CfP/CfA events

Judith Schalansky und das Buch als Gedächtnis der Welt | Paris

Beginning
18.01.2024
End
19.01.2024
Abstract submission deadline
30.04.2023

Judith Schalansky oder das Buch als Gedächtnis der Welt

Internationale Tagung

Paris, Maison de la Recherche – école Normale Supérieure, 18.-19. Januar 2024

Organisation: Mandana Covindassamy (ENS-PSL), Agathe Mareuge (Sorbonne Université / CNRS), Bénédicte Terrisse (Nantes Université)

 

In den letzten Jahren hat die „Poetik des Mediums“[1] ein besonderes Augenmerk auf Format und Materialität des Buches gelegt und dadurch die immanente Textuntersuchung in den Hintergrund gerückt, doch Judith Schalanskys Werk lädt gerade zur Engführung beider Ansätze ein. Als studierte Kunsthistorikerin und Buchgestalterin schafft Judith Schalansky (1980 in Greifswald geboren) Buchobjekte, die die Buchgeschichte reflektieren und von Monika Schmitz-Emans der sogenannten Buchliteratur[2] zugeordnet werden. Für ihre Bücher hat sie schon zahlreiche renommierte Preise in Deutschland und im Ausland bekommen, kürzlich den Wortmeldungen-Literaturpreis für kritische Kurztexte. Diese Tagung über ihr Werk, die erste in Frankreich, setzt sich zum Ziel, die verschiedenen Fragen, die ihr Schaffen aufwirft, ausgehend vom Buch als „physisches Objekt“[3] zu erkunden. Dieser Ansatz auf der Basis der Materialität des Buches ermöglicht es außerdem, ein neues Licht auf Rezeptionsphänomene und -probleme zu werfen.

Ausgehend von einem Verständnis des Buches als Wissensspeicher und Emblem der Erinnerung befragen Schalanskys Bücher Grundthemen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur neu : Fiktion und Nicht-Fiktion, Gedächtnis und Literatur, Text und Bild, Literatur und Wissenschaft[4], Öko- und ‚Zoopoetik’[5] (Anne Simon).

Durch diese Vorrangigkeit des Buches wird außerdem die Geschichte der deutschsprachigen Literatur und der Weltliteratur neu organisiert. Was bisher nicht als Literatur galt, wird nun in einen ausgeweiteten Literaturbegriff aufgenommen, vom Insularium der Renaissance über die Schriften der Wissenschaftler, die im 17. Jahrhundert Einhörner entdeckten, bis hin zum Schulbuch des 20. Jahrhunderts. Dabei wird an den ursprünglichen Sinn des Wortes „Literatur“ als „Alles Geschriebene“ angeknüpft. Schalansky scheint sich das literarische Projekt zu eigen zu machen, die Natur beim Schreiben erforschen  zu wollen. Diese für einen Novalis, einen Stifter, einen Raabe oder einen Storm so typische Geste, die aus einer Zeit stammt, als Wissenschaft und Literatur noch keine Gegensätze waren, ist aktueller denn je.

Schalanskys Bücher sind nicht nur die, die sie schreibt, sondern auch die, die sie in den Reihen „Naturkunden“ und „Wildes Wissen“ bei Matthes & Seitz herausgibt. In Zeiten, wo Verlagsgeschichte und -praktiken zu einem wichtigen Forschungsthema[6] in der Literaturwissenschaft geworden sind, erinnern sie daran, welche zentrale Rolle die materiellen Bedingungen des Schreibens einnehmen. Ließe sich die Zusammenarbeit mit Matthes & Seitz nach dem von Tobias Amslinger geprägten Begriff als eine neue, überspitzte Form von „Verlagsautorschaft“[7] bezeichnen?

Wir laden Forschende ein, Vortragsvorschläge zu den oben erwähnten Aspekten einzureichen.

 

Die Tagung findet am 18. und 19. Januar 2024 in Paris statt. Eine Publikation der Aufsätze ist geplant.

Bitte schicken Sie ein Abstract von 250-300 Wörtern sowie einen Arbeitstitel und bio-bibliographische Angaben bis zum 30. April 2023 an:

 

mandana.covindassamy[at]ens.psl.eu

agathe.mareuge[at]sorbonne-universite.fr

benedicte.terrisse[at]univ-nantes.fr

   

Bibliographie

 

Schalansky, Judith, Fraktur mon amour, New York, Princeton architectural press, 2008.

Schalansky, Judith, Blau steht dir nicht. Matrosenroman. Hamburg, Mare 2008.

Schalansky, Judith, Atlas der abgelegenen Inseln. Hamburg, Mare 2009.

Schalansky, Judith, Der Hals der Giraffe. Bildungsroman, Berlin, Suhrkamp, 2011.

Schalansky, Judith, Verzeichnis einiger Verluste, Berlin, Suhrkamp, 2018.

