CfP/CfA publications

Luc Boltanski und die Literatursoziologie

Abstract submission deadline
15.07.2022
Paper submission deadline
31.12.2022

CFP: Sammelband „Luc Boltanski und die Literatursoziologie“

 

Die Rezeption der Arbeiten Luc Boltanskis steht in literatursoziologischen Zusammenhängen zu großen Teilen aus. Zwar werden einzelne Ergebnisse und theoretische Konzepte des französischen Soziologen und Forschungsdirektors an der Pariser École des Hautes Études en Sciences Sociales hier und da aufgegriffen. Zum tragfähigen literatursoziologischen Referenzpunkt hat es jedoch bisher allenfalls der zusammen mit Ève Chiapello veröffentlichte Band mit dem mittlerweile zum Schlagwort geronnenen Titel „Der neue Geist des Kapitalismus“ geschafft. In einschlägigen literatursoziologischen oder -theoretischen Überblicksbänden, Lexika und Handbüchern sucht man den Namen Boltanski vergeblich. Überraschend ist diese Leerstelle nicht zuletzt, weil Boltanski sich in seinen Arbeiten immer wieder und nicht nur nebenbei, sondern dezidiert mit kulturellen und künstlerischen, schließlich literarischen Phänomenen beschäftigt.

Der geplante Band setzt an diesem Befund an. In explorativer Ausrichtung soll die Anschlussfähigkeit von Boltanskis Studien für die Generierung und Schärfung literatursoziologischer Fragestellungen und Analysen eruiert werden. Die Beiträge des Bandes fragen erstens in theoretischer Hinsicht nach der Brauchbarkeit der Arbeiten Boltanskis für die literatursoziologische Begriffsbildung, Entwicklung von Fragerichtungen und Perspektivierung von Untersuchungsergebnissen. Zweitens soll in konkreten Fallstudien die Tragweite der Konzepte Boltanskis für literatursoziologisches Arbeiten exemplarisch erprobt werden. Heuristisch seien vier Untersuchungsaspekte unterschieden:

  1. Theorie: Welche theoretischen Elemente der neopragmatischen Soziologie bieten sich für die Profilierung literatursoziologischer Fragestellungen und Analysen besonders an? Inwiefern lassen sich mit den soziologischen Überlegungen Boltanskis begriffliche Unterscheidungen im literatursoziologischen Feld schärfen? Zu denken ist in diesem Zusammenhang beispielsweise an Boltanskis Kritik-Begriff, nicht zuletzt an den Gegensatz von Sozial- und Künstlerkritik. Zu nennen ist aber auch die Analyse (kapitalistischer) Rechtfertigungsordnungen, genauso wie der Begriff der Bereicherungsökonomie.
  2. Diagnose: Welche empirisch-zeitdiagnostischen Ergebnisse Boltanskis lassen sich für die Profilierung literatursoziologischer Fragestellungen und Analysen aufgreifen? Inwiefern können beispielsweise die Folgen eines Netzwerkkapitalismus im literarischen Feld beobachtet werden? Lässt sich die These einer kapitalistischen Vereinnahmung künstlerischer Kritik im deutschsprachigen literarischen Feld bestätigen (oder widerlegen)? Anhand von konkreten Fallstudien wäre auch zu untersuchen, ob und wie die von Boltanski beobachtete Selbstvermarktung der Kreativen sich im deutschsprachigen literarischen Feld nachweisen lässt. Ähnliches gilt für die ökonomische Lage der Kulturarbeiterinnen und Kulturarbeiter. Inwiefern affirmiert oder reflektiert Literatur die von Boltanski diagnostizierte Bereicherungsökonomie? Inwiefern kann Literatur als deren Ressource verstanden werden? Ein weiteres Feld öffnet sich schließlich mit Boltanskis Untersuchungen zum Kriminalroman: Inwiefern gehen Boltanskis Analysen etwa über die Argumente Carlo Ginzburgs hinaus?
  3. Soziologie: Inwiefern lassen sich Boltanskis Überlegungen zu etablierten literatursoziologischen Ansätzen (Bourdieu, Latour, Luhmann, Reckwitz etc.) ins Verhältnis setzen? Wo ergeben sich Anschlüsse des neopragmatischen Ansatzes etwa zur Theorie des Kunstsystems? Wo stellen sich inkompatible Differenzen ein? Inwiefern lassen sich beispielsweise Boltanskis Untersuchungen zur „Künstlerkritik“ mit Überlegungen von Reckwitz zur „Erfindung der Kreativität“ verbinden? Welche Perspektiven eröffnen sich, wenn man mit Boltanski gegen Bourdieu argumentiert und dessen zu starke Fokussierung literarischer Akteure auf ihre sozialstrukturellen Bedingungen ins Feld führt? Inwiefern stellen sich mit dem neopragmatischen Ansatz noch einmal Fragen nach dem Verhältnis von Text und Praxis?
  4. Stil: Wie sind Boltanskis Texte gemacht? Welche Rolle spielen literarische Texte in seinen Studien? Welche Funktion hat der Bezug auf künstlerische Zusammenhänge für seine Argumentation? Was meint die von Tanja Bogusz beobachtete „experimentelle wie systematische Weise“ der Arbeiten Boltanskis im Hinblick auf dessen Schreiben? Wie inszeniert sich Boltanski selbst als persona?

Willkommen sind Beiträge, die sich mit diesen oder verwandten Fragen auseinandersetzen und die theoretische wie exemplarisch anhand von Fallanalysen plausibilisierte Anschlussfähigkeit der Arbeiten Boltanskis erproben. Seinen Fluchtpunkt hat der geplante Band in der Beantwortung der Frage, inwiefern Boltanskis Ansatz zu dem beitragen kann, was man probehalber neopragmatische Literatursoziologie nennen könnte. Vorschläge für einen Beitrag werden in Form eines Abstracts (max. 350 Wörter und Kurz-CV) bis zum 15. Juli 2022 an den Herausgeber erbeten. Stichtag für die ausgearbeiteten Beiträge ist der 31. Dezember 2022. Der Band soll in der zweiten Hälfte 2023 in der neuen Reihe „Literatursoziologie“ bei Springer VS in Wiesbaden erscheinen.

 

Konzept und Organisation:

David-Christopher Assmann

Institut für deutsche Literatur und ihre Didaktik

Goethe-Universität Frankfurt

Norbert-Wollheim-Platz 1

60629 Frankfurt am Main

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www.uni-frankfurt.de/48065815/assmann

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Literature and sociology
Luc Boltanski

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Date of publication: 03.06.2022
Last edited: 03.06.2022