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Dinge – Erzählen – Werte: Neue Ansätze in der literatur-, geschichts- und kulturwissenschaftlichen, museologischen und transdisziplinären Erzählforschung

Beginn
25.06.2025
Ende
27.06.2025
Deadline Abstract
15.11.2024

Dinge erzählen von kulturellen Werten in ganz unterschiedlichen Medien und Formaten: In der Literatur, in Filmen und Serien, bei Stadtrundgängen, in Gedenkstätten und Dokumentationszentren, in den Wissenschaften, und vor allem: im Museum. Hier werden Dinge nicht allein zur Schau gestellt, sondern sie sollen Geschichte und Geschichten erzählen und zum Erzählen anregen. Auch Wissen und Wissenschaft bleiben ohne Dinge und Erzählungen stumm.

Auf der Tagung „Dinge – Erzählen – Werte“ des Research Lab „Materialität und Medialität“ des Leibniz-Forschungsverbunds „Wert der Vergangenheit“ sollen neue Ansätze in der museologischen, literatur-, geschichts- und kulturwissenschaftlichen Erzählforschung diskutiert werden. Dabei geht es insbesondere um die Frage, wie das Erzählen mit und Erzählungen von (materiellen) Dingen zu Wertekonstruktionen beitragen. 

Der Erzählforschung entsprechend soll es auf der Tagung nicht nur darum gehen, was erzählt wird, sondern wieerzählt wird, bzw. wie das Wie und das Was einander beeinflussen. 

Um sich den Erzählungen mit Dingen zu nähern, sollen Ansätze der Narrationsforschung in den Literatur-, Geschichts- und Kulturwissenschaften, in der Wissenschafts- und Wissensgeschichte, in Museen sowie in inter- und transdisziplinären Zusammenhängen in ein Gespräch gebracht werden. Ganz grundsätzlich wird die Narration als eine „Weise der Welterzeugung“ (Nelson Goodman) verstanden. Dabei geht die Tagung zugleich davon aus, dass Museen und Ausstellungen nicht nur „zeigen“, sondern Narrationen zur Wissensgenerierung und Wissensdarstellung nutzen. Das Museum ist in dieser Perspektive sogar als eine „narrative machinery“ (Tony Bennett) bezeichnet worden.

Folgende vier Themenbereiche sollen auf der Tagung adressiert werden:

Von und mit Dingen multimedial erzählen: Krzysztof Pomians Theorie des Semiophors und der zeichenhaften, bedeutungsoffenen Referentialität der Museumsdinge betont die multisensuelle, insbesondere visuell-räumliche Sprache des Museums. Wissensvermittlung ist hier objektbasiert, multimedial und im Raum inszeniert. Der Einsatz unterschiedlicher Medien und Formate ermöglicht ein inter- und transmediales Erzählen, dem die Besucher*innen oft interaktiv begegnen können. Gerade die Darstellung ein und desselben Phänomens in verschiedenen Medien sowie in faktualen und fiktionalen Erzählungen wirft die Frage nach möglichen Unterscheidungen transmedialer und medienspezifischer narrativer Strategien auf. Nicht zuletzt hat dies Auswirkungen auf die Frage, inwiefern Erzählungen über Vergangenheiten und Geschichte in verschiedenen Modi der Aneignung im Museum, der Literatur oder der Historiographie ganz eigenen oder doch miteinander vergleichbaren Logiken folgen. Aufgrund der großen Anzahl von Medien, die in Museen eingesetzt werden, sind sie jedenfalls ein hervorgehobener, aber oft genug übersehener Fall narratologischer Theoriebildung.

  

Storylines – Storytelling – Storyworlds: Bereits das Sammeln selbst kann als ein Erzählen mit Dingen verstanden werden, etwa indem es als eine zusammensetzende und verknüpfende Praxis (Mieke Bal) beschrieben wird. Andere Ansätze gehen davon aus, dass jedem Sammeln als kultureller Praxis eine Erzählung und damit auch implizite Wertvorstellungen vorausgehen: „Collecting presupposes a story“ (James Clifford). Wie also kommen die Sammlungserzählungen mit denen der Ausstellung oder des Marketings zusammen?

Dies leitet in die Frage nach der Konstruktion von Storyworlds (David Herman) im Allgemeinen über, von Storylines und Storytelling im Museum, in der Wissenschaft, in der Wissensvermittlung und in Erzählungen, die das Sammeln verhandeln oder über ihre Form inszenieren: Wird eher von den Dingen aus in ihrer Verknüpfung zu anderen Dingen erzählt, oder werden Ding-Narrative umgekehrt von vorhandenen Ideen oder von vorstrukturierten Geschichtsbildern abgeleitet oder im Wesentlichen auf Problemstellungen der Gegenwart bezogen? 

Wie verhält es sich aber auch mit unsicherem, fragilem Wissen in Ding-Erzählungen? Dies kann einerseits unzureichendes Wissen über Objekte und Objektbestände betreffen, andererseits Aspekte, die zunächst nur hypothetisch erschlossen werden können. Werden solche Lücken in Dingerzählungen in Literatur und Historiographie sowie in Erzählungen im Museum und an anderen Orten der Wissensvermittlung thematisiert, und werden in solchen Fällen Wertvorstellungen besonders deutlich? Und wie verhält sich – auch vor dem Hintergrund „postnarrativistischer“ Ansätze in den Geschichtswissenschaften (Matti Kuukkanen) – die Erzählung und die Storyline zum Argument und zur Hypothese?

  

Raum-Zeit-Konstruktionen: Einer der traditionell wichtigen Aspekte der Erzähltheorie ist die Frage, wie die Erzählung Zeit strukturiert und selbst die Voraussetzung von komplexer Zeitlichkeitserfahrung ist. Der Raum des Ausstellens setzt oft unterschiedliche Zeitebenen simultan, pluritemporal bzw. „chronoreferentiell“ (Achim Landwehr) miteinander in Beziehung. Damit entstehen andere Zeitordnungen als jene, die (idealtypisch) der Linearität des Texts (der Geschichte) zugeschrieben wurden, aber oft genug auch in kulturgeschichtlichen und zeithistorischen Museen zu finden sind. Gefragt werden soll also nach der Skalierung von Zeitdimensionen, nach Unterbrechungen, Entschleunigung und Beschleunigung, nach Zeitdehnung und Verdichtung und insofern nach der Darstellung langer und vergleichsweiser kurzer Zeiträume. Welche Verfahren gibt es in Literatur, Museum und Historiographie, diese unterschiedlichen Temporalitäten in der Beziehung zwischen Ding und Mensch zur Darstellung zu bringen?

Neuere Ansätze der Erzählforschung interessieren sich vermehrt für Möglichkeiten des Erzählens, in denen es weniger um den Fortschritt der Handlung und die Geschichte von menschlichen Akteuren als um die dargestellten ko-existenten Lebenswelten und -räume in ihren jeweiligen Interdependenzen geht. Auch Dinge, Sammlungen und Ausstellungen verweisen auf vielfältige andere Räume. Sie sind, wenn man so will, konkrete Orte und zugleich „pluri-spatial“. Dabei wird der Status des Menschen ungewiss, und das Individuum als Erzählinstanz tendenziell verabschiedet. Lohnt es sich in solchen Zusammenhängen, die von Paul Ricœur eingeführten Begriffe der „Quasi-Figur“, des „Quasi-Ereignisses“ und der „Quasi-Fabel“, die er angesichts der Schule der Annales für die Geschichtsschreibung entwickelte, neu zu denken?

  

Ding-Erzählungen und Werte: Die Tagung fragt nach Werten und Wertvorstellungen, die durch Ding-Erzählungen konstituiert, revidiert und bestätigt werden. Das können den Dingen zugeschriebene „intrinsische“ ebenso wie historisch wandelbare Werte sein. Exemplarisch können vier Wertedimensionen berücksichtigt werden: 1.) Narrative ebenso wie kuratorische Praktiken, die Sachverhalte und Dinge evident machen und kommunikativ plausibilisieren;  2.) Werte, die durch die Erzählung konstituierte, spezifisch räumliche und zeitliche, Dimensionen erhalten; 3.) Formen der Wertschöpfung und Verwertung, durch die (materielle) Werte geschaffen, genutzt und ausgebeutet werden; und 4.) Fragen der Wertverhandlung in Ding-Erzählungen und Präsentationen, die gesellschaftliche Werte erneuern, in Frage und zur Debatte stellen.

Die Tagung ist interdisziplinär. Eingeladen sind Beiträge aus den Literatur-, Geschichts- und Kulturwissenschaften, aus der transdisziplinären Erzählforschung, aus der Museologie, Museumspraxis und Wissensvermittlung, aus der Wissens- und Wissenschaftsgeschichte sowie aus der Archäologie, den empirischen Kulturwissenschaften und anderen historisch arbeitenden Disziplinen. 

Die Vortragsvorschläge mit Vortragstitel und Abstract (300-500 Wörter) für bislang nicht publizierte Beiträge sowie einen kurzen CV senden Sie bitte bis zum 15.11.2024 an Mascha Neumann (mascha.neumann@zzf-potsdam.de). Eine Benachrichtigung über die Annahme des Vorschlags erfolgt bis zum 15.12.2024. Die Konferenzsprache ist Deutsch.Tagungsort ist das Leibniz-Institut für Archäologie, Mainz. Kosten für Reise- und Unterkunft der Referent*innen übernimmt der Leibniz-Forschungsverbund „Wert der Vergangenheit“. Eine Publikation ist geplant.


Veranstalter:innen: 

Eva Axer, Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin
Jana Hawig, DASA Arbeitswelt Ausstellung Dortmund
Antje Kluge-Pinsker, Leibniz-Institut für Archäologie Mainz
Achim Saupe, Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Felix Wiedemann, Einstein Center CHRONOI / Freie Universität Berlin

Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Forschungsgebiete

Literaturtheorie, Erzähltheorie, Interdisziplinarität

Ansprechpartner

Einrichtungen

Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung
Leibniz-Institut für Archäologie, Mainz
Beitrag von: Eva Axer
Datum der Veröffentlichung: 02.10.2024
Letzte Änderung: 02.10.2024