Schalansky, Judith, Schwankende Kanarien, Berlin, Verbrecher Verlag, erscheint im Juni 2023.

Schalansky, Judith, “Vorlesung : Servus Versus”, in Karl Ove Knausgard/ Judith Schalansky Erfahrung und Erforschung. Literatur und ihre Welten. Tübinger Poetik-Dozentur 2019, hrsg. von Dorothee Kimmich und Philipp Alexander Ostrowicz Künzelsau, Swiridoff Verlag, S. 71-129.

Schalansky, Judith, “Welt im Schrank. Dankrede”, in Hubert Winkels (Hrsg.) Judith Schalansky trifft Wilhelm Raabe. Der Wilhelm Raabe-Literaturpreis 2018, Göttingen, Wallstein, 2019, S. 29-41.

Schalansky, Judith im Gespräch mit Claudia Kramatschek, Marion Poschmann, Susanne Scharnowski “3. Die neue Populariät des Nature Writing – weshalb jetzt?”, im Aufsatz von Schröder, Simone, “From Both Sides Now: Nature Writing auf Literaturfestivals”, in Gabriele Dürbeck / Christine Kanz (Hrsg.,) Deutschprachiges Nature Writing von Goethe bis zur Gegenwart. Kontroversen, Positionen, Perspektiven, Stuttgart, J.B. Metzler, 2020, S. 317-333, Gespräch: S. 323-332.

  

Amslinger, Tobias, Verlagsautorschaft. Enzensberger und Suhrkamp, Göttingen, Wallstein, 2018.

Aymes, Sophie, Lemaire, Candice, Morisson, Valérie (Hrsg.), Jeux de formats (1). Numéro de la revue Interface – images-textes-langage, 45 (2021), https://doi.org/10.4000/interfaces.1978

Braun, Michael, « Judith Schalansky », in Carola Hilmes (Hrsg.), Schriftstellerinnen II, München, Edition text + kritik, 2019 (Reihe KLG Extrakt), S. 168-178.

Breuer, Ingo, “’Kammerspiele im Nirgendwo’ : Geschichte(n) in Judith Schalanskys Atlas der abgelegenen Inseln”, Zagreber germanistische Beiträge. Zagreb, (21) 2012, S. 181-199.

Klingenböck, Ursula, “’Primaten’ der Vogelwelt. Populäre Tiersachbücher zur Gattung Corvus”, Non Fiktion. Arsenal der anderen Gattungen, hrsg. Von Michael Schikowski und Ute Schneider, 15. Jgg 2020, Heft 1/2, S. 135-155 (S. 136-137 sur la collection “Naturkunde”)

Krauss, Charlotte, « Déterrer les traces du XXe siècle. Histoire et biologie dans le roman des pays postcommunistes [sur Olga Tokarczuk et Judith Schalansky] », Revue de Littérature Comparée, 4/2017, p. 307-319.

Lemaire, Candice, Morisson, Valérie (Hrsg.), Jeux de formats (2). Numéro de la revue Interface – images-textes-langage, 46 (2021), https://doi.org/10.4000/interfaces.3227

Lemke, Anja, « Bildung als formatio vitae – zum Verhältnis von Leben und Form in Judith Schalanskys Der Hals der Giraffe”, Internationeles Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 41 (2016) 2, S. 395-411.

Niehaus, Michael, « Erzählverfahren und Erzähltechniken dokufiktionalen Erzählens”, in Agnes Bidmon, Christine Lubkoll (Hrsg.), Dokufinationalität in Literatur und Medien. Erzählen an den Schnittstellen von Fakt und Fiktion, Berlin/Boston, De Gruyter, 2022, S. 51-69, https://doi.org/10.1515/9783110692990-003

Pivert, Benoît, « L’inconstance de l’espèce de Judith Schalansky ou les ravages des sciences naturelles », Revue d’art et littérature, musique, 2015, https://www.lechasseurabstrait.com/revue/spip.php?article10747, consulté le 19 février 2023.

Richter, Steffen, « Bibliophiler Traum. Die dunkle Schrift der Berge” [sur l’ouverture de la colletion “Naturkunde”], Tagesspiegel, 09.06.2013 https://www.tagesspiegel.de/kultur/die-dunkle-schrift-der-berge-6361819.html

Schmitz-Emans, Monika, « Erzählte Atlanten », in Michaela Holdenried, Alexander Honold, Stefan Hermes (Hrsg.), Reiseliteratur der Moderne und Postmoderne, Berlin, Erich Schmidt, 2017, S. 203-223.

Schmitz-Emans, Monika, Buchgestaltung als Poiesis. Zur literarischen Arbeit am Buch, Paderborn, Verlag Ferdinand Schöningh, 2019.

Schmitz-Emans, Monika (Hrsg.), Literatur, Buchgestaltung und Buchkunst. Ein Kompedium, Berlin/Boston, De Gruyter, 2019.

