Einzelprojekte

Der Ausbau des Jiddischen zur Nationalsprache der sowjetischen Juden (1918–1941)

Beginn der Förderung
01.01.2021
Ende der Förderung
31.12.2023

Das Phänomen ‚sowjetisches Jiddisch‘ als Nationalsprache der Juden in der Sowjetunion wurde bis heute wenig erforscht. Einige Jahre nach der Oktoberrevolution 1917 wurde dem Jiddischen als der Sprache der jüdischen ‚nationalen Minderheit‘ der offizielle Status einer Nationalsprache zuerkannt – ein einmaliges Ereignis in der Geschichte dieser Sprache, die noch im frühen 20. Jahrhundert als ‚Jargon‘ stigmatisiert war. Die Sowjetunion blieb, wenn auch nur für kurze Zeit, das einzige Land, in dem die Ansprüche der jiddischen Sprachaktivisten in Erfüllung gingen.Der nun erforderliche Ausbau des Jiddischen war vom Spannungsfeld zwischen der Sprachplanung im Rahmen der sowjetischen Nationalitätenpolitik und den Projekten jiddischer Kuturschaffender jenseits der sowjetischen Grenze geprägt. Auf den regen linguistischen Diskurs, der sich in der sowjetisch-jiddischen Presse bereits zu Beginn der 20er Jahre entfaltete, folgte wenige Jahre später die Gründung akademischer Zeitschriften. Ab 1930 erschienen in Moskau einige der bedeutendsten Werke jiddischer Grammatik. Diese transnationale Phänomene des Sprach- und Kulturprojekts wurden von Zeitgenossen unter dem bis heute diffus gebliebenen Begriff ‚sowjetisches Jiddisch‘ zusammengefasst. Im Fokus unserer geplanten Studien steht die genaue Untersuchung dieses Begriffs anhand folgender Fragestellungen:1. Wie wurde das Konzept ‚Nationalsprache‘ in unterschiedlichen aschkenasischen Kulturentwürfen seit dem frühen 20. Jahrhundert aufgefasst? Welche Kontinuitäten und Diskrepanzen gab es zwischen den Deutungsmustern im sowjetischen Raum und jenseits der sowjetischen Grenzen?2. Welche Kulturtransferprozesse bestimmten den sprachwissenschaftlichen Diskurs? Wer waren die Akteure? Welche travelling concepts waren von grundlegender Bedeutung?3. Inwiefern entsprach die Praxis dem jeweils entworfenen Sprachkonzept? Wie wurden die Konzepte im Verlauf ihrer Implementierung und Vermittlung transformiert?4. Welche Rolle spielte der Ausbauprozess des Jiddischen für die Konsolidierung der jüdischen ‚nationalen Minderheit‘ im Sinn einer imagined community?Ziel des Projekts ist die kulturhistorische Rekonstruktion des sprachwissenschaftlichen Diskurses anhand seiner Spuren in der zeitgenössischen jiddischen und russischen Presse und in persönlichen Archiven sowie den sprachwissenschaftlichen Veröffentlichungen. Zentral für alle Fragestellungen ist der interdisziplinäre kulturwissenschaftlicher Ansatz. Unter Einbeziehung komparatistischer Verfahren soll eine differenzierte Darstellung des transkulturellen Phänomens ‚sowjetisches Jiddisch‘ mitsamt den Divergenzen zwischen den Selbstbildern der sowjetisch-jiddischen Kulturschaffenden und der Rezeption ihrer Handlungen in den jiddischen Kulturräumen außerhalb der Sowjetunion geleistet werden. Der hier erstmalig auf die Leitkategorie Sprache gerichtete Fokus eröffnet eine neue Perspektive für die Erschließung des sowjetisch-jiddischen Raums.

Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Forschungsgebiete

Osteuropäische Literatur (Baltikum, Russland, Ukraine), Interdisziplinarität

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Ansprechpartner

Einrichtungen

Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Institut für Jüdische Studien

Adressen

Universitätsstr. 1
40225 Düsseldorf
Deutschland
Datum der Veröffentlichung: 14.05.2021
Letzte Änderung: 14.05.2021