Who is in charge here? Konzeptionen von Natur, Kultur und Agency angesichts der ökologischen Krise
Wissenschaftliche Tagung: 3. - 4. April 2025, Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder
Die ökologische Krise hat weitreichende Auswirkungen und manifestiert sich in vielfältiger Weise. Deutlich wird das auch an den Kontroversen und Debatten, die sie entfacht: Noch immer gibt es Stimmen, die die prognostizierten Folgen des Klimawandels verharmlosen oder den Einfluss des menschlichen Handelns auf das Klima relativieren bzw. vollständig abstreiten. Andere sind hingegen fest davon überzeugt, dass die Folgen des Klimawandels verheerend sein werden und dass die Ursachen (und Lösungen) hierbei allein im menschlichen Handeln zu suchen sind.
Seit den Nullerjahren wird versucht, mit dem Begriff des Anthropozäns den maßgeblichen Einfluss des Menschen auf erdgeschichtliche Prozesse abzubilden. Da für die ökologische Krise aber nicht der Mensch per se verantwortlich gemacht werden kann, gerät insbesondere das Wirtschaftssystem in den Blick. Der Tradition eines historischen Materialismus folgend, konkretisiert der Begriff des Kapitalozäns die ökologische Krise daher als eine unmittelbare Folge der auf Wachstum basierenden kapitalistischen Ökonomie. Hieran schließen sich neben Kritiken an Fortschrittsnarrativen auch Konzepte wie Postwachstum bzw. Degrowth an. Dabei ist diesen Überlegungen gemeinsam, dass sie den Menschen als handlungsfähiges Subjekt ins Zentrum rücken. Dichotom dazu werden die Natur und alle nicht-menschlichen Entitäten dann allerdings als passive Objekte angenommen, für die der Mensch Verantwortung trägt. Somit folgen auch sie implizit dem Topos der Moderne, der die Natur als etwas figuriert, das aufgrund seiner Passivität potenziell unter menschlicher Kontrolle steht.
Als „Neue Materialismen“ werden verschiedene heterogene Ansätze bezeichnet, die hierzu in Opposition treten, indem sie auch dem Nicht-Menschlichen Agency zusprechen. Dabei werden Gegenüberstellungen wie die von Natur und Kultur oder Subjekt und Objekt tendenziell aufzulösen versucht. An die Stelle einer Einteilung, die klar in aktive und passive Entitäten unterscheidet, tritt die Vorstellung eines netzwerkartigen Verwoben-Seins aller existierenden Wesen. Den „Neuen Materialismen“ zufolge stehen Menschen und Nicht-Menschliches in Relation zueinander. Sie wirken wechselseitig aufeinander ein und bringen immer nur gemeinsam neue Sachverhalte hervor.
Die unterschiedlichen Sicht- und Handlungsweisen verweisen auf die thematische Komplexität und auf Konflikte, die die Gesellschaft aktuell mit Blick auf sich selbst und die Zukunft ihrer Umwelt prägt. Im Rahmen der Tagung wollen wir daher verschiedene materialistische Diskurse in den Blick nehmen und ihre Konzeptionen von Natur, Kultur und Agency diskutieren. Dabei soll es sowohl um deren Potenziale als auch um mögliche Schwierigkeiten in Hinblick auf ihre Praktikabilität angesichts der ökologischen Krise gehen. Was könnten derartige Konzeptionen diesbezüglich zum Wandel beitragen und was vielleicht nicht? Welche Rolle spielt bei alledem die Art und Weise ihrer Vermittlung sowie ihrer künstlerischen oder medialen Darstellung? Ziel der Tagung soll es sein, einen Beitrag zur Zusammenführung von Theorie und Praxis zu leisten.
Der Call for Papers richtet sich an alle, die sich mit philosophischen, kulturtheoretischen, medienwissenschaftlichen, soziologischen oder anderen geisteswissenschaftlichen Konzeptionen von Natur, Gesellschaft, Kultur und/oder (menschlicher bzw. nicht-menschlicher) Agency auseinandersetzen und diese mit Blick auf die ökologische Krise zu perspektivieren suchen. Wir freuen uns insbesondere über Einreichungen von Nachwuchswissenschaftler*innen. Die Tagung zielt auf einen fächerübergreifenden Austausch und die Möglichkeit zur interdisziplinären Vernetzung ab. Darüber hinaus wird angestrebt, die Konferenzbeiträge anschließend in einem Tagungsband zu veröffentlichen.
Wir freuen uns über Beiträge z.B. aus folgenden Bereichen/Themenfeldern:
- Philosophie
- Sozialökologie & Politische Ökologie
- Medien-, Film-, Literaturwissenschaften und Kulturtheorie
- Ecocriticism
- Wissenschafts- und Techniksoziologie
- Perspektiven/Begriffe/Strategien/Methoden historischer und/oder neuer Materialismen angesichts der ökologischen Krise
- Konzeptionen, Narrative & Normative rund um Natur, Mensch, Kultur, Ökologie
- Potenziale & Probleme ökologischer Transformationen unter der Prämisse menschlicher bzw. nicht-menschlicher Agency
- Darstellbarkeit nicht-menschlicher Agency in den Künsten und Medien
- Post-/Transhumanismus
Für einen Vortrag reichen Sie bitte ein Abstract von max. 500 Wörtern ein. Die Abstracts können in den Sprachen Deutsch und Englisch eingereicht werden. Die Vorträge können ebenfalls in den genannten Sprachen gehalten werden. Für jeden Vortrag sind 25 Minuten Redezeit und 15 Minuten Diskussion eingeplant. Die Einreichung der Themenvorschläge erbitten wir per Mail bis zum 27.12.2024 an materialismen_konf@web.de.
Über die Annahme der Themenvorschläge informieren wir bis zum 12. Januar 2025. Die Kosten für Unterkunft und Anreise werden übernommen. Für Rückfragen stehen wir gerne per E-Mail zur Verfügung.