Konferenzen, Tagungen

Liturgische Chöre, politische Kollektive. Interdisziplinäre Perspektiven auf den Chor als affektive Gemeinschaft

Beginn
10.10.2019
Ende
11.10.2020

Konferenz: Liturgische Chöre, politische Kollektive. Interdisziplinäre Perspektiven auf den Chor als affektive Gemeinschaft

Germanistisches Institut, Universität Münster

10.-11. Oktober 2019

Konzept und Organisation: Dr. Julia Bodenburg (juboden@uni-muenster.de)

Die Frage nach Herkunft und Genese des dramatischen und theatralen Chors kann je nach Fachdisziplin unterschiedlich gestellt und entsprechend hergeleitet werden und stiftet verschiedene ‚Ursprungsnarrationen‘. Dabei handelt es sich um nachträgliche Rekonstruktionen, Annäherungen oder Denkfiguren, die den Chor als Reflexionsfigur über die Ermöglichungsbedingungen einer Gemeinschaft, einer ‚ersten‘ Demokratie apostrophieren. Mit dem Verweis auf den Konnex zwischen der groß angelegten Chorkultur im Griechenland des 5. Jh. v. Chr. und seiner Polis-Verfassung öffnet sich der Blick für die rituellen, religiösen Wurzeln des Chors. Diese Perspektive lässt sich erweitern, wenn eine bisher kaum berücksichtigte Linie verfolgt wird: die Liturgie, deren fester Bestandteil der Gesangschor seit der Spätantike ist. Das griechische leitourgía bedeutet ‚Staats-, Dienstleistung’, zu gr. lḗïton ‚Gemeindehaus, Stadthaus’ und gr. érgon ‚Arbeit, Dienst’. Verstanden sowohl als Dienst am Volk als auch des Volks zu Ehren Gottes setzt Liturgie im Kern ein aktives, teilnehmendes Gemeinwesen voraus und gründet bzw. erneuert es gleichermaßen.

Zur Diskussion steht vor diesem skizzierten Hintergrund die Frage, welchen konstitutiven Anteil das spezifisch Chorische an der Stiftung einer communitas hat: In welcher Weise geht das ‚Chorische’ dabei über Figuren des Kollektiven hinaus? Sind ein Chor oder eine chorische Formation in besonderer Weise geeignet, Affekte zu evozieren und zu lenken? Welche kommunikativen Praktiken, medialen Inszenierungen, rhetorischen Strategien, musikalischen Figuren und räumlichen oder institutionellen Dispositionen sind dabei am Werk?

Diese und ähnliche systematische Fragestellungen sind wiederum zu historisieren: Chorische Figuren treten auffällig häufig in solchen Funktionszusammenhängen auf, in denen ein kollektives Subjekt als politischer Akteur imaginiert und inszeniert wird. Welche Wissensordnungen machen sich die identitäts- und gemeinschaftsstiftende Funktion chorischen Auftretens, Singens und Sprechens zunutze? Und inwiefern greifen sie dabei insbesondere auf liturgische Strukturen zurück?

Anliegen der Kurztagung ist es, diesen Aspekten aus den jeweiligen fachwissenschaftlichen Perspektiven auf den Chor Raum zu geben und in der gemeinsamen Diskussion interdisziplinär zu vernetzen.

Programm

Donnerstag, 10. Oktober 2019

14.15 - 14.30 Uhr Begrüßung und Einführung

14.30 - 15.30 Julia Stenzel, Universität Mainz, Theaterwissenschaft: „,Im Volk’. Oberammergaus Chöre zwischen Antike, Mittelalter und Moderne”

15.30 - 16.30 Alexander H. Schwan, FU Berlin, Tanzwissenschaft, „Theologie und Gemeinschaft in der Tanzmoderne“

17 - 18 Susanne Spreckelmeier, Universität Münster, Literatur des Mittelalters, „Der Chor als (des)integrative Formation. Zur Polyfunktionalität des Chorischen im geistlichen Spiel“

18 - 19 Antonia Egel, Universität Salzburg, Neuere deutsche Literatur, „Chöre zwischen Liturgie und Drama. Über Johann Sebastian Bach”

Freitag, 11. Oktober 2019

9 - 10 Stefan Donath, FU Berlin, Theaterwissenschaft, „Das politische Potenzial des Chorischen - Zum schmalen Grat zwischen affektiver Resonanz und Überwältigung”

10 - 11 Sebastian Bolz, LMU München, Musikwissenschaft, „Erste Gemeinschaften und singende Selbstdarsteller. Bemerkungen zum liturgischen Chor auf der Opernbühne“

11 - 12 Dietmar Klenke, Universität Paderborn, Geschichtswissenschaft, „Männerchöre als kirchenferner Träger nationalreligiöser Festliturgie”

13.00 - 14.00 Evelyn Annuß, Universität f. Musik u. darstellende Künste Wien, Theaterwissenschaft/Gender Studies, „Abschied von der Liturgie. Zum Formwandel des Chorischen“

14.00 - 15.00 Julia Bodenburg, Universität Münster, Neuere deutsche Literatur, „Rote Fahnen, ‚Leuchtemai‘. Zum Verhältnis von Liturgie und Politik in Sprechchorwerken der 1920er Jahre”

15.00 - 15.30 Abschlussdiskussion

Gefördert aus Mitteln des Fritz Thyssen-Forschungsprojekts „Transformationen des Chors. Zur Neubewertung einer ambivalenten dramatis persona“. Freundliche Unterstützung durch das Germanistische Institut der Universität Münster. Kontakt: juboden@uni-muenster.de

Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Forschungsgebiete

Interdisziplinarität, Literatur und andere Künste, Literatur und Kulturwissenschaften/Cultural Studies
Chor ; Gemeinschaft ; Liturgie ; Politik ; Theaterwissenschaften

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Ansprechpartner

Einrichtungen

Westfälische Wilhelms-Universität Münster (WWU)
Germanistisches Institut
Datum der Veröffentlichung: 27.09.2019
Letzte Änderung: 27.09.2019