CfP/CfA Veranstaltungen

Konstellationen - Wissensansprüche zwischen Kunst, Politik und Philosophie

Beginn
08.04.2021
Ende
10.04.2021
Deadline Abstract
15.02.2021

Im letzten Jahrzehnt haben sich im Bereich der Künste, der Humanities und im politischen Feldunter so verschiedenen Vorzeichen wie der „Bildtheorie“, des „situierten Wissens“, der „epistemischen Praxis“ oder des „Wissens der Künste“ eigene erkenntnistheoretischeAnsprüche entwickelt, die sich grundsätzlich von klassischer propositionaler Erkenntnis unterscheiden. In Opposition zum erkenntnistheoretischen Geltungsanspruch der Philosophie wird Wissen weniger in der Absicherung und Objektivierung von Aussagen als im lebendigen Prozess seiner situativen Verwirklichung verstanden: Ein Wissen, das sich verortet und ins Spiel bringt im performativen Sprechakt, in der künstlerischen Praxis, in der Materialität des Bildes, in der Kultur und im politischen Handeln.

Dabei ist die Frage nach der ästhetischen Form von Philosophie – vom deutschen Idealismus (Schelling, Hegel, etc.), über das konstellative Denken bei Benjamin und Adorno und den Poststrukturalismus – auch zunehmend ins Zentrum der philosophischen Reflexion und Praxis gerückt. Ob philosophische Arbeit als Dialog, Essay, System, Fragment oder Diagramm stattfindet, ist bedeutsam für den Inhalt, der sich in dieser Form äußert. Vor dem Hintergrund feministischer, queerer und postkolonialer Kritik suchen Strömungen wie die Akteur- Netzwerk-Theorie (Latour, Harraway) zunehmend auch die historischen, gesellschaftlichen und biographischen Bedingungen ihres Schreibens mitzuverhandeln. Psychoanalytisch informierte PhilosophInnen (Badiou, Ljubljana-Schule, u.a.), die von der Annahme eines Unbewussten ausgehen,müssen sich hingegen dazu verhalten, dass über den Stil philosophischen Schreibens stets mehr als das Gemeinte ausgesagt wird. Die ästhetische Form der Philosophie, in der die Bedingungen des Schreibens wiederklingen und verarbeitet werden, gilt dabei nicht als nachträgliche Vermittlung von Erkenntnis, sondern als konstitutive Voraussetzung eines philosophischen Erkenntnisanspruchs.

Kunst, Kulturwissenschaften, feministische, queertheoretische und postkoloniale Kritik und Philosophie verbinden dabei auf je eigene Weise die ästhetische Form ihrer Produktion miteinem epistemischen Geltungsanspruch. Die Tagung „Konstellationen. Wissensformen zwischen Kunst, Politik und Philosophie“ möchte diese verschiedenen Selbstverständnissemiteinander in Kontakt bringen, aber auch gegeneinander in einen Wettstreit treten lassen.„Konstellation“ als gleichermaßen epistemischer und ästhetischer Formbegriff soll dabeihelfen, jene historischen, materiellen und performativen Elemente mit in den Blick zu nehmen, die in der logischen Form des Satzes ausgeblendet bleiben. Anders als bei Propositionen entspringen die Regeln, nach denen Begriffe, Bilder und Handlungen zu einer wissensproduktiven Form in Konstellationen zusammentreten, diesem Formationsprozess selbst. Der Konstellationsbegriff erlaubt daher Differenzen und Widersprüche zwischen den verschiedenen Wissensproduktionen vergleichend in den Blick zu nehmen, ohne schon ein gemeinsames Erkenntnismodell vorzugeben.

In der Konfrontation zwischen den verschiedenen Wissensansprüchen lässt sich womöglich ein anderes Selbstverständnis der Philosophie in ihrer Situiertheit andenken, das dem philosophischen Schreiben eine tiefere Verstrickung in die Zusammenhänge ihrer Genese und Wirkung abfordert: Nicht nur als Reflexion auf die Bedingungen ihrer Möglichkeit, sonderndurch die Aneignung dieser Bedingungen im „Durcharbeiten“ ihrer Form. Andererseits könnenDiskurse, die von der radikalen Bedingtheit des Wissens ausgehen, in der Auseinandersetzung

