Konferenzen, Tagungen

TextVerHandlungen im 20. und 21. Jahrhundert. Der literarische Text aus praxeologischer Perspektive

Beginn
24.01.2019
Ende
24.01.2019

OrganisatorInnen:
Alena Heinritz, Mario Huber, Dimitri Smirnov

Am 24. Jänner 2019 findet an der Karl-Franzens-Universität Graz ein Graduiertensymposium zum literarischen Textbegriff aus praxeologischer Perspektive statt. Das Symposium richtet sich an fortgeschrittene Studierende, Doktorandinnen und Doktoranden und Promovierte unterschiedlicher Disziplinen, die sich mit dem Textbegriff in der Literaturwissenschaft beschäftigen.

Wie lässt sich das produktive Verhältnis von Literatur und Text praxeologisch fassen?

In Zeiten, in denen Ausformungen von Literatur mediale Entgrenzungen verschiedener Art erfahren (z.B. durch Graphic Novels, Video-Blogs von Autorinnen und Autoren, Literatur in Social Media, Slam Poetry), ist es von großem Interesse, das Verhältnis von Literatur und Text und in der Folge auch von Literaturwissenschaft und Text zu beleuchten. Um dieses Verhältnis beschreiben zu können, gehen wir von einem Textbegriff aus, der Text als diskursive Praktik, eingebunden in eine Praxis- und Diskursformation (Reckwitz 2016), versteht. Text ist dann das Ergebnis eines Zusammenspiels von körperlichen, medialen und diskursiven Aspekten, ein Zusammenhang, der u.a. bereits von der neueren Schreibprozessforschung hervorgehoben wurde (Giuriato 2005). Diese Dynamik entspricht kultureller Sinnprozessierung als mediale Handlung (Jäger 2016) und ist nicht per se an Verschriftlichung im klassischen Sinne gebunden, immer aber an eine symbolische bzw. mediale Kommunikation. So verstanden ist der literarische Text eine ästhetische Praktik, in der Wahrnehmung poietisch hervorgebracht wird (Reckwitz 2015). Dazu greift dieser auch auf unterschiedliche mediale Formationen zurück – Sprache, Bild, Performance, digitale Technologien usw. – und eröffnet dadurch unter anderem neue Rezeptionsweisen und Formen der Beteiligung von Seiten der Leserinnen und Leser. Wie schon in den Avantgarden des frühen 20. Jahrhunderts, die auf die Pluralisierung medialer Möglichkeiten und der daraus entstehenden Konkurrenzsituation reagiert haben, reagiert auch die Literatur im ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert auf ein sich veränderndes Mediendispositiv, und bezieht diese Auseinandersetzung in ihre Textpraktiken produktiv mit ein. Elfriede Jelinek zum Beispiel setzt in einer Reflexion über ihren persönlichen Schreibprozess die Praktik der digitalen Textverarbeitung als konstitutiv für ihre literarische Produktion und veröffentlicht konsequent im Internet. Wir wollen dieses produktive und dynamische Verhältnis zwischen Literatur und Text und seiner Beobachtung durch die Literaturwissenschaft diskutieren.

Eine Reihe von Strömungen und einzelnen Autorinnen und Autoren des 20. und 21. Jahrhunderts reflektieren in ihren Arbeiten auf sehr unterschiedliche Weise das produktive Verhältnis von Text und Literatur: die historischen Avantgarden (Dadaismus, Surrealismus, Futurismus etc.), Oulipo, die Konkrete Poesie, die Wiener Gruppe (inkl. Andreas Okopenko und Friederike Mayröcker), der Moskauer Konzeptualismus, Milorad Pavić, Werner Schwab, Rainald Goetz, Jonathan Safran Foer („A Primer for the Punctuation of Heart Disease“), Mark Z. Danielewski, Wolfgang Herrndorf oder  Stefanie Sargnagel als Beispiele. Diese exemplarische Auswahl soll nur deutlich machen, wie vielfältig die Perspektiven auf das Spannungsverhältnis Literatur und Text sind.

Im Rahmen des Graduiertensymposiums möchten wir uns ebenfalls diesem Spannungsverhältnis widmen und suchen nach möