Ich-Schreiben / Ander(s)-Schreiben. Bilder der Erinnerung. Studientag über Christa Wolf, Rom
Der Studientag, der anlässlich von Christa Wolf zehnten Todesjahres veranstaltet wird, möchte eine Tradition der Germanistik an der Universität Sapienza fortführen, die in der Vergangenheit umfangreiche Studien der Literatur und Kultur der DDR gewidmet hat. Gleichzeitig sollen neue Perspektive auf das Werk der Schriftstellerin gelegt werden, mit besonderer Berücksichtigung der zeitgenössischen Literatur und Kultur sowie des Schreibenakts, verstanden einerseits als autobiographisches Schreiben, andererseits als ein "anderes" Schreiben bzw. ein alternatives, untergründiges und undeutliches Schreiben, das "latente" oder noch nicht festgelegte Identitäten offenbaren kann.
Christa Wolfs Werk kann aus unterschiedlichen Gesichtspunkten gedeutet werden, die nur teilweise mit der Frauenliteratur der DDR und mit der Wende zusammenhängen. Vielmehr gehört ihr Schreiben einem Prozessen der Wiedererlangung des kulturellen, historischen und persönlichen Gedächtnisses. Dieser Prozess schreitet auf der einen Seite diachronisch fort, indem er die grundlegenden Etappen der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs, des Verlustes einer Heimat nach der Neubildung der geopolitischen Landkarte Osteuropas, bis hin zum Versuch, den Realsozialismus aufzubauen und zur Enttäuschung über das Scheitern dieses Projekts durchgeht. Auf der anderen Seite beteiligt sich Christa Wolfs Werk an der Definition von der sowohl persönlichen als auch kulturellen Identität durch die Wiedererlangung und Umschreibung des klassischen Textes und der Bilder der griechischen Mythologie, um den historischen Raum in einer mythischen und archaischen Zeitlichkeit zu erweitern. Vor allem in den Romanen Cassandra und Medea lässt sich das Nachleben antiker Motive feststellen, die – in einem warburghianischen Sinne – ihr Wert neu definieren und sich durch den Kontakt mit dem "anderen" bzw. mit der Geschichte und der Alltäglichkeit polarisieren. Dieses Prozess kann zur Umwertung der ursprünglichen Bedeutung des Mythos bringen, die zum Beispiel in der Ablehnung bei Christa Wolf des Bildes von Medea als Kindermörderin deutlich wird.
Brennpunkt des Studientags ist daher die Beziehung des "Ich" mit den Bildern des "Anderen" bzw. des "Fremden" aus folgenden vier Gesichtspunkten zu untersuchen:
- Bilder der Erinnerung / Bilder der Antike
- Christa Wolf übersetzen / Christa Wolf in Italien
- Schreiben nach Christa Wolf
- Literatur und Politik
- Fremde Identitäten / Fremde Körper
Der erste Teil des Studientages wird dem Gedächtnis und der Übersetzung gewidmet, mit einem Beitrag von Anita Raja, Übersetzerin von Christa Wolfs Werke für den Verlag e/o. Der zweite Teil, der mit einem Beitrag von der (ost-)deutschen Schriftstellerin Annett Gröschner, literarischer Erbin von Christa Wolf, geöffnet wird, widmet sich dem Verhältnis von Christa Wolfs Werk zu der politischen Aktualität, welche im Sinne der gesellschaftlichen und Identitätsveränderungen seit 1989 verstanden werden kann.
Kontakt: daniela.padularosa@uniroma1.it
Website: https://letteratura-tedesca.wixsite.com/sapienza
Dienstag, den 9. November 2021
Sapienza Università di Roma – Dipartimento SEAI
AULA T01, Marco Polo
Via Circonvallazione Tiburtina 4
Online: https://uniroma1.zoom.us/j/83257112932?pwd=T3Vhc1RtYTliQnB6SWsxR3hpZGdRdz09
Programm
9.30-9.40
Grußwort
9.40-10.20
BILDER DER ERINNERUNG / BILDER DER ANTIKE
Moderator: Gabriele Guerra
Antonella Gargano, Tracce mnestiche
Daniela Padularosa, Il palazzo di Cnosso. Christa Wolf e il mito
10.20-10.50
Diskussion
10.50-11.20
Pause
11.20-11.40
CHRISTA WOLF ÜBERSETZEN / CHRISTA WOLF IN ITALIEN
Moderator: Daniela Padularosa
Gaia D'Elia, Christa Wolf e Rossana Rossanda a confronto: Se la felicità?
11.40-12.00
Diskussion
12.00-12.40
Anita Raja
La parola inadeguata: accogliere Christa Wolf in italiano
12.40-13.20
Diskussion - mit Camilla Miglio
13.20-14.30 Pause
14.30-15.10
SCHREIBEN NACH CHRISTA WOLF
Annett Gröschner
Von Christa Wolf träumen
15.10-15.50
Diskussion - mit Daniela Padularosa
15.50-16.30
LITERATUR UND POLITIK
Moderator: Giulia Iannucci
Gabriele Guerra, Una "memoria a responsabilità limitata"? Kindheitsmuster di Christa Wolf e l'elaborazione del passato
Massimo Palma, Zoologia della stasis. Il tempo della lupa in Christa Wolf
16.30-17.00
Diskussion
17.00-17.20
Pause
17.20-18.00
FREMDE IDENTITÄTEN / FREMDE KÖRPER
Moderator: Massimo Palma
Stefania De Lucia, Je est un autre. Scrivere come esercizio di straniamento
Giulia Iannucci, La catabasi di Christa Wolf. Malattia e trasmutazione
18.00-18.30
Diskussion
18.30 Schlusswort und Ende des Studientags