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Frühe Schreibweisen der Shoah. Wissens- und Textpraktiken von jüdischen Überlebenden in Europa 1942–1965 (PREMEC)

Das Projekt widmet sich den Wissens- und Textpraktiken fünf jüdischer Autoren, die zwischen 1942 und 1965 besondere Schreibweisen über die Shoah ausbildeten. Mit Joseph Wulf, Michal Borwicz, Nachman Blumental und Noé Grüss stehen vier Autoren im Mittelpunkt des Projekts, die der polnischen Jüdischen Historischen Kommission angehörten und später nach Frankreich bzw. Deutschland emigrierten. Ergänzt wird diese Reihe durch den aus der Tschechoslowakei stammenden H. G. Adler, der 1947 nach England emigrierte. In Gefangenschaft und auf der Flucht forschten sie über den Genozid (einschließlich Dokument- und Zeugnissammlungen) und entwickelten dabei verschiedene Schreibweisen (literarische, testimoniale und wissenschaftliche in unterschiedlichen Gattungen und Genres), wodurch sie neue Wissensformen hervorbrachten. Diese zeichnen sich hauptsächlich durch ihre Interdisziplinarität und ein Oszillieren zwischen einem objektivierenden und einem subjektivierenden Gestus aus. Die so entstandenen Werke vermengen dabei mitunter den Standpunkt des Forschers mit dem des Schriftstellers und/oder des Zeugen.
Bisher wurden diese Autoren bestimmten Wissensfeldern (teils der Geschichte, teils der Literatur) zugeordnet. Im Gegensatz dazu nimmt das Projekt den vielgestaltigen Charakter ihrer Praktiken in den Blick. Dabei richtet sich das Erkenntnisinteresse auf die Frage, wie das ausgearbeitete Wissen und die eingesetzten Schreibweisen die gewöhnlichen Trennungen zwischen den Gattungen, Genres und Disziplinen unterlaufen oder transzendieren. Dabei soll der Hypothese nachgegangen werden, dass es eine diesen Werken immanente Dimension gibt, die sich aus dem Einfluss der ›Katastrophe‹ auf das Wissen über den Menschen ergibt.

  • der Vergegenwärtigung eines bisher marginalisierten Textkorpus, das vor der durch den Eichmann-Prozess 1961 eingeläuteten ›Ära des Zeugen‹ entstanden ist;
  • der Herausarbeitung einer für dieses Korpus geltenden innovativen Wissenskultur, deren Praktiken in ihren kulturellen und politischen Kontext einzubetten sind;
  • der Verknüpfung von Historiographie und Theorie, von Ansätzen der Geschichtsschreibung und der Sozialwissenschaften mit den besonderen Wissensformationen, die die Literatur und das Zeugnis bereithalten.

Der Zielsetzung liegt ein interdisziplinärer Ansatz zugrunde, der Geschichtswissenschaft mit Literaturwissenschaft und insbesondere eine französische ›Geschichte der Schriften‹ (histoire des écrits) mit der deutschen Kulturwissenschaft zusammenbringt.

Das PREMEC-Projekt erfolgt in deutsch-französischer Kooperation. Es treten dabei Historiker und Literaturwissenschaftler der beiden Sprachräume in Dialog, um so eine deutsch-französische Dynamik in die europäische Erforschung der Shoah zu bringen.
Leiterin des Projekts ist Aurélia Kalisky (ZfL). Unterstützt wird sie von Nicolas Berg (Simon-Dubnow-Institut), Elisabeth Gallas (Simon-Dubnow-Institut) und Katrin Stoll (Zentrum für Antisemitismusforschung, TU Berlin).
Die Hauptkooperationspartner in Frankreich sind Judith Lyon-Caen (EHESS / GRIHL / CRH) sowie Malena Chinski (EHESS / GRIHL / CRH).
Auf französischer Seite sind zudem Audrey Kichelewski (Universität Straßburg) und Anna Saignes (Universität Grenoble) tätig.

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Fields of research

Literary historiography, Literature and cultural studies, Literature of the 20th century
Shoah ; Textpraktiken ; Wissenspraktiken

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Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin (ZfL)
Zentrum für Antisemitismusforschung

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»Sprachhandeln«. Reflexionen über die deutsche Sprache nach dem Holocaust

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Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin (ZfL)
Date of publication: 17.05.2019
Last edited: 17.05.2019