CfP/CfA Publikationen

Reduktionismen und Minimalismen in Serie: Zeitgenössische Strategien der Verknappung, Verkürzung, Verdichtung im Medienvergleich

Deadline Abstract
01.06.2025
Deadline Beitrag
30.11.2025

Höher, schneller, teurer: spätestens mit den finanzintensiven Content-Schlachten der Streaming Wars wurde der Exzess zum facettenreichen Leitmotiv moderner Serienkultur ernannt (vgl. Maeder 2021, 11–14). Als »supersize audiovisual narrative« (Bandirali/Terrone 2021, 14) frönt die (nicht-mehr-)televisuelle Serie der darstellerischen Opulenz; verstrickt sich mit Vorliebe in Dynamiken exponierter Fremd- und Selbstüberbietung (vgl. Sudmann 2017). Das Motiv der Steigerung scheint dabei unentwegt mit der Debatte über narrative Wertigkeit vermengt. Wenn Serien als Qualitätsserien gelten wollen, sollten sie lieber Klotzen statt Kleckern – Stichwort: »size matters« (Jahn-Sudmann/Kelleter 2012, 209).

In ihrem Ringen um Distinktion scheuen Serien daher weder Kosten noch Mühen: sie kartographieren hyperdiegetische Erzählwelten im Stile von Westeros und Essos (Game of Thrones, 2011–2019), locken mit riesigen Casts (Orange Is the New Black, 2013–2019), gehen mit unzähligen Spin-Offs aufs Expansionskurs (The Walking Dead, 2010–2022) oder buhlen mit Produktionskosten in Milliardenhöhe um die Gunst des Publikums (Lord of the Rings: The Rings of Power, seit 2022). Wie rezente Studien zu erkennen glauben, scheint dieses Kalkül ebenso für die wissenschaftliche Beschäftigung mit TV-Serien aufzugehen: Analysiert wird vorrangig das, was sich dem Exzess verschreibt (Philipov 2023).

Wurde die Serieninflation des Peak TV oftmals zu einer Phase ungebremster Hochkonjunktur stilisiert, blieb hierbei weitestgehend unbemerkt, dass längst auch eine Gegenbewegung der Verkürzung und Reduzierung in Gang zu sein scheint: »Auf vielen Ebenen wird zurückgefahren, wir sehen Kammerspiel statt große[m] Kino« (Lehmann 2016, 53). Miniserien werden als regelrechte Events zelebriert, versprechen statt ungewisser Laufzeit ein absehbares Ende, in niedrig-budgetierten ›Instant Fiction‹-Serien reduziert sich die Episodenlänge zuweilen auf nur noch wenige Minuten (bspw. Bref, 2011). Angesichts der »streamingbedingten Überfülle«, so das Urteil von Hauptmann, Pabst und Schallenberg (2022, 12), kämen »kleinere, abgeschlossenere Formate […] auf Seiten der Rezeption gerade recht« – ein Grund, weswegen nicht nur das Format der Anthologieserie, sondern auch das short-form scripted serial drama (vgl. Danielpour 2023) in den vergangenen Jahren an Popularität zulegen konnte. Konsumiert werden die genannten Formate dabei nicht mehr zwangsläufig auf dem Fernseher, sondern auch kleinere Screens wie das Smartphone-Display dienen als Spielstätte serieller Inhalte.

Trotz oder gerade Dank der Dominanz exzessiver Gestaltungsweisen wird es Serien dabei erlaubt, sich durch eine »Ästhetik des ›Weniger‹« (Sudmann 2023, 15) von der breiten Masse abzuheben. Minimalismus kennt dabei kein Patenrezept: sei es eine entschleunigte Erzählweise (Rectify, 2013–2016), die Darbietung entdramatisierter Alltäglichkeit (High Maintenance, 2016–2020), eine (vermeintlich) ›plotbefreite‹ Handlung (State of the Union, 2019–2022), eine Low-Budget-Ästhetik (Die Discounter, seit 2021), eine kammerspielartige Dramaturgie (Der Tatortreiniger, 2011–2018) sowie einer damit einhergehende Reduktion von Schauplätzen und Personal (In Treatment, 2008–2010; 2021), einem sterilen Setting (Severance, seit 2022) oder einer Inszenierung in schwarz-weißer Retro-Optik (Ripley, 2024).

