Dissertation
Author: Chiara Sartor

Anstaltstexte / Sprachkunstwerke. Zur Schreib-, Sammlungs- und Rezeptionsgeschichte der écrits bruts

Im Zentrum des Projekts stehen Schriften aus der Kunstsammlung Collection de l’Art Brut: Briefe und andere Aufzeichnungen, die überwiegend während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von Anstaltsinsass:innen und Psychiatriepatient:innen in Frankreich, der französischsprachigen Schweiz und Belgien verfasst wurden und seit 1978 unter dem Begriff écrits bruts firmieren. Aufgrund ihrer experimentellen Schreibweisen und originellen Schrift-Bild-Kombinationen verblieben diese Texte nicht in den Krankenakten ihrer Verfasser:innen, sondern wurden ab 1945 – teilweise über den Umweg der Privatsammlungen interessierter Psychiater – von dem französischen Künstler Jean Dubuffet für seine Sammlung akquiriert. Sie gelangten als auratische Manuskripte auf Ausstellungswände, in transkribierter Form auf Buchseiten und wurden für die Bühne adaptiert. Mit der Aufnahme in die Collection de l’Art Brut vollzog sich ein fundamentaler Statuswechsel: Aus Patient:innentexten wurden Sprachkunstwerke. Diese Geschichte verfolgt das Projekt in drei Schritten: von den vielfältigen Anstalts-Schreib-Szenen, die die Schriften selbst entwerfen, über die Verfahren des Sammelns, Ordnens, Transkribierens, Edierens, Kompilierens und Kommentierens, die zwischen Avantgarde und Antipsychiatrie zur Profilierung der Gattung écrits bruts führten, bis hin zu rezenten Ausstellungen und Bühnenbearbeitungen.

 

Institutions

Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für deutsche Literatur, DFG-Graduiertenkolleg 2190 "Literatur- und Wissensgeschichte kleiner Formen"

Fields of research

French literature, Textual criticism, editing, codicology, Writtenness, Literature and other forms of art, Literature and psychoanalysis/psychology, Literature of the 20th century
Submitted by: Chiara Sartor
Date of publication: 10.03.2023
Last edited: 10.03.2023