Spoerhase, Carlos, « Forschungsbericht. Perspektiven der Buchwissenschaft : Ansatzpunkte einer buchhistorisch informierten Literaturwissenschaft », Zeitschrift für Germanistik 21 (2011) 1, S. 145-153.

Spoerhase, Carlos, Das Format der Literatur. Praktiken materieller Textualität zwischen 1740 und 1830, Göttingen, Wallstein, 2018.

Thérenty, Marie-Ève, « Pour une poétique historique du support », Romantisme 143 (2009), p. 109-115, https://doi.org/10.3917/rom.143.0109

Werfel, Silvia, “Judith Schalansky”, in Buchgestaltung in Deutschland, hrsg u. mit einem Essay von Silvia Werfel, Göttingen, Wallstein Verlag, 2021, S. 80-83.

Zeisberg, Johanna, “Archiv und Metalepse. Literarische Gegenwartsanalysen von Orhan Pamuk und Judith Schalansky”, in Klaus Kastberger und Christian Neuhuber (Hrsg.) Archive in/aus Literatur. Wechselspiele Zweier Medien, Berlin/Boston, De Gruyer, 2021, S. 161-176,

https://doi.org/10.1515/9783110742503-011

 

Anmerkungen

[1] Siehe Carlos Spoerhase (2011, 2018), Marie-Eve Thérenty (2009)

[2] Monika Schmitz-Emans, „A 2.8 Das Gattungsspektrum der Buch-Literatur“, in M. S.-E. (Hrsg.) Literatur, Buchgestaltung. Ein Kompendium, Berlin/ Boston, De Gruyter, 2019, S. 79.

[3] Monika Schmitz-Emans, „A 4 Das Buch als physisches Objekt: Materialität und Sinnlichkeit des Buches im Spiegel der Buchkunst“, in M. S.-E. (Hrsg.) Literatur, Buchgestaltung. Ein Kompendium, Berlin/ Boston, De Gruyter, 2019, S. 119.

[4] „Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Wissenschaft auch nichts anderes als Literatur ist, wenn auch eine Form von Literatur, die Objektivität beansprucht, die es, wie wir wissen, nicht geben kann. Sowohl die Poesie als auch die Wissenschaft arbeiten sich an der Schöpfung, oder was von ihr durch unser Walten und Gestalten übriggeblieben ist, ab. Dabei werden die Künste und Geisteswissenschaften jedoch vonseiten der Naturwissenschaften gern belächelt“: Judith Schalansky, Interview zu mehreren „3. Die neue Populariät des Nature writing – weshalb jetzt?“ Gespräch am 06/09.2018 im Rahmen des 18. ilb im Haus der Berliner Festspiele zwischen Claudia Kramatschek, Marion Poschmann, Judith Schalansky, Susanne Scharnowski. Veröffentlicht in: Simone Schröder, „From Both Sides Now: Nature Writing auf Literaturfestivals“, in Gabriele Dürbeck / Christine Kanz (Hrsg.) Deutschprachiges Nature Writing von Goethe bis zur Gegenwart. Kontroversen, Positionen, Perspektiven, Stuttgart, J.B. Metzler, 2020, S. 317-333, Gespräch S. 323-332, Zitat S. 329.

[5] S. den Schwerpunkt « l’écopoétique pour des temps extrêmes » Acta fabula (Dez. 201) (https://www.fabula.org/revue/sommaire14040.php) und Fabula-LHT (https://www.fabula.org/lht/27/)

[6] AMSLINGER, Tobias, Verlagsautorschaft. Enzensberger und Suhrkamp, Göttingen, Wallstein, 2018; AMSLINGER, Tobias/ EINERT, Katharina/ JASPERS, Anke/ MICHALSKI, Claudia/ PAUL Morten (Hrsg.), Suhrkamp-Kulturen. Verlagspraktiken in literaturwissenschaftlicher Perspektive, IASL 2018; 43(1); MÜLLER, Gesine, Wie wird Weltliteratur gemacht? Globale Zirkulationen lateinamerikanischer Literaturen, Berlin/ Boston, de Gruyter, 2020; Konstantin Ulmer, VEB-Luchterhand. Ein Verlag im deutsch-deutschen Literarischen Leben, Berlin, Christoph Links, 2016; Anke Jaspers, Suhrkamp und DDR. Literaturhistorische, praxeologische und werktheoretische Perspektiven auf ein Verlagsarchiv, Berlin/Boston, De Gruyter, 2022, https://doi.org/10.1515/9783110742756

[7] AMSLINGER, Tobias, Verlagsautorschaft. Enzensberger und Suhrkamp, Göttingen, Wallstein, 2018, S. 14.

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Literature from Germany, Austria, Switzerland, Ecocriticism, World Literature, Literature and publishing/booktrade, Non-fictional literature

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Date of publication: 14.04.2023
Last edited: 14.04.2023