Unentdeckt blieb dabei ebenso, dass die Auswüchse des Peak TV bereits durch simultane Reduktionsbewegungen ›abgefedert‹ wurden. Das Wachstumsbestreben des Serienmarktes wurde in erster Linie durch Verkürzungen von Serien ›aufgefangen‹. Konnten sich Zuschauer:innen in der network era mit jeder Staffel noch über 20 bis 24 Episoden ihrer Lieblingsserien freuen, ist die Menge veröffentlichter Folgen je Staffel im Streaming-Zeitalter deutlich zusammengeschrumpft (vgl. Parrot Analytics 2024). Auch hinter der Kamera wurde gekürzt und reduziert, etwa dann, wenn Autor:innenteams zu sogenannten ›mini rooms‹ zusammengespart wurden. Reduktion tritt somit nicht nur als Kontrastfigur, sondern ebenso als Ermöglicher von Exzess in Erscheinung. Ebenjene ›Schattenseiten‹ goldener TV-Zeitalter bleiben jedoch oftmals unbemerkt (vgl. Caldwell 2025).

Hatte Andreas Sudmann (2017, 267) die »systematische Untersuchung einer reduktionistischen Ästhetik im US-Fernsehen« bereits 2017 als drängendes Desiderat der Fernseh(serien)forschung ausgewiesen, sind seit der Veröffentlichung dieser Forderung allenfalls marginale Anstöße zu verzeichnen, ein derartiges Vorhaben tatsächlich zu realisieren (vgl. bspw. Wells-Lassagne/Bataille/Cabaret 2024). 

Aus diesem Grund möchte sich die hier beschriebene Publikation dieser Leerstelle annehmen und sich mit zeitgenössischen Strategien der Verknappung, Verkürzung und Verdichtung (sowie deren Interdependenzen zum Motiv des Exzesses) auseinandersetzen. Ausgehend von der (nicht-mehr-)televisuellen Serien soll der Blick dabei ebenso auf die rezente Aktualisierung tradierter Formen von Short Story und Comic Strip, Miniaturmalerei und Kurzfilm, Sketch und Einakter, gehen wie auf genuine Neuentwicklung von Phänomenen, die sich durch eine dezidierte Social Media-Ästhetik auszeichnen (›Tinder Stories‹, ›Twitter Poetry‹, Instagram Reels, TikTok Videos usw. usf.).

 

Information zur Einreichung von Themenvorschlägen für den geplanten Essayband:

Bevorzugt werden Ideen für Beiträge gesucht, die sich dezidiert mit Minimalismen und Reduktionismen in TV- und Streaming-Serien befassen, jedoch sind Perspektiven auf Photographie, Architektur, Literatur, Musik etc. ebenso willkommen wie medienkomparatistische Untersuchungen. 

Ihren Themenvorschlag (als Abstract von 300 bis 500 Wörtern) sowie eine kurze biographische Information senden Sie bitte per Mail bis zum 1. Juni 2025 an:

eric.dewald@uni-saarland.de

 

Einreichungen von Nachwuchswissenschaftler:innen sind ausdrücklich erwünscht!

Die Auswahl der Beiträge erfolgt bis zum 15. Juni 2025. Die fertigen Beiträge im Umfang von 30.000–45.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) sind bis zum 30. November 2025 einzureichen. Die Publikation des Sammelbandes ist im Rahmen der Buchreihe »Medienkomparatistik« (Nomos Verlag) angedacht.

Wir freuen uns auf Ihren Beitrag!

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Eric Dewald, M.A.

Universität des Saarlandes
Fachrichtung Kunst- und Kulturwissenschaften
66123 Saarbrücken

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eric.dewald@uni-saarland.de

Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Forschungsgebiete

Literatur und Visual Studies/Bildwissenschaften, Literatur und Medienwissenschaften, Intermedialität, Ästhetik, Rhetorik, Literatur des 20. Jahrhunderts, Literatur des 21. Jahrhunderts

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Ansprechpartner

Datum der Veröffentlichung: 11.04.2025
Letzte Änderung: 11.04.2025