Das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Studie richtet sich auf den Nexus zwischen individueller Erinnerung und nationalen Geschichtsbildern in seiner Ausgestaltung durch das literarische Genre der indoenglischen novel of Partition. Diese Gattung fungiert, so die Ausgangsthese, als ein Medium der fiktionalen Repräsentation von Erinnerung an die Teilung Indiens im Jahr 1947. Dabei zeigt sich das doppelte Leistungsvermögen dieser Texte, erstens individuelle Traumata in einer fiktionalen Welt zu inszenieren, und zweitens die offiziellen Geschichtsbilder im kollektiven Gedächtnis der Staaten Indien und Pakistan kritisch zu unterlaufen. Diese Funktionalisierung der Romane reflektiert die doppelte ‚Amnesie’, welcher die Partition of India in der außerliterarischen Erinnerungskultur unterliegt: die Unterdrückung der persönlichen Erinnerungen an Gewalt und Verlust, besonders denen von Frauen, und die Zensur der Komplexität des Teilungsvorgangs in den offiziellen Geschichtsbildern. Zur Verifizierung dieser These werden drei Romane zeitgenössischer Autorinnen zur Analyse herangezogen: Clear Light of Day (1980) von Anita Desai, Cracking India (1991) von Bapsi Sidhwa und What the Body Remembers (1999) von Shauna Singh Baldwin. Die Untersuchung der drei novels of Partition zeigt, dass sie erstens durch imaginativ erzeugte Erinnerungen an die traumatischen Ereignisse marginalisierten Figuren – Frauen, Mittellosen, religiösen Minderheiten - im fiktionalen Raum eine Stimme verleihen, und zweitens eine historiographische Korrektiv- und Komplementärfunktion einnehmen, welche den Homogenisierungstendenzen der offiziellen Geschichtsbider entgegenläuft.
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