CfP/CfA Veranstaltungen

Zeitschrift zum Beispiel Nr. 7, Themenheft "Komische Beispiele"

Deadline Abstract
30.11.2024
Deadline Beitrag
01.06.2025

z.B. Zeitschrift zum Beispiel Nr. 7: Themenheft Komische Beispiele

Herausgegeben von Jessica Güsken und Alexander Kling

Call for Papers

Was ist das Komische? Das ist kaum zu sagen, ohne ein Beispiel zu geben. Tatsächlich kann die Theorie der Komik auf Beispiele gar nicht verzichten. Sie erlangen hier, wie in jeder ästhetischen Theorie, einen besonderen Stellenwert als Agenten der Herstellung und Sicherung von Evidenz. Das Komische lässt sich nicht im rein Abstrakten definieren, vielmehr muss man konkret werden, um der Theorie Sachhaltigkeit, aber auch Überzeugungskraft zu verleihen. Komisch ist, so Stephan Schütze, jemand, der „beyde Hände schon gefüllt hat“ und dann „noch eine andere Sache hinzukommt, und er nun nicht weiß, ob er das Vorherige fallen lassen, oder das Letztere entbehren soll“; komisch ist auch, nach Friedrich Theodor Vischer, „die Türangel, die das ganze Jahr nach Öl schreit“, oder, laut Henri Bergson, „ein Mann, der über die Straße gelaufen kommt, stolpert und hinfällt“. Bemerkenswert ist an Beispielen des Komischen zunächst die Eigenart ihres epistemischen Funktionierens: Kein rationales Argument, sondern ein körperliches, nämlich das Lachen soll hier die Evidenz und Triftigkeit der Theorie quittieren. Beispiele werden dabei als Medien sichtbar, die aus dem Text herausführen und auf den Körper und die Sinne zielen. Umgekehrt gilt allerdings ebenso, dass die Beispiele, die Lachen machen sollen, dies gerade nicht tun, sondern allenfalls ein Schmunzeln hervorrufen – oder schlicht nicht lustig gefunden werden. Zudem gibt es Fälle, in denen das Lachen bereits in den Text eingebaut ist. Zu denken wäre an den Brunnensturz des Philosophen Thales, der dadurch, dass er von der thrakischen Magd verlacht wird, zu einem der wirkmächtigsten Beispiele des Komischen werden konnte – und dies, obwohl die Episode in Platons Theaitetos zur Explikation von etwas anderem, der Weltferne der Philosophie, angeführt wird.

Das Scheitern komischer Beispiele ist nicht weniger interessant als das Gelingen, denn es erlaubt Einsichten in verschiedenerlei Hinsicht, unter anderem in die Zeitgebundenheit und Historizität des Komischen sowie in seine kulturelle und soziale Abhängigkeit. Manchmal bleibt einem auch das Lachen im Halse stecken, etwa angesichts des Rassismus einiger Beispiele, mit denen sich Gotthold Ephraim Lessing im Laokoon über die Braut Knonmquaiha und ihren Schmuck amüsiert. Die Beispiele legen einen normativen Charakter des Komischen offen, und fordern mit ihrem diskriminierenden Lachen zum Nachdenken über und zur Kritik an der Gemeinschaft heraus, die das Komische stiften soll. In anderer Hinsicht bemerkenswert ist die besondere performative Dimension komischer Beispiele: So erzählt Immanuel Kant den Leser:innen der Kritik der Urteilskraft plötzlich seitenweise Witze, um dem Komischen auf die Spur zu kommen, und Sigmund Freud zitiert das „lachkräftige Beispiel“ des „Familionärs“ aus Heinrich Heines Reisebildern, um die Beziehung des Witzes zum Unbewussten zu erklären. Hier wie dort zeigt sich ein spezifisch narrativer Zug der Sache: Komische Beispiele treten häufig in Form von Miniaturnarrativen auf. Die Frage nach ihrer Narrativität stellt sich aber auch, wenn Beispiele von Autor zu Autor und Text zu Text weitergegeben, nacherzählt, umgedichtet und recycelt werden. Das lässt sich etwa an Vischers Beispiel der unerhört quietschenden Türangel beobachten, das sich bereits bei Jean Paul findet – und das ursprünglich aus einem Erzähltext stammt. Jean Pauls berühmtes Sancho Pansa-Beispiel wiederum findet sich zwar in ähnlicher Form in ästhetischen Abhandlungen des 18. Jahrhundert, aber nicht in Cervantes’ Don Quijote-Roman selbst. Die Wahl der Beispiele erlaubt nicht zuletzt auch stoffliche Einsichten in die Theorie – so zeigt sich gerade an den Beispielen, inwiefern Vischer eine Theorie der Komik der Dinge entwirft, und Bergson eine Theorie der Körperkomik, eine veritable Slapsticktheorie also, noch bevor das Genre ins Kino kommt. Dass wiederum einige Beispiele von Vischer und Bergson schon in Schützes Theorie aus dem Umfeld der Romantik angelegt sind, verweist nicht nur auf die Persistenz komischer Beispiele, sondern auch auf deren Potential, gängige Plotstrukturen zur Geschichte des Komischen sowie der Komiktheorie zu unterlaufen.

