„Ach, die Wahrheit.“ Theodor Fontane und das Erbe der Aufklärung (Symposion zum 200. Geburtstag Theodor Fontanes)
„Ach, die Wahrheit.“ Theodor Fontane und das Erbe der Aufklärung.
Symposion zum 200. Geburtstag des Dichters, 12. und 13. April 2019, Leipzig, Bibliotheca Albertina
In seinen Romanen beschreibt Theodor Fontane eine Gesellschaft, die durchdrungen ist von einem Gefühl der Unsicherheit angesichts der wechselseitigen Relativierung konkurrierender ethischer und religiöser Orientierungsangebote. Viele seiner Figuren, und nicht nur der alte Stechlin, sind dazu übergegangen, hinter alles ein Fragezeichen zu setzen, denn unanfechtbare Wahrheiten scheint es nicht mehr zu geben; alles ist nur „Abkommen auf Zeit, Alles jeweiliger Majoritätsbeschluß; Moral, Dogma oder Geschmack, Alles schwankt“. In dieser Krisensituation scheint das große Projekt der europäischen Aufklärung, das Streben nach einer vernunftgeleiteten Einrichtung der menschlichen Verhältnisse, zum Erliegen gekommen zu sein. Die Anerkennung der zeitlichen und sozialen Bedingtheit aller Wahrheiten entzieht der Vorstellung einer durch Kritik, Dialog und Erziehung schrittweise sich entfaltenden Vernunftordnung den Boden. Das Vertrauen in die Tragfähigkeit und relative Berechtigung bestehender Normsysteme lässt alle Versuche überflüssig erscheinen, die jeweiligen Geltungsansprüche kritisch zu hinterfragen. Aber ist diese fundamentale Aufklärungsskepsis tatsächlich in Fontanes Texten zu spüren? Oder weiß er im Gegenteil das Erbe der Aufklärung produktiv zu nutzen, etwa in der Kritik an dogmatischer Versteifung, in der Ablehnung von Absolutheitsansprüchen und in der Kultivierung der dialogischen Praxis? Das Symposion widmet sich den komplexen und mitunter verschlungenen Bezügen zwischen Fontanes Werk und dem Zeitalter der europäischen Aufklärung. Dieses bisher nur unzureichend aufgearbeitete Beziehungsgeflecht soll vor einem breiten Hintergrund und unter Berücksichtigung inner- wie außerliterarischer Faktoren durchleuchtet werden.
TAGUNGSORT: Vortragssaal in der Bibliotheca Albertina, Beethovenstr. 6, 04107 Leipzig.
TAGUNGSPROGRAMM:
Freitag, 12. April 2019
13:30 Uhr: Begrüßung und Einführung
Matthias Grüne, Jana Kittelmann
Sektion I
Moderation Matthias Grüne
14:00 Uhr: Hubertus Fischer (Leibniz Universität Hannover)
„...und spielt sich trotzdem auf Aufklärung und Liberalismus aus“ – Philosophisch-Politisches bei Fontane
14:45 Uhr: Christian Helmreich (MLU Halle-Wittenberg)
„Comme philosophe“? Fortschrittsgedanke und
Fortschrittsskepsis in Fontanes späten Romanen
15:30 Uhr: Kaffeepause
Sektion II
Moderation Martin Dönike
16:00 Uhr: Dirk Oschmann (Universität Leipzig)
Freiheit bei Fontane
16:45 Uhr: Leonhard Herrmann (Universität Leipzig)
„‚Freiheit‘, wiederholte Botho“ Das Trauerspiel des Bürgertums bei Lessing und Fontane
17:30 Kaffeepause
Abendvortrag
18:00 Uhr: Roland Berbig (Humboldt-Universität zu Berlin)
Fontane - Aufklärer, Erklärer, Verklärer?
20:00 Uhr: Gemeinsames Abendessen
Samstag, 13. April 2019
Sektion III
Moderation Mike Rottmann
9:15 Uhr: Monika Ritzer (Universität Leipzig)
Wahrheit oder Wahrnehmung? Positionen der
Erkenntniskritik in Naturwissenschaft und Philosophie (1860–1890) und die Modifikationen realistischen Schreibens bei Fontane, Meyer und Raabe
10:00 Uhr: Anett Lütteken (Universität Bern)
„Und möchten wir von der entkirchlichten Zeit /
Auch nicht das Gute missen...“ – Glaubensdinge des 18. und 19. Jahrhunderts im Werk Theodor Fontanes
10:45 Kaffeepause
Sektion IV
Moderation Christian Helmreich
11:15 Uhr: Jana Kittelmann (MLU Halle-Wittenberg)
Geselligkeitskonzepte bei Fontane
12:00 Uhr: Sophia Wege (MLU Halle-Wittenberg)
Das Maß der Dinge. Zur Funktion der
Homöopathie in „Unwiederbringlich“
12:45 Uhr: Mittagsimbiss
Sektion V
Moderation Aleksandra Ambrozy
14:00Uhr: Iwan-Michelangelo D’Aprile (Universität Potsdam)
Autodidaxe und populäre Medien bei Fontane
14:45 Uhr: Carmen Aus der Au (Universität Zürich)
Die Kunstbeschreibung Fontanes im Vergleich mit der Kunstbeschreibung der Aufklärung
15:30 Uhr: Mike Rottmann (MLU Halle-Wittenberg)
Aufklärendes Lesen? – Zur jüdischen Rezeption Fontanes
16:15 Uhr: Abschlussdiskussion
Abendveranstaltung
18:00 Uhr: Zwischen den Zeiten. Fontane im Gespräch mit der Aufklärung.
Szenische Lesung von Studierenden der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Ort: Weinbar Schwalbennest, Moritzbastei, Kurt-Masur-Platz 1, 04109 Leipzig
Tagungsgebühr: 45 € (35 € für Mitglieder der Theodor Fontane Gesellschaft), Studierende frei
Anmeldung bis 5. April 2019: jana.kittelmann@izea.uni-halle.de
Konzeption und Organisation: Dr. Matthias Grüne (Universität Leipzig / Universität Wuppertal), Dr. Jana Kittelmann (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) in Kooperation mit der Theodor Fontane Gesellschaft e.V.