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Widerläufige Erinnerung(en). Deutschsprachige Gedächtnisliteratur im Spiegel der aktuellen Debatten – XVIII. Internationaler Kongress der Goethe-Gesellschaft in Spanien, Madrid

Beginning
16.11.2023
End
18.11.2023
Abstract submission deadline
31.05.2023

XVIII. Internationaler Kongress der Goethe-Gesellschaft in Spanien

Widerläufige Erinnerung(en). Deutschsprachige Gedächtnisliteratur im Spiegel der aktuellen Debatten

Universidad de Alcalá (Madrid)

 16. – 18. November 2023

In den letzten Jahren hat im deutschen Sprachraum eine neue Dynamik in die geschichtspolitischen Debatten Einzug gehalten, die als „Historikerstreit 2.0“ bezeichnet wird und zu einem ebensolchen Paradigmenwechsel führen kann, wie es infolge des Historikerstreits der 1980er Jahre der Fall war. Aus einer postkolonialen Perspektive wird die Singularität des Holocaust hinterfragt und versucht, ihn in den Rahmen der Verbrechen des Kolonialismus und anderer historischer Genozide zu stellen. Die bislang ausführlichste Auseinandersetzung mit diesem Thema stellt Michael Rothbergs mit einiger Verspätung ins Deutsche übersetzte Studie Multidirektionale Erinnerung dar, in der der Autor das „Holocaustgedenken im Zeitalter der Dekolonialisierung“ analysiert und die „ineinander verschränkten Archive von Genozid und Kolonialismus“ beschreibt.

Diese erstaunlich heftig geführte Debatte ist eine Fortsetzung der gedächtnispolitischen Diskussionen im deutschen Sprachraum, die im sozialen, akademischen und politischen Feld seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ausgetragen werden. Sie zeigt erneut die Komplexität und intrinsische Anfälligkeit für Widersprüche jedes Gedächtnisdiskurses, da kollektive und individuelle Ausformungen von Gedächtnis meist nur schwer auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen sind. Gedächtnis bzw. Erinnerung sind Voraussetzung für die Herausbildung von gesellschaftlicher und individueller ebenso wie von nationaler und transnationaler Identität und beinhalten aufgrund ihrer Divergenz große soziale und politische Sprengkraft.  Dies kommt etwa im 2014 geprägten Begriff der Entangled Memory zum Ausdruck, der versucht, das Gedächtnis nicht als eindimensionale, sozial (vor)gegebene Instanz, sondern als verschlungenes In- und Gegeneinander verschiedener Gedächtnisstränge darzustellen.

Literatur ist bekanntlich eines der wichtigsten Medien, um Erinnerungsnarrative zu begründen und zu bewahren. Daher stellt sich einerseits die Frage, welche Werke es in der deutschsprachigen Gegenwartskultur gibt, die diese widerläufigen Formen des Gedächtnisses reflektieren und Gestalt werden lassen. Zugleich ist auch zu untersuchen, ob Ansätze dieser Deutungsmuster bereits in Werken aus anderen Jahrhunderten zu finden sind, sei es, dass sie kolonialistische Themen aufgreifen oder sich mit der Erinnerung an gewalttätige historische Ereignisse auseinandersetzen. Andererseits kann man auch auf der Textebene selbst untersuchen, wie Werke auf der Basis widerläufiger Erinnerungen konstruiert werden. Die Ergebnisse können dabei sehr unterschiedlich sein und reichen von klassischen Texten bis hin zu Werken der Gegenwartsliteratur, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mehr oder weniger explizit mit diesen widerläufigen Erinnerungen auseinandersetzen.

Im Mittelpunkt des XVIII. Kongresses der Goethe-Gesellschaft in Spanien, der vom 16. bis 18. November 2023 an der Universidad de Alcalá (Madrid) stattfinden wird, sollen daher deutsch-sprachige Texte – und in Verbindung damit auch Filme oder Kunstwerke – stehen, die widerläufige Erinnerungen zum Inhalt haben. Sie können Themenkomplexe wie Krieg, Holocaust, Diktaturerfahrungen, Kolonialismus, erzwungene Migration oder Exil verarbeiten, aber auch aus einer individuellen Perspektive widersprüchliche Erinnerungsstrategien abhandeln.

Bedacht werden können Aspekte wie:

- multidirektionale, verschlungene oder widerläufige Erinnerung in literarischen Texten

- Geschichtsschreibung und (trans)nationale Erinnerungskultur in literarischen Werken

- Rekreation historischer Figuren durch widerläufige Erinnerungen

- Auseinandersetzung mit dem „Historikerstreit“ und „Historikerstreit 2.0“ in literarischen Texten

- Rezeption deutschsprachiger Gedächtnisliteratur in anderen Kulturkreisen

- Thematisierung narrativer Widersprüche in Literatur, Film und Kunst

- literarische Konstruktionsformen widerläufiger Erinnerungen

- narrative Widersprüche und Identitätskonstruktion

- unzuverlässiges Erzählen, der Widerspruch in sich

- Autofiktion zwischen Wahrheitsanspruch und Erfindung.

Gregor Feindt, Félix Krawatzek, Daniela Mehler, Friedemann Pestel, Rieke Trimçev: Entangled Memory: toward a third wave in memory studies. In: History and Theory 53 (Februar 2014), S. 24-44.

Michael Rothberg: Multidirectional Memory: Remembering the Holocaust in the Age of Decolonization. Redwood City: Stanford University Press 2009 (deutsche Fassung: Multidirektionale Erinnerung. Holocaustgedenken im Zeitalter der Dekolonisierung. Berlin: Metropol 2021).

Interessenten können ihre Vorschläge in Form eines Abstracts (max. 250 Wörter) sowie einen kurzen Lebenslauf bis zum 31. Mai 2023 per E-Mail an die Kongress-Adresse sge.alcala2023@gmail.com schicken. Eine Mitteilung über die Annahme der Vorschläge erhalten Sie bis Ende Juni 2023.

Die Vorträge können in deutscher, spanischer und englischer Sprache gehalten werden und sollen die Dauer von 20 Minuten nicht überschreiten. Die Teilnahmegebühr für Vortragende, die nicht der spanischen Goethe-Gesellschaft angehören, beträgt 50 €. Eine Publikation in deutscher Sprache in einem renommierten Verlag ist vorgesehen. Weitere Informationen finden Sie auf der Website der Spanischen Goethe-Gesellschaft: http://www.ub.edu/filoal/sge.html.

Leitung

Georg Pichler

Lorena Silos

Organisation

M.Ángeles Sánchez Laguna

Irina Ursachi

Adrián Valenciano Cerezo

Source of description: Information from the provider

Fields of research

Postcolonial studies, Themes, motifs, thematology

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Date of publication: 13.03.2023
Last edited: 13.03.2023