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Praktiken der Provokation. Schreib- und Streitstrategien im Werk von G. E. Lessing, Wolfenbüttel

Beginning
29.06.2021
End
17.02.0021
Abstract submission deadline
15.11.2021

Praktiken der Provokation
Schreib- und Streitstrategien im Werk von G. E. Lessing
Mittwoch, 29. Juni 2022, bis Freitag, 1. Juli 2022
Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel

Wie kein zweiter deutscher Aufklärer gilt Lessing als streitbarer Denker. Sein Werk und sein Denken sind durchzogen von vielfältigen Versuchen diskursiver Störung und argumentativer Destabilisierung. Als Kritiker, Dichter, Theatermann, Teilzeitantiquar und Philosoph praktizierte er eine manchmal bis zur Rabulistik eskalierende Polemik. Unabhängig von ihrer jeweiligen Gattungszugehörigkeit können deshalb viele seiner Schriften als Streitschriften gelesen werden. Lessing, so scheint es, folgte zeit seines Lebens dem methodischen Ratschlag, den er in der Hamburgischen Dramaturgie (1767–1769) selbst angehenden „kritischen Schriftstellern“ erteilte: „Er suche sich nur erst jemanden, mit dem er streiten kann: so kömmt er nach und nach in die Materie und das übrige findet sich.“


Im Zentrum der Tagung sollen Lessings Theorie und Praxis provozierenden Schreibens stehen, d. h. jener literarischen Strategien und Taktiken, derer er sich in seinen Schriften bediente, um in bereits existierende Diskurszusammenhänge zu intervenieren und diese durch gezielte Provokationen zu verändern. Die Tagung wird den Versuch unternehmen, einen zwar etablierten, aber zwischenzeitlich versandeten Zweig der Lessing-Forschung neu zu beleben, indem sie methodologische Impulse aufnimmt, die unter dem Leitbegriff einer „praxeologischen Wende“ diskutiert werden. Da Provokationen als soziale, sich in Texten und deren Rezeptionszeugnissen manifestierende Praktiken begriffen werden können, liegt die praxeologische Ausleuchtung dieses Aspektes von Lessings Werk nahe. Ein anspruchsvoller Praxisbegriff, wie er sich in der Literaturwissenschaft und in der Frühneuzeitforschung zunehmend etabliert, verspricht neue Erkenntnisse für die Verortung von Lessings Stellung in der frühneuzeitlichen Kommunikationskultur. Er schärft den Blick für die Vielfalt der Schreib- und Lesetechniken im 18. Jahrhundert und rückt ihre Relevanz für das Zustandekommen der Aufklärung als sozialer und politischer Bewegung in den Vordergrund.


Im Rahmen der Tagung soll anhand konkreter Beispiele aus Lessings Werk – z. B. des für damalige Verhältnisse hyperkritischen Rezensionsorgans Briefe, die neueste Litteratur betreffend (1759–1765), der antiquarischen Kontroverse mit dem Philologen Christian Adolph Klotz (1769) oder des Fragmentenstreits (1777/1778) – untersucht werden, wie Lessing beim Anstiften, beim Aufrechterhalten und bei der Steuerung des gelehrten Streits vorgeht und wie er seine eigenen Streitbeiträge rhetorisch einrichtet. Subtile Kommunikationsstrategien und taktische Mehrfachadressierungen, die eine aufmerksame Lektüre voraussetzen, werden dabei genauso als Gegenstand der Untersuchung berücksichtigt wie der gezielte Einsatz von Ausfälligkeiten oder Derbheiten. Bei der Frage, wie der Zusammenhang von Streit- und Schreibtechniken und ihrem intellektuellen Echo genau zu beschreiben ist, darf aber freilich auch der Aspekt des Unkalkulierbaren nicht aus dem Blick verloren werden: Wo ergeben sich nicht intendierte Reaktionen oder ungeplante Ausweitungen der Auseinandersetzungen? Welche Rolle spielt, neben rhetorisch eingesetzter Emotionalisierung, überschüssige Emotionalität? Ein besonderes Augenmerk der Tagungsbeiträge wird daneben auf Lessings literarischer Pragmatik liegen – von seiner Wahl der Veröffentlichungsorgane bzw. Publikationsorte bis hin zu Strategien des verdeckten Angriffs oder der vorsätzlichen Verstellung, die er nicht nur praktiziert, sondern auch reflektiert (etwa, wenn er seinen Bruder Karl in einem Brief vom 16. März 1778 daran erinnert, „daß ich meine Waffen nach meinem Gegner richten muß“).

Zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter einer jungen Generation der Lessingforschung aus Germanistik, Philosophie, Theologie, Religionswissenschaft und Kulturgeschichte haben bereits ihre Teilnahme zugesagt.


Call for Papers (Deadline: 15. November 2021)
Interessierte early career researchers (Promovierende und Postdocs) aus allen relevanten Disziplinen werden gebeten, bis zum 15. November 2021 einen aussagekräftigen Abstract samt Titel, Namen und Anschrift als PDF-Datei an kerber@cfvss.com zu schicken. (Die Rückmeldung erfolgt binnen 14 Tagen.) Der Abstract sollte einen Umfang von ca. 400 Wörtern nicht überschreiten. Die Vorträge sind auf 30 Minuten angelegt. Eine Publikation der Beiträge ist vorgesehen.


Es ist geplant, Reise- und Übernachtungskosten zu übernehmen bzw. zu bezuschussen. Eine kostenlose Kinderbetreuung kann bei Bedarf voraussichtlich in Anspruch genommen werden.

Kontakt
▪ Magdalena Fricke (Forschungszentrum Gotha, Universität Erfurt magdalena.fricke@uni-erfurt.de)
▪ Hannes Kerber (Carl Friedrich von Siemens Stiftung, München kerber@cfvss.com)
▪ Eleonora Travanti (Institut für Philosophie, Universität Marburg e.travanti@gmail.com)

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Fields of research

Literature from Germany, Austria, Switzerland, Literary historiography, Literature and cultural studies, Literature of the 18th century
Lessing, Provikation, Praxeologie

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Praktiken der Provokation. Schreib- und Streitstrategien im Werk von G. E. Lessing (Wolfenbüttel)
Date of publication: 03.09.2021
Last edited: 03.09.2021