Das z.B. Themenheft „Komische Beispiele“ möchte diesen ersten Beobachtungen genauer nachgehen. Es widmet sich den Beispielen, die im Diskurs über das Komische von Platon und Aristoteles bis Wolfgang Iser und Victor Raskin, von der Antike bis zur Gegenwart entwickelt, zum Zirkulieren gebracht oder mit einem Gegenbeispiel aus dem Feld geschlagen wurden. An welchen argumentativen Positionen tauchen die Beispiele auf (handelt es sich um Auftakt-, Ausgangs-, Erläuterungs-, oder Belegbeispiele), und welche Funktionen übernehmen sie? Welches Beispielinventar bieten die Komiktheorien (jeweils) auf? Aus welchen Bereichen stammen die Beispiele – werden Dinge, Tiere, menschliche Körper(teile), Handlungen oder Devianzen der Sprache als Beispiele angeführt? Und was verrät die Beispielwahl über die Komiktheorie? Gelingt die Komik der Beispiele oder scheitert sie? Gibt es auch unfreiwillig komische Beispiele? Wandeln sich die Beispiele – oder sind sie um 1800 ähnliche wie im 21. Jahrhundert? Gibt es Wiederaufnahmen bestimmter Beispiele? Gibt es Streits über ein Beispiel?

Die Beiträge sollten ein konkretes Beispiel aus einem Text der Komiktheorie zum Ausgangspunkt nehmen und – entsprechend dem Format der Zeitschrift – einen Umfang von ca. 10 Seiten (maximal 30.000 Zeichen) haben. Themenvorschläge mit Erläuterungen von höchstens einer Seite Umfang können bis zum 30. November 2024 gesendet werden an: Dr. Jessica Güsken (jessica.guesken@fernuni-hagen.de) und Dr. Alexander Kling (akling@uni-bonn.de). Deadline für die fertigen Beiträge ist der 1. Juni 2025, der avisierte Erscheinungstermin des Heftes ist Herbst 2025.

Die z.B. Zeitschrift zum Beispiel erscheint seit 2018, und ist am Institut für Neuere deutsche Literatur- und Medienwissenschaft der FernUniversität in Hagen beheimatet. Das Themenheft „Komische Beispiele“ wird von Jessica Güsken und Alexander Kling herausgegeben. Die Hefte erscheinen gedruckt, sind aber auch digital im Volltext als open access online zugänglich. Weitere Informationen zur Zeitschrift sowie alle bisherigen Ausgaben finden Sie unter: https://hagen-up.de/z-b-zeitschrift-zum-beispiel/

Weiterführende Literatur:

Agamben, Giorgio: „Was ist ein Paradigma?“, in: Ders.: Signatura rerum. Zur Methode. Frankfurt a.M. 2009, S. 9-40.

Güsken, Jessica: „Einleitung“, in: Dies.: Beispiele des Hässlichen in der Ästhetik (1750-1850). Göttingen 2022, S. 9-29. 

Lück, Christian/Michael Niehaus/Peter Risthaus/Manfred Schneider: Archiv des Beispiels. Vorarbeiten und Überlegungen. Zürich/Berlin 2013. 

Pethes, Nicolas/Jens Ruchatz/Stefan Willer (Hg.): Das Beispiel. Epistemologie des Exemplarischen. Berlin 2007.

Schaub, Mirjam: Das Singuläre und das Exemplarische. Zur Logik und Praxis der Beispiele in Philosophie und Ästhetik. Zürich/Berlin 2010. 

Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Forschungsgebiete

Literaturtheorie, Einfache/Kleine Formen (Anekdote, Fabel, Fragment), Nichtfiktionale Literatur allgemein, Ästhetik
Theorie der Komik; Exemplarisches; Beispielforschung; Miniaturnarrativ; Sinnlichkeit; Körper; Lachen

Links

Dateien

Ansprechpartner

Einrichtungen

FernUniversität in Hagen
Institut für Neuere deutsche Literatur- und Medienwissenschaft
Beitrag von: Jessica Güsken
Datum der Veröffentlichung: 15.10.2024
Letzte Änderung: 15.10.2024