mit der Philosophie klären, wie ihr Wissensverständnis auf eigene, andere Weise die Ansprüche auf Allgemeinheit, Gültigkeit, Rechtfertigung, und Schlussfolgerbarkeit des Wissens einlöst –oder ob es diese Ansprüche anders deutet, oder gezielt zurückweisen möchte. Die stärkere Reflexion auf geltungstheoretische Fragen mag gerade dazu beitragen, nicht in alteDichotomien zu verfallen, bei denen ein „anschauliches Wissen“ der Künste einem „diskursiven Wissen“ in den Wissenschaften, bzw. ein „partikulares Wissen“ derEinzelwissenschaften dem Universalitätsanspruch der Philosophie konkurrenzlos neben- und untergeordnet wird.

Eine Tagung, die sich mit der Bedingtheit von Wissen beschäftigt, muss sich auch mit dem politischen Kontext auseinandersetzen, durch den der Wissensbegriff in der Kunst und den Kulturwissenschaften Bedeutung erlangt hat. Mit der Transformation zur sogenannten "Wissensgesellschaft" geraten die Humanities und die Künste zunehmend unter Druck die eigene Praxis unter dem Begriff des Wissens zu rekonzeptualisieren, um ökonomische Verwertbarkeit zu signalisieren. Sollte man sich daher dem Wissensbegriff widersetzen, oder kann der Wissensbegriff auf eine Weise gebraucht werden, die sich der Verwertungslogik entzieht? Die Auseinandersetzung zwischen den Disziplinen soll dabei helfen, Perspektiven aufzeigen, wie die verschiedenen Wissensbegriffe in unserer Zeit emanzipatorisches Potenzial bewahren oder entwickeln können.

Wir interessieren (u.a.) für Beiträge:

  • -  zur Kunst als Wissensform und epistemischer Praxis

  • -  zum epistemischen Verhältnis von Theorie und Kunst

  • -  zum politischen Kontext des Wissensbegriffs, der “Wissensgesellschaft”, der

”Wissensökonomie”, etc.

  • -  Diagrammatik, Bildtheorie, Theorie der Konstellation (Benjamin, Adorno)

  • -  Situiertes Wissen / Akteur-Netzwerk-Theorie (Latour, Haraway)

  • -  Wissen und die Bedingtheit von Wissen im Kontext feministischer, queerer

    undpostkolonialer Philosophie

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Eckdaten zur Tagung

Veranstaltungsort: Uni Tübingen
Datum: 08.-10.04.2021
Veranstalter: Fachschaft Philosophie
Website: tagungkonstellationen.wordpress.com

Die Tagung ist zusammengesetzt aus Vorträgen, Panels und künstlerischen Beiträgen. Die Panels sind hierbei insbesondere für Diskussion und Austausch gedacht. Eine Reihe von Input- Vorträgen von 25 – 30 Minuten werden in den Panels Impulse für die Diskussion setzen. Im Anschluss an jeden Vortrag sind 10 – 15 Minuten für Fragen eingeplant.

Ausschreibung Call for Papers

Schicken Sie uns ein Abstract von 200-350 Wörtern für einen Input-Vortrag von ca. 25-30 Minuten oder eine Projektbeschreibung für einen künstlerischen Beitrag. Bei Einreichungen für künstlerische Beiträge bitten wir um zusätzliche Informationen (in Form eines Portfolios, Link, o.Ä.), die uns helfen, einen Eindruck von Ihrer Praxis zu gewinnen.

Unterkunft wird übernommen, Fahrt nach Pauschalbeträgen der Uni Tübingen erstattet. Wir bemühen uns um ein Vortragshonorar im dreistelligen Bereich. Ein Tagungsband wird angestrebt.

Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Forschungsgebiete

Poststrukturalismus, Dekonstruktion, Gender Studies/Queer Studies, Postkoloniale Literaturtheorie, Medientheorie, Schriftlichkeit, Interdisziplinarität, Literatur und andere Künste, Literatur und Kulturwissenschaften/Cultural Studies, Literatur und Philosophie, Essay, Ästhetik

Links

Ansprechpartner

Einrichtungen

Universität Tübingen
Philosophisches Seminar
Fachschaft Philosophie
Beitrag von: Moriz Stangl
Datum der Veröffentlichung: 01.02.2021
Letzte Änderung: 01.02.2021