CFP: [Nachwuchs-Workshop] Freiheit der Feder versus Forderung der Moralität – Zum Verhältnis von ästhetischer Autonomie und ethischer Praxis (Frist 14.04.25/ 09.09.25)/ Veranstaltungstermin: 20.10.2025
Veranstaltungstermin: 20.10.2025 (ca. 9-18 Uhr)
Veranstaltungsort/ Organisation: Friedrich-Schiller-Universität Jena
Abgabefrist für Abstracts: 14.04.2025
Abgabefrist für angenommene Aufsätze: 09.09.2025
Kontakt: Laura Bella Theis (✉ laura.bella.theis@uni-jena.de)
Zum Thema:
Das Verhältnis von Kunstautonomie und ethischer Praxis ist seit dem Aufkommen des Konzepts von ästhetischer Autonomie im 18. Jahrhundert ein spannungsreiches gewesen, was viele Kontroversen nach sich zog und noch immer provoziert. In einem Brief an Christian Gottfried Körner vom 25. Dezember 1788 fordert Friedrich Schiller die Freiheit der Kunst von jeglichen externen Zwecksetzungen – und somit auch von der Notwendigkeit, Inhalte darzustellen, die bestimmten Moralitätskriterien gerecht werden – ganz pointiert: „[I]ch bin überzeugt, daß jedes Kunstwerk nur sich selbst d.h. seiner eigenen Schönheitsregel Rechenschaft geben darf, und keiner andern Foderung unterworfen ist.“ Schillers eigenes Projekt einer ,ästhetischen Erziehung‘ von 1795, das allerdings ebendiese radikale Forderung mit einer moralitätsermöglichenden und -fördernden Wirkung der Kunst zusammendenken will, ist in der Forschung immer wieder stark mit der Kritik konfrontiert worden, Unvereinbares vereinen zu wollen. Ist es überhaupt möglich, moralische Anforderungen an die Kunst zu stellen, ohne ihre Autonomie zu gefährden? Muss nachgerade ästhetische Autonomie als notwendige Bedingung dafür angesehen werden, damit die Kunst auf die Rezipierenden moralitätsfördernd einwirken kann? Wo liegen in diesem Zusammenhang die genuinen Möglichkeiten und Grenzen einer Formalästhetik?
Dass Schillers radikale Forderung nach der Freiheit von externen moralischen Anforderungen derzeit wieder an Brisanz gewinnt, zeigen Debatten um die Kanonbildung, wenn z.B. die Frage erörtert wird, ob etablierte Kanones stärker normiert werden sollten. Hier wird im Zuge fortschreitender Sensibilisierung oftmals dafür argumentiert, die Darstellungsmöglichkeiten des Textes sowie seine Verbreitung durch das Kriterium der Inklusion einzuschränken. So wurde zuletzt bspw. Wolfgang Koeppens Nachkriegsroman Tauben im Gras (1951) aufgrund des Vorwurfs, sich rassistischer Sprache zu bedienen, als Lektüre an baden-württembergischen Gymnasien nicht mehr länger empfohlen. Basierend auf solchen Entwicklungen sowie den neuen medialen Möglichkeiten und Hemmnissen der Textproduktion in der Gegenwart ist immer wieder von einem ,postautonomen‘ Zeitalter sowie einer ,postautonomen‘ Kunst die Rede. (Vgl. Jörg Robert, Freiheit der Kunst/ 2024, S. 3f.) Schillers Forderung erscheint also in der Folge anwachsender Sensibilisierung und eines zunehmenden Bedürfnisses nach ,dem moralischen Text‘ diskussionswürdig, gerade weil sie sich erneut als hochgradig umstritten zeigt.
Die zentrale Leitfrage bündelt die obigen und ließe sich so formulieren: Inwiefern hängen ästhetische Autonomie und ethische Praxis letztendlich zusammen und was können wir aus der Entwicklung ihrer wechselseitigen Bestimmung für unseren Umgang mit der Kunst und unser Denken über sie lernen? Diese Frage soll den Ausgangspunkt der Workshop-Diskussion bilden und aus diversen Perspektiven betrachtet, ausgelotet und erörtert werden. Der Workshop gibt vor allem Nachwuchs-Wissenschaftler:innen (qualifizierten Masterstudierenden sowie Doktorand:innen und Postdocs) der Disziplinen Philosophie, Literaturwissenschaft, Komparatistik sowie Kulturwissenschaften die Gelegenheit, gemeinsam Thesen zum Verhältnis von ästhetischer Autonomie und ethischer Praxis anhand eigener Textbeiträge zu formieren, zu diskutieren und zu schärfen. Einschlägige Fragen – die in den eingesendeten Textbeiträgen berührt werden können – ließen sich drei Themenbereichen zuordnen:
1) Fragen bezüglich der Genese von ästhetischer Autonomie, ethischer Praxis und ihrer Wechselwirkung:
➢Inwiefern besteht eine Vereinbarkeit von ästhetischer Autonomie mit einem Anspruch auf Moralität? Wo liegen die Grenzen einer solchen Vereinbarkeit?
➢Wie beeinflussen sich die Genese des Konzepts von ästhetischer Autonomie sowie der Anspruch nach moralitätsfördernder Kunst gegenseitig? Wie verändern sich die Interpretationen dieses Verhältnisses?
➢Wie verhält sich der Verlust/ Gewinn an ästhetischer Autonomie auf Seiten der Produktion zu einem Verlust/ Gewinn an Souveränität des handelnden Subjekts auf Seiten der Rezeption?
➢Welche Rolle spielen politische, gesellschaftliche oder religiöse Normierungen bei der Herausbildung eines bestimmten Konzepts von ästhetischer Autonomie?
2) Werk-, gattungs-, epochen- bzw. autor:innenspezifische Fragen:
➢Wie lässt sich das Spannungsverhältnis von Ethik und Ästhetik innerhalb eines bestimmten Textes/ in Bezug auf eine:n bestimmte:n Autor:in/ innerhalb einer bestimmten Epoche/ Strömung beschreiben?
➢Welche Transformationen und Unterschiede des Konzepts der ästhetischen Autonomie zeigen sich anhand der wechselseitigen Bezugnahme mehrerer Autor:innen untereinander? Inwiefern beeinflusst dies die ethischen Anforderungen an die Kunst, die damit einhergehen?
➢Inwiefern beeinflusst die Gattungswahl das Verhältnis von ästhetischer Autonomie und ethischer Praxis?
➢Welche impliziten und/ oder expliziten programmatischen Bestimmungen zum Verhältnis von ästhetischer Autonomie und ethischer Praxis werden in einem poetologischen Text geteilt? Werden diese Aussagen vom literarischen Schaffen des/ der Autor:in unterlaufen/ gestützt/ veranschaulicht/ etc.?
3) Fragen betreffend die aktuellen Debatten um das Verhältnis von Moralität und Kunstfreiheit:
➢Kann sinnvoll von einer ,postautonomen‘ Gegenwartsästhetik gesprochen werden? Wie verhalten sich literarische Phänomene einer solchen zu einer ,präautonomen‘ Vorzeit? Wie gestalteten sich ethische Ansprüche an die Kunst in Abhängigkeit zu diesem Autonomieverlust bzw. -verzicht?
➢Welche medialen Möglichkeiten künstlerischen Schaffens bedingen einen Autonomieverlust der Kunst? Welche Auswirkungen hat dies bezüglich der ethischen Anforderungen, die an die Kunst gestellt werden?
➢Wie wird in aktuellen Debatten rund um das Verhältnis von Moralität und ästhetischer Autonomie mit konkreten als ,unmoralisch‘/,moralisch‘ bewerteten Inhalten umgegangen? Was lernen wir daraus über unsere Ansprüche an die Kunst, ihre Grenzen sowie ihre gesellschaftliche Rolle?
Wir bitten um Abstracts von 400–700 Wörtern, die das jeweilige Forschungsvorhaben des Textbeitrages skizzieren, bis spätestens zum 14.04.2025. Fügen Sie bitte zudem eine akademische Kurzvita bei. Schicken Sie bitte beides an die zuständige Workshopleiterin Laura Bella Theis (✉ laura.bella.theis@uni-jena.de). Die Anzahl möglicher Teilnehmer:innen ist begrenzt. Über die Annahme der Bewerber:innen entscheidet das Organisationsteam anhand der Abstracts bis spätestens zum 05.05.2025. Die Auswahl der Teilnehmenden richtet sich ausschließlich nach thematischer Einschlägigkeit der eingesendeten Abstracts sowie deren Qualität. Die Zusendung der angenommenen Aufsätze erwarten wir bis zum 09.09.2025. Eingesendete Manuskripte, die zur Diskussion beim Workshop dienen, sollten einen Umfang von ca. 12-20 Seiten nicht überschreiten. Fragen rund um die inhaltliche Passung von Beiträgen, der Organisation u.a. werden gerne jederzeit von der zuständigen Workshopleiterin entgegengenommen.
Der Workshop findet in Jena statt. Die genaue Lokalität wird nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens bekannt gegeben. Anfallende Reise- und Individualkosten können leider nicht erstattet und müssen selbstständig getragen werden. Alle Teilnehmenden sind herzlich dazu eingeladen, den Abend der Veranstaltung gemeinsam in einem Jenaer Restaurant ausklingen zu lassen.
Verwendete Literatur:
Robert, Jörg: Freiheit der Kunst. Genealogie und Kritik der ästhetischen Autonomie, Berlin u. Boston 2024 (Andere Ästhetik 7).