Lecture series

Poetikvorlesungen in Cork: Das Un:gehörte, un:gehörig Un:erhörte im mehrkulturellen Schreiben / The un:heard, unsee:mly un:heard-of writing more cultures

Beginning
13.04.2021
End
14.04.2021

Poetikvorlesungen in Cork / Cork Poetry Lectures

Barbara Siller im Gespräch mit Dragica Rajčić Holzner, Kurt Lanthaler und José F. A. Oliver[1]

13. und 14. April, 16-18 Uhr (Irish time), auf zoom

Für die Teilnahme an den Vorlesungen melden Sie sich bitte bei barbara.siller@ucc.ie an. Der zoom-Link wird Ihnen rechtzeitig zugeschickt.

 

Die Kultur- und Literaturwissenschaften unterstreichen häufig das Potenzial der Mehrsprachigkeit für das literarische Schreiben. Mehrsprachigkeit eröffne “einen Wechsel der Perspektiven” (Kilchmann), mache unübliche Betrachtungsweisen möglich, fördere schöpferische Wortspiele, indem mehrsprachige AutorInnen den Vorteil haben, Metaphern und idiomatische Redewendungen von einer Sprache in eine andere über:setzen und Sprache ins Offene einer Mehrkulturalität gestalten zu können; kurzum, das Schreiben aus einem mehrsprachigen Selbstverständnis heraus bedeutet (quasi automatisch und notwendigerweise) einen kulturellen Mehrwert im Sinne einer sprach- und sprechoffenen Präsenz.

Im deutschsprachigen Kontext ist beispielsweise die Rede von einem – “durch das Ineinanderblenden verschiedener Sprachen” – Fremdschreiben der deutschen Sprache, das sich über das Sich-Einschreiben in die Sprache entfalte und zu deren „F:ortschreiben“[2] führe, die als “Vervielfachung, aber auch als örtliche “Verrückung” (Ette 2007) verstanden wird, worauf die Schreibung des Wortes explizit verweist. Nicht weit davon entfernt taucht dann der Begriff ‘Weltliteratur’ auf, der sich auf jene Literatur bezieht, die sich über ihre Ausgangskultur hinaus entwickelt, entweder durch die verwendete Sprache im Original oder durch die Übersetzung (Damrosch).

Was die Literaturwissenschaften und langsam vermehrt auch die LeserInnen als ein poetisches Potenzial erachten, bedeutet für mehrsprachige AutorInnen allerdings nicht selten eine Herausforderung in vielerlei Hinsicht. Die Poetikvorlesungen in Cork zum Thema Das Un:gehörte, un:gehörig Un:erhörte im mehrkulturellen Schreiben setzen sich zum Ziel, diese literarischen Herausforderungen innerhalb des deutschsprachigen Kontexts zur Sprache zu bringen.

Zum einen widmet sich die Diskussion Aspekten der literarischen Produktion mit dem Fokus auf der Materialität sowie der Oralität der Texte. Texte von mehrsprachigen AutorInnen zeichnen sich oft dadurch aus, dass sie eine verstärkte Auseinandersetzung mit dem mehrkulturellen Wortmaterial reflektieren. Neologismen, Metaphern in Übersetzung, ungewohnte syntaktische Verbindungen finden dadurch Eingang in die deutsche Sprache.  Nicht selten spielt der Aspekt des Hörens eine wesentliche Rolle: Wortklänge, Betonungen, Intonationen und sprachliche Rhythmen werden von mehrsprachigen AutorInnen oft besonders intensiv wahrgenommen und dementsprechend in Texten hörbar und sichtbar gemacht. Diese werden von LeserInnen und ÜbersetzerInnen nicht immer ausreichend wahrgenommen und nicht selten überhört. Die jeweiligen „W:andersprachen“[3] schreiben immer mit. Überdies sind die Texte oft multimodal ausgerichtet, indem sie Zeichen und Symbole aus mehreren Sprachsystemen verwenden. Dadurch generieren sie zusätzliche Bedeutungen und konstruieren komplexe Textstrukturen.

Zum anderen bezieht sich der Aspekt des un:gehörig Un:erhörten auf die Rezeption. Mehrsprachige AutorInnen begegnen häufig, vor allem in der Lyrik, national-bürgerlichen Hindernissen, wenn es um die Kontextualisierung, Veröffentlichung und Anerkennung  ihrer Texte geht. Dies zeigt sich etwa in bestimmten Bezeichnungen und Kategorien, welche die Literaturwissenschaften und der Literaturbetrieb verwenden, in Preisvergaben, in der Zuteilung von Literaturstipendien, in der geringeren Anzahl an Verlagen, die Texten von mehrsprachigen AutorInnen Raum geben, nicht zuletzt aber auch im vielfachen Ausschluss der Texte vom klassischen deutschsprachigen Kanon. Damit verbunden ist die prekäre Situation vieler mehrsprachigen AutorInnen, die völlig im Gegensatz zum vielgepriesenen Potential der mehrsprachigen Literatur steht.

 

Erwähnte Literatur:

Damrosch, David: What is World Literature? University Press, Princeton 2003.

Ette, Ottmar: ZwischenWeltenSchreiben. Literatur ohne festen Wohnsitz. Kulturverlag Kadmos, Berlin 2005.

Ette, Ottmar: Über die Brücke Unter den Linden. Emine Sevgi Özdamar, Yoko Tawada und die translinguale Fortschreibung deutschsprachiger Literatur. In: Exophonie. Anders-Sprachigkeit (in) der Literatur. Susan Arndt, Dirk Naguschewski, Robert Stockhammer (Hrsg.). Kulturverlag Kadmos, Berlin 2007, 165-194.

Kilchmann, Esther: Von der Erfahrung zum Experiment: Literarische Mehrsprachigkeit 2000-2015. In: Gegenwart schreiben. Zur deutschsprachigen Literatur 2000-2015. Ulrike Vedder, Corina Caduff (Hrsg.). Wilhelm Fink Verlag, Paderborn 2017, 177-186.

 

[1] Dragica Rajčić Holzner, José F. A. Oliver und Kurt Lanthaler haben sich am Konzept dieser Poetikvorlesungen inhaltlich beteiligt.

[2] Frei nach dem ‚oliverschen Doppelpunkt‘ in W:orte.

[3] Wortschöpfung José F.A. Oliver.

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Fields of research

Multilingualism studies / Interlinguality, Literature and cultural studies, Poetics

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University College Cork (UCC)
Date of publication: 09.04.2021
Last edited: 09.04.2021