„Kleine“ Literaturen in der großen Welt: Weltweite Rezeption von lettischer und litauischer Literatur durch Übersetzungen
In der europäischen Literaturlandschaft sind Lettland und Litauen längst keine Unbekannten mehr. Eine Sammlung osteuropäischer Lyrik würde heute nicht mehr den Titel "Auf der Karte Europas ein Fleck" tragen, wie dies im Jahr 1991 der Fall war. Zu dieser Zeit war die baltische Literatur im Westen kaum bekannt und die Herausgabe von übersetzten schöngeistigen Texten aus Lettland und Litauen gestaltete sich bei ausländischen Verlagen äußerst schwierig. Nach der Restitution der baltischen Republiken führten insbesondere deren Gastlandauftritte auf internationalen Buchmessen zu einem verstärkten Interesse an lettischer und litauischer Belletristik im westlichen Ausland. Darüber hinaus wurde seitens Litauens und Lettlands allein in den vergangenen drei Jahrzehnten die Übersetzung von jeweils knapp 600 Werken ihrer Literaturen in über 40 Sprachen gefördert.
Die Literaturübersetzung kann als vielsichtiges Phänomen bezeichnet werden, welches über die reine Informationsvermittlung hinausgeht. Sie trägt zum interkulturellen Dialog bei und wirkt sich zudem auf die Wahrnehmung fremder Literatur und Kultur im Land der Zielsprache aus. In den vergangenen Jahren rückten Lettland und Litauen vermehrt in den Horizont der deutschen Leserschaft, indem wiederholt Übersetzungen mit Preisen und Listungen geehrt wurden. So wurde 2021 Saskia Drudes Übersetzung aus dem Litauischen von Jurga Vilės „Sibiro Haiku“ mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet, und Nicole Naus Übersetzung des Romans „Das Bett mit dem goldenen Bein: Legende einer Familie“, der aus der Feder von Zigmunds Skujiņš stammt, wurde für den Preis der Leipziger Buchmesse 2023 nominiert. Mehrmals ernannte das ehrenamtlich betriebene Internetmagazin für übersetzte Literatur „Tralalit“ zudem Übersetzungen baltischer Werke zu Übersetzungen des Monats, und im Germersheimer Übersetzerlexikon werden vermehrt Personen porträtiert, die aus dem Lettischen und Litauischen übersetzen. Die zunehmende Präsenz der baltischen Literatur in Übersetzungen lässt sich auch in anderen Ländern beobachten.
Angesichts der wachsenden internationalen Bekanntheit der litauischen und lettischen Literaturen stellt sich die ihrem Wesen nach literatursoziologische Frage, auf welche Art und Weise die Übersetzungen baltischer Literatur gegenwärtig nicht nur im akademischen Kontext, sondern insbesondere auch außerhalb von Fachkreisen rezipiert werden. Lässt sich aus der Rezeption der übersetzten Werke darüber hinaus ableiten, dass dadurch ein besseres Verständnis der baltischen Kulturen gefördert wird? Das Institut für Baltistik bietet ein Forum für anregende Diskussionen und begrüßt Beiträge aus den Bereichen der Literaturwissenschaft und Translatologie ebenso wie interdisziplinäre und praxisorientierte Vorträge, die sich mit der lettischen und litauischen Literatur in Übersetzung in beliebigen Zielsprachen befassen. Insbesondere freuen wir uns auf Beiträge zu folgenden Themen:
· Rezeptionsgeschichte der lettischen und litauischen Literaturen außerhalb ihrer Entstehungsländer,
· Bedeutung der Zielsprache für das lettische und litauische Nationbranding und das Verständnis von Litauen und Lettland im Ausland,
· Übersetzung von lettischen und litauischen Werke aus der Zeit vor und nach 1990: ein Kontinuum?
· Die meistübersetzten lettischen und litauischen Werke versus „die Must-do-Liste des fairen Übersetzers“,
· Wie wird die baltische Literatur übersetzt: „tonbewahrend“ (Herder) oder eher „technisch“?
· Die Rolle der literarischen Übersetzung bei der Bildung von Stereotypen über Litauer und Letten,
· Möglichkeiten und Grenzen qualitativer Rezeptionsforschung an Übersetzungen aus „kleinen“ Literaturen.
Für die Präsentationen ist ein Zeitrahmen von 20 Minuten für den Vortrag und 10 Minuten für die Diskussion vorgesehen. Bitte senden Sie Ihre Beitragsvorschläge zu den genannten oder anderen thematisch einschlägigen Aspekten in einer Länge von maximal einer DIN-A4-Seite sowie einen kurzen Lebenslauf (maximal 1000 Zeichen) mit Angabe Ihrer aktuellen Tätigkeit, Postanschrift und E-Mail-Adresse bis zum 24. November 2024 an alina.baravykaite @ uni-greifswald.de.
Es ist vorgesehen, die Beiträge (ggf. mit Präsentationen) im digitalen Repositorium der Universität Greifswald zu veröffentlichen. Unter Vorbehalt der Finanzierung wird eine Pauschale für die Anreise- und Hotelkosten gezahlt.