwa des Expressionismus, Dadaismus und Futurismus – verbunden mit dem Entwurf als zukünftig verstandener Ästhetiken. Diese können mit einem Gestaltungsanspruch versehen sein, oftmals aber auch mit dem Gestus der Projektion noch zu realisierender ästhetischer Vorstellungen und Praktiken (vgl. Asholt/Fähnders 2005).

 

Genres des Zukunftsdenkens: In Verbindung mit den ersten beiden Punkten stellt sich die Frage, ob bestimmte Genres und Textsorten für eine Gestaltung des Zukunftsdenkens prädestiniert sind. So sind Manifeste ihrem Selbstverständnis nach zukunftsorientiert oder mindestens zukunftsaffin und werden „gerne von Bewegungen verwendet, die sich selbst als avantgardistisch, innovativ oder revolutionär begreifen“ (Spörl 2003, S. 535). Allerdings ist das Manifest nur die bekannteste Gattung mit futurischen Darstellungsmerkmalen. Im Workshop wollen wir darüber hinaus fragen, wie der Zukunftscharakter programmatisch-ästhetischer Entwürfe in anderen Genres (u.a. Essay, Reportage, Bericht) und Denkformen wie dem Experiment gestaltet wird. Zudem sind Beiträge willkommen, die das in ‚traditionelle‘ Genres (z.B. Drama, Roman, Erzählung) integrierte Zukunftsdenken analysieren.

 

Denkformen und Semantiken der Zukunftsprojektion: Schließlich soll nach den kulturellen Kontexten des Zukunftsdenkens in der Moderne gefragt werden. Aus dem Gegeneinander von affirmativem Fortschrittsdenken, Wissenschafts- und Technikbegeisterung einerseits und den ausladenden Debatten im Bereich des Kulturpessimismus, der Kulturkritik, der populären Weltanschauungsliteratur und der Apokalyptik andererseits ergeben sich durchaus widersprüchliche Bedingungen, unter denen sich dann aber Zukunft produktiv modellieren und reflektieren lässt. Nicht zuletzt für die Ordnung des modernetypischen Selbstverständigungsdiskurses ist dieses Spannungsverhältnis aus Affirmation und Negation, Optimismus und Pessimismus, Fortschritts- und Rückschrittsnarrativen konstitutiv.

 

Der Workshop schließt an eine frühere Potsdamer Veranstaltung an, die sich bereits mit literarischen und ästhetischen Zukunftskonzeptionen des 19. Jahrhunderts beschäftigt hat (vgl. Lampart/Moser 2024). Für den kommenden Workshop in Bonn erbitten wir bis zum 7. Oktober 2024 Vorschläge aus der Literatur-, Medien-, Geschichts- oder Kunstwissenschaft für einen 30-minütigen Vortrag an die u.g. Adressen. Für die Vortragenden können die Reise- und Übernachtungskosten zumindest anteilig übernommen werden. Eine Publikation innovativer Beiträge ist vorgesehen.

 

Literatur:

Asholt, Wolfgang; Fähnders, Walter (Hg.): Manifeste und Proklamationen der europäischen Avantgarde (1909–1938). Sonderausgabe. Stuttgart 2005.

Bühler, Benjamin; Willer, Stefan (Hg.): Futurologien. Ordnungen des Zukunftswissens. Paderborn 2016.

Kiesel, Helmuth: Geschichte der literarischen Moderne. Sprache, Ästhetik, Dichtung im zwanzigsten Jahrhundert. München 2004.

Lampart, Fabian; Moser, Natalie (Hg.): Zukunft – Zukunftswissen – Zukunftsästhetik. Reflexionen des Kommenden in der Literatur des 19. Jahrhunderts. Baden-Baden 2024.

Meierhofer, Christian; Wörner, Jens (Hg.): Materialschlachten. Der Erste Weltkrieg und seine Darstellungsressourcen in Literatur, Publizistik und populären Medien 1899–1929. Göttingen 2015.

Spörl, Uwe: Art. Manifest. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Bd. 2. Hg. von Harald Fricke u.a. Berlin, New York 2003, S. 535–537.

Contact Information

Prof. Dr. Fabian Lampart, fabian.lampart@uni-potsdam.de

PD Dr. Christian Meierhofer, meierhofer@uni-bonn.de

Dr. Natalie Moser, natalie.moser@uni-potsdam.de

Contact Email

meierhofer@uni-bonn.de

URL

https://www.grk-gegenwart.uni-bonn.de/de/veranstaltungen/veranstaltungsarchiv/w…

Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Forschungsgebiete

Literatur und Kulturwissenschaften/Cultural Studies, Literatur und Medienwissenschaften, Intermedialität, Gattungspoetik, Ästhetik, Literatur des 19. Jahrhunderts, Literatur des 20. Jahrhunderts

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Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Datum der Veröffentlichung: 20.09.2024
Letzte Änderung: 20.09.2024