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XV. IVG-Kongress 2025: Sektion »Erzählen von Liminalität« (Graz)

Beginning
20.07.2025
End
27.07.2025
Abstract submission deadline
30.11.2022

CfP »Erzählen von Liminalität«

XV. IVG-Kongress (20.–27.07.2025, Graz)

 

Sektionsleitung:

Prof. Dr. Kristin Bührig (Universität Hamburg, kristin.buehrig@uni-hamburg.de)

Dr. Linda Karlsson Hammarfelt (Universität Göteborg, linda.karlsson.hammarfelt@sprak.gu.se)

Prof. Dr. Gertrud K. Reershemius (Aston University, Birmingham, g.k.reershemius@aston.ac.uk)

Dr. Jara Schmidt (Universität Hamburg, jara.schmidt@uni-hamburg.de)

 

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts befinden wir uns inmitten zahlreicher globaler Krisen und den damit verbundenen Umbrüchen, Unsicherheit und Schwellenzuständen. Nicht nur Kriege und Fluchtbewegungen schaffen Liminalität, auch die anhaltende Klimakrise und die Corona-Pandemie versetzen uns in einen Zustand, in dem Alltägliches infrage gestellt wird und der Verlauf unserer Zukunft auf der Schwelle steht: Wie ist von hier aus weiterzugehen? Von welchen Gewohnheiten, welchen sozialen Ordnungen müssen wir uns lösen, um möglichst hoffnungsvoll auf das zu blicken, was kommt? Welche Übergangsriten und Prinzipien entwickeln wir?

Mit Blick auf die beispielhaft aufgeführten Fragen erscheint unsere Gegenwart als ein Zustand des Liminalen, in dessen Rahmen Übergänge wesentlich sind. Arnold van Gennep widmet sich Letzteren bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts und unterteilt in Les rites de passage (1909) Übergangsriten in die Trennungs-, Schwellen- und Angliederungsphase. In Rekurs auf van Gennep widmet sich der Ethnologe Victor W. Turner in seinen in den 1960er-Jahren publizierten Schriften der Liminalität, die er der mittleren, der Schwellenphase, zuordnet. Dieser ambivalente Zustand des Liminalen dient der Neuformierung vor der (Wieder-)Angliederung nach vollzogenem Übergang. Doch was passiert, wenn man im Zustand der Liminalität gefangen bleibt, weil ein Ankommen verhindert wird? Wie wird ein solches Dasein etwa in Fluchtnarrativen inszeniert oder von tatsächlich Geflüchteten geschildert? Und was passiert, wenn Orte ihre Funktion verlieren und so zu liminalen Räumen werden? Beispielsweise wenn das Zuhause durch eine Naturkatastrophe oder kriegerische Handlungen unbewohnbar wird oder wenn es die Funktionen der Zuflucht und des Heimkommens verliert, weil es im Lockdown und in der Zwangsisolation zum Käfig wird, der einen vom sozialen Umfeld trennt.

Gemäß Turner kennzeichnen liminale Räume jedoch nicht nur Krisen, sie sind auch Räume der Veränderung und Innovation, die ganz neue Möglichkeiten eröffnen. Dem liminalen Zustand und/oder Raum kommt auch ein schöpferisches wie transformatives Potenzial zu, da anstelle einer in Ränge gegliederten Sozialstruktur die Communitas, ein hierarchiefreies Miteinander, tritt, das u. a. einen Statuswechsel ermöglicht. Turner unterscheidet ferner zwischen liminalen und liminoiden Phänomenen, denn während erstere ein unabwendbarer Teil von Gesellschaften sind, lassen letztere sich als freiwillige Ausbrüche aus begrenzenden sozialen Strukturen fassen. Inwiefern schildern gegenwärtige fiktionale, biografische sowie autofiktive Erzählungen auch solch selbstgewählte liminoide Bewegungen und Zustände? Und lässt sich die Idee der liminalen/liminoiden Mehrdeutigkeit auch mit einem Mehrheimisch-Sein zusammenführen? Anknüpfend etwa an den Begriff der Transtopie, mit dem der Soziologe Erol Yıldız im Kontext postmigrantischer Identitätsaushandlungen Zwischenräume fasst, die sich – an Homi K. Bhabhas Konzept des third space erinnernd – gleichzeitig aus Herkunfts- und Ankunftsräumen zusammensetzen und dabei eine innovative Kraft entfalten.

In einem transdisziplinären Bestreben, linguistische und literaturwissenschaftliche Analysen zu vereinen, widmet die Sektion sich dem Erzählen von Liminalität und den damit verbundenen Ambivalenzen, Unsicherheiten, Herausforderungen, aber auch Chancen. Erwünscht sind daher sowohl literaturwissenschaftliche als auch linguistische Beiträge, z. B. zu den folgenden Themen und Feldern:

  • ästhetische Verfahren des Liminalen
  • ›typische‹ (bspw. ambivalente und/oder marginalisierte) Figuren und ihre Positionierungen
  • Kreationen liminaler Motivik
  • literarische und mediale (Neu‑)Verhandlungen sozialer (Un-)Ordnungen und transformativer Zustände
  • Gender als transitorischer, fluider, uneindeutiger Zustand
  • Fluchtnarrative, (postmigrantische) Autosoziobiografien
  • Schilderungen zur Bewältigung von Krankheit und Unsicherheit
  • Reflexionen zu Konflikt- und Gewalterfahrungen
  • korpusbasierte, gesprächs-, text- und soziolinguistische Untersuchungen
  • Interviews, Reportagen, Blogs

Bitte senden Sie Ihr Abstract (max. 300 Wörter) und eine Kurzbiografie bis zum 30.11.2022 an: jara.schmidt@uni-hamburg.de 

 

Literatur:

Bhabha, Homi K.: Die Verortung der Kultur. Tübingen: Stauffenberg 2007.

Gennep, Arnold van: Übergangsriten. Les rites de passage. Aus dem Französischen von Klaus Schomburg und Sylvia M. Schomburg-Scherff. 3., erweiterte Auflage. Frankfurt / New York: Campus 2005.

Turner, Victor W.: »Liminalität und Communitas«. In: Andréa Belliger / David J. Krieger (Hrsg.): Ritualtheorien. Ein einführendes Handbuch. 3. Auflage. Wiesbaden: Springer VS 2006, S. 249–260.

Yıldız, Erol: »Vom methodologischen Nationalismus zu postmigrantischen Visionen«. In: Marc Hill / ders. (Hrsg.): Postmigrantische Visionen. Erfahrungen – Ideen – Reflexionen. Bielefeld: transcript 2018, S. 43–62.

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Literature from Germany, Austria, Switzerland, Narratology, Interdisciplinarity, Literature and sociology, Aesthetics, Themes, motifs, thematology
Liminalität

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XV. IVG-Kongress 2025
Date of publication: 12.09.2022
Last edited: 12.09.2022