Einzelprojekte

Parasiten. Literatur- und wissensgeschichtliche Untersuchungen zu einer Mensch-Tier-Figuration im langen 19. Jahrhundert

Beginn der Förderung
01.01.2021

Das Projekt untersucht die Literatur- und Wissensgeschichte der Parasiten vom ausgehenden 18. bis zum beginnenden 20. Jahrhundert. Heuristisch unterscheidet es dabei zwei Phasen: eine ‚organologische‘ Phase, in welcher der Parasitismus als die Relation zweier Lebewesen konzipiert wird; und eine ‚ökologische‘ Phase, in der Parasiten als Mitbewohner natürlicher Umwelten gedacht werden. Grundlage der Untersuchung ist ein integratives Korpus, das sich gleichermaßen aus literarischen wie naturwissenschaftlichen Texten zusammensetzt. Methodisch-theoretischer Rahmen des Projekts sind die Science and Literature Studies im Allgemeinen, die Cultural and Literary Animal Studies im Besonderen. Diese methodisch-theoretische Rahmung ermöglicht einen neuen Blick auf das Material, der über die bisher vorliegende Forschung zu diesem Feld substantiell hinausgeht. Denn, so soll gezeigt werden, der Parasit ist nicht nur ein kulturtheoretischer Topos, nicht nur ein literarisches Motiv; der literarische Parasit ist nicht nur das bloße Echo des wissenschaftlichen Parasiten, nicht nur eine einfache Metapher für soziale Phänomene. Vielmehr ist der Parasit – betrachtet man ihn in seiner literatur- und wissensgeschichtlichen Figuration – gerade der Ort, an dem sich Voraussetzungen, Möglichkeitsbedingungen, Begleiterscheinungen und Effekte dieser gängigen Zuschreibungen untersuchen lassen. Aus dieser Perspektive kann zunächst einmal die ‚organologische‘ Begründungsgeschichte der Parasitologie als wissenschaftlicher Disziplin im frühen 19. Jahrhundert und deren zunehmende ‚Ökologisierung‘ im Verlauf des Jahrhunderts neu und anders erzählt werden. Dies ist indes nur ein Nebeneffekt des Projekts. Im Zentrum stehen die Verschränkungen, Wechselbeziehungen und fortgesetzten Reflexionen zwischen den Textsorten (Literatur/Wissenschaft) und Denkmodellen (organologisch/ökologisch) sowie die sich ergebenden literaturtheoretischen (Metaphorologie, Erzählverfahren, usw.) und tiertheoretischen (Companion Species, Agency, usw.) Implikationen. Entfaltet wird dies auf fünf exemplarischen Feldern, die zugleich die sich im Untersuchungszeitraum sukzessive verschiebenden Schwerpunkte abbilden: erstens „Läuse und Flöhe“ als traditionsreiche Begründungstiere der wissenschaftlichen Parasitologie; zweitens die den Menschen bewohnenden „Innentiere“ als Herausforderung der Sicht- und Erzählbarkeit; drittens die „Pflanzenparasiten des Menschen“, z.B. Mykosen, als Übergang ins ökologische Denken; viertens die in der zweiten Jahrhunderthälfte in ihren sozialen Dimension und ihrer raumordnenden Kraft thematisierten „Blutsauger“ Wanze und Egel; und fünftens schließlich, unter Einschluss postkolonialistischer Perspektiven, der Zusammenhang von „Infektion und Tropen“.Eine internationale Tagung im dritten Jahr des Antragszeitraums wird die historische Perspektive des Projekts mit aktuellen und systematischen Debatten um die Figur des Parasiten verbinden.

Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Forschungsgebiete

Literaturgeschichtsschreibung (Geschichte; Theorie), Postkoloniale Literaturtheorie, Erzähltheorie, Rhetorische Figuren (Allegorie, Symbol, Metapher), Stoffe, Motive, Thematologie, Literatur des 18. Jahrhunderts, Literatur des 19. Jahrhunderts, Literatur des 20. Jahrhunderts
Wissensgeschichte, Science and Literature Studies, Cultural and Literary Animal Studies, Parasiten

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Norbert-Wollheim-Platz 1
60323 Frankfurt am Main
Deutschland
Datum der Veröffentlichung: 01.10.2021
Letzte Änderung: 01.10.2021