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Auftreten und Eingreifen. Medien öffentlicher Rede nach Heine

Beginning
06.07.2018
End
06.07.2018

„Kraft meiner akademischen Befugniß als Doktor beider Rechte, erkläre ich feyerlichst, daß eine solche, von ungetreuen Mandatarien ausgefertigte Urkunde null und nichtig ist; Kraft meiner Pflicht als Bürger protestiere ich gegen alle Folgerungen, welche die Bundestagsbeschlüsse vom 28sten Juni aus dieser nichtigen Urkunde geschöpft haben; Kraft meiner Machtvollkommenheit als öffentlicher Sprecher, erhebe ich gegen die Verteidiger dieser Urkunde meine Anklage, und klage sie an des gemißbrauchten Volksvertrauens, ich klage sie an der beleidigten Volksmajestät, ich klage sie an des Hochverrats am deutschen Volke, ich klage sie an!“ (Heine, Französische Zustände)

Als Intellektueller, als Bürger und als Subjekt öffentlicher Rede führt Heinrich Heine mit diesen Worten Klage im Namen des Volkes. Es ist nur einer von vielen Auftritten, in denen Heine sich, wie gut 60 Jahre später Émile Zola mit den Worten „j’accuse“, als eingreifender Autor und Intellektueller inszeniert und verantwortet. Gerade er, der das „Ende der Kunstperiode“ ausgerufen hatte, bedient sich öffentlicher Medien und lässt sie innerhalb des literarischen Feldes produktiv werden.

Bemerkenswert ist Heines Verachtung für eine verständigungsorientierte Konversationskultur, die sich in literarischen Salons und Kaffeehäusern als den paradigmatischen Schauplätzen einer im Entstehen begriffenen bürgerlichen Öffentlichkeit etabliert hatte. Sein Rückgriff auf den offenen Brief, den Korrespondentenbericht und die Liedform, die polemische Schmähschrift, Anekdote und Karikatur geht mit dem demonstrativen Interesse für populäre Formate öffentlicher Rede einher, die Heines Versuche heute zu ungeahnter Aktualität verhelfen.

Das Vorhaben dieser Tagung ist es von daher, Heines Schreibpraxis als Urszene einer populären Streitkultur zu begreifen. Mit der Frage nach Medien öffentlicher Rede, die den Publikumseffekt als Publikumsaffekt adressieren, wird die Tagung unterschiedliche Positionen konturieren. Diese reichen von der philologischen Praxis nationalistischer Intellektueller bis hin zum Entwurf proletarischer Öffentlichkeit in Zeitschriftenprojekten des Vormärz; sie reichen von der interventionistischen Inszenierung einer weiblichen Gegenöffentlichkeit bei Else Lasker-Schüler bis hin zur engagierten Literatur des Intellektuellen Jean Paul Sartre und finden ihre aktuellste Ausprägung in den Auftritten in sozialen Netzwerken.

Datum: 06. Juli 2018, 10:00-18:30 Uhr

Ort: Blue Square, Kortumstr. 90, 44787 Bochum, 5. Stock

Programm:

Begrüßung und Einleitung durch Dorothea Walzer (Ruhr-Universität Bochum)

Moderation: Gesa Frömming (Freie Universität Berlin)

10:00-10:30 Juliane Rebentisch (Hochschule für Gestaltung Offenbach): Die Performanz der Potentialität. Auftreten in sozialen Netzwerken

Kaffeepause

11-11:30 Jakob Norberg (Duke University): Der Philologenkönig: Über den nationalistischen Intellektuellen

11:30-12:00 Luca Basso (Università di Padova): Engagiertes Schreiben und die Rolle des Intellektuellen bei Jean-Paul Sartre

12:00-13:00 Diskussion

Mittagspause

Moderation: Roman Widder (Humboldt-Universität zu Berlin)

15:00-15:30 Dorothea Walzer (Ruhr-Universität Bochum): Streit als Programm: Heinrich Heines internationalistische Öffentlichkeit

15:30-16:00 Patrick Eiden-Offe (ZfL, Berlin): Vom Leser zum Mit-Arbeiter. Proletarische Öffentlichkeit in Zeitschriften des Vormärz

Kaffeepause

17:00-17:30 Andrea Krauss (New York University): Aufräumen: Else Lasker-Schülers szenische Interventionen

17:30-18:30 Abschlussdiskussion

Source of description: Information from the provider

Fields of research

Media studies, Themes, motifs, thematology
Heinrich Heine

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Institutions

Ruhr-Universität Bochum (RUB)
Date of publication: 12.12.2018
Last edited: 03.01.2019