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VERLÄNGERUNG: Studientag des Studiengangs Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft zum Thema „Lügen, Fake News, (Un-)Wahrheiten“, Bergische Universität Wuppertal (16.–17.07.2021)

Beginn
16.07.2021
Ende
17.07.2021
Deadline Abstract
10.06.2021
Deadline Beitrag
10.06.2021

„[D]ie Lüge [ist] nur eine von vielen Arten, etwas zu sagen, was in der wirklichen Welt nicht zutrifft.“ (Eco 2019: 227f.) Dieser Aussage Umberto Ecos zufolge besteht eine Vielzahl von Möglichkeiten, jenen Äußerungen, die sich allgemein unter dem Schlagwort ‚Unwahrheit‘ subsumieren lassen, Rechnung zu tragen. Dass die Thematik keinesfalls an Aktualität verloren hat, verdeutlicht die Nachrichtenerstattung der letzten Jahre: Wiederholt kam es zu Plagiatsvorwürfen gegen namhafte Politiker und seit Donald Trumps Twitter-Fehde gegen die US-amerikanischen Medien ist der Begriff ‚Fake News‘ so salonfähig geworden, dass er 2017 sogar Eingang in den Duden fand, bevor er im Zuge der Corona-Pandemie erneut an Aufschwung gewonnen hat. Gesellschaftliche Reaktionen – Rücktrittsforderungen oder die Gründung von Portalen zur Durchführung von Faktenchecks – zeigen, dass das Bestreben zur Wahrheit eng mit moralischen Erwartungen verflochten ist. Und doch scheint der Anspruch an die ‚richtige‘ Darstellung von Sachverhalten zu variieren: Wie kommt es etwa, dass insbesondere journalistische und soziale Medien vermehrt dem Vorwurf der Täuschung ausgesetzt sind, während die Fotomontage als ursprünglich bildende Kunstform des Dadaismus gerade für die künstliche Zusammenführung einst getrennter Elemente wertgeschätzt wurde? In welchen Kontexten sind Unwahrheiten erlaubt oder gar erwünschter als die ungeschönte Wahrheit? Wie kann zwischen Wahr und Falsch unterschieden werden und welchen Status nehmen Texte und Bilder in einer solchen Wertung ein?

Literatur als Kunstform vermag zur Verwischung der Grenzen sowohl zwischen Unwahrheit und Wahrheit als auch zwischen verschiedenen Formen von Unwahrheiten ihren Teil beizutragen. So begegnen Leser*innen seit Beginn der Literaturproduktion nicht nur lügenden Figuren und fragwürdigen Erzähler*innen, sondern auch Werken, in denen die Klassifikation entsprechender Handlungen nicht eindeutig ist. Bereits Platon hat allen Dichter*innen die Verbreitung von Lügen unterstellt. Aber kommt das Verfassen von Literatur wirklich Lügen gleich oder ist „fiktionale Literatur [...] der Lüge prinzipiell unfähig“ (Mecke 2015: o. S.)? Gegenteilig ließen sich in Texten erschaffene Welten auch als Versuch verstehen, reale Gegebenheiten abzubilden und somit eine Täuschung der Rezipient*innen zu bewirken, sodass das Label ‚Simulation‘ nicht allein virtuellen Kontexten vorbehalten bleibt.

Literarische Texte halten uns die vielfältigen Formen der Unwahrheit vor Augen, die wir als Leser*innen mal auf Anhieb als solche erkennen, die uns in anderen Fällen wiederum selbst hinters Licht führen. Sie können uns mit Blick auf eine didaktische Funktion zeigen, welche Konsequenzen die Lüge nach sich zieht oder wie man sie derart geschickt konstruiert, dass eine Enttarnung als Lügner*in im besten Fall sogar gänzlich ausbleibt. Gleichsam hinterfragt Literatur die im Alltag oftmals eindimensionale Bewertung der Lüge als moralisch verwerflich. Erinnert sei etwa an Jurek Beckers Roman Jakob der Lügner, dessen Protagonist für die Bewohner*innen eines jüdischen Ghettos Radionachrichten erfindet, um ihnen Trost zu spenden. Der Skandal um den Spiegel-Autoren Claas Relotius hat hingegen zu der Einsicht geführt, dass besonders das geschriebene Wort der Wahrheit in bestimmten Kontexten treu zu sein hat.

Trotz ihrer Allgegenwärtigkeit sind mit ‚Unwahrheit‘ assoziierte Konzepte wie Lüge, Täuschung oder gar Betrug nicht oder nur teilweise greifbar: Handelt es sich bei jeder falschen Aussage stets um eine Lüge?  Was zeichnet eine glaubhafte Lüge aus und warum werden Notlügen häufig gebilligt? Wo kommt – mit Foucault gesprochen – der ‚Wille zur Wahrheit‘ her und wie unterscheiden wir überhaupt, was wahr und was unwahr ist?

Ziel des AVL-Studientags am 16. und 17. Juli 2021 ist es, sich dem bisher nur teilweise erschlossenen Komplex rund um Lügen, Fake News und (Un-)Wahrheiten auf möglichst vielfältige Weise zu nähern. Dies gilt ebenfalls für Beiträge, welche durch den Rückgriff auf nicht-literarische Medien oder ihre interdisziplinäre Verortung zu einer abwechslungsreichen Sicht auf das Thema beitragen. Die Veranstaltung soll vorrangig Studierenden unabhängig vom jeweiligen Studienfortschritt eine Möglichkeit bieten, sich theoretisch oder konkret-analytisch sowie rhetorisch auszuprobieren. All diejenigen, die sich – zum Beispiel in Form eines Vortrags – an der Ausgestaltung des Programms beteiligen möchten, sind deshalb herzlich eingeladen, bis zum 10. Juni 2021 ein Abstract (max. 350 Wörter) sowie eine Kurzvorstellung ihres bisherigen Studiums an die angegebene Kontaktadresse zu senden. Aus organisatorischen Gründen werden Besucher*innen, die nicht der Bergischen Universität Wuppertal angehören, gebeten, sich spätestens bis zwei Wochen vor der Veranstaltung unverbindlich per Mail anzumelden. Da die Veranstaltung angesichts der Corona-Pandemie gegebenenfalls im Hybrid- oder Online-Format abgehalten werden muss, wird darum gebeten, dass Mitwirkende bereits bei der Einreichung angeben, ob sie Ihren Vortrag bevorzugt in Präsenz oder virtuell halten möchten.

Kontakt zur Einreichung von Beiträgen: Victoria Steffen (Wuppertal), v.steffen@uni-wuppertal.de

Veranstalterin: Prof. Dr. Ursula Kocher (Wuppertal)

Literatur:

Umberto Eco: Auf den Schultern von Riesen. Das Schöne, die Lüge und das Geheimnis. München 2019, S. 227–228.

Jochen Mecke: „Du musst daran glauben. Von der Literatur der Lüge zur Lüge der Literatur“. In: Diegesis IV, 1 (2015). URL: https://www.diegesis.uni-wuppertal.de/index.php/diegesis/article/view/188/255 [Zugriff: 14.02.2021].

Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

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Beitrag von: Ben Sulzbacher
Datum der Veröffentlichung: 10.05.2021
Letzte Änderung: 10.05.2021