Einzelprojekte

Literarische Meteorologie. Wissen, Praxis und Ästhetik des Wetters 1750-2013

Das Projekt befasst sich mit der bisher nur vereinzelt und marginal bearbeiteten Beziehung von Wetter und Literatur. Es wendet sich der Thematik aus einer wissens- und mediengeschichtlichen Perspektive zu, wobei von zwei grundlegenden Beobachtungen ausgegangen wird. Zum einen ist das Wetter eine zugleich unabdingbare und unumgängliche Voraussetzung menschlicher Existenz. Die Witterung und ihre Phänomene begleiten und beeinflussen Handlungen und psychisches Befinden und sind deshalb auch wesentliche Faktoren der Kultur. Menschliche Bewältigungsstrategien der Herausforderungen durch das Wetter haben sich daher in einer Vielgestalt von sich ergänzenden bzw. konkurrierenden Wissensformen sedimentiert, die jeweils mit verschiedenen medialen Regimen verbunden sind. Diese Herausforderungen haben ihre Ursachen zum andern in der Komplexität und Vielfältigkeit der meteorologischen Phänomene, die Erfassung und Systematisierung des Gegenstands massiv erschweren, weil die Wetterlehre es mit flüchtigen und heterogenen Phänomenen in dynamischen Zeit- und Raumeinheiten zu tun hat. Wetterereignisse sind transiente, stets in Veränderung und in Interaktion begriffene Gegenstände, die sich auf Grund der unendlich feinen Übergänge nur schwer in stabile Unterscheidungen und allgemeingültige Terminologien bringen lassen. Diese Kombination von unausweichlicher phänomenaler Präsenz und hartnäckiger Resistenz gegen theoretische und praktische Kontrolle macht die kulturelle Produktivität des Gegenstands aus, die sich durch Formen der Literatur besonders gut analytisch erschließen lässt. Denn die Literatur spielt innerhalb der allgemeinen Ökonomie des Wetterwissens eine entscheidende Rolle, weil sie sich nicht damit begnügt, meteorologische Szenarien mit ihren Darstellungsmitteln zu (re-)präsentieren. Vielmehr reflektiert sie auch Grenzziehungen zwischen Wissen und Nicht-Wissen und hinterfragt dabei mit historisch wechselnden Schwerpunktsetzungen Konstruktionen von Wetterwissen. Dabei nimmt sie zugleich die Rolle eines Korrektivs gegen den zunehmenden Abstraktionsprozess des wissenschaftlichen Wetterwissens ein, indem sie praxelogisches Wissen und lebensweltliche Erfahrung ästhetisch rechtfertigt und ein eigenes Wissensregister behauptet. Dieser Komplex soll im vorgeschlagenen Projekt in wissenshistorischer, praxeologischer und ästhetikgeschichtlicher Hinsicht untersucht werden. Ziel ist es, das Themengebiet in seinen systematischen, historischen und methodischen Dimensionen paradigmatisch und exemplarisch zu erschließen, wobei ein intensiver Austausch mit Fachleuten aus dem In- und Ausland vorgesehen ist. Diese Erschließung soll zum einen geschehen durch Aufsatzpublikationen und die Erstellung eines Kompendiums zur literarischen Meteorologie, zum andern durch drei Monographien, von denen sich die eine diachron mit dem Gegenstand Schnee befasst und zwei weitere synchron die meteorologiegeschichtlich neuralgischen Epochen um 1850 und nach 1960 bearbeiten.
Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Forschungsgebiete

Literatur und Geographie/Kartographie, Stoffe, Motive, Thematologie
Literatur und Geographie/Geowissenschaften/Kartographie

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Ansprechpartner

Einrichtungen

Freie Universität Berlin
Peter Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
Datum der Veröffentlichung: 12.12.2018
Letzte Änderung: 12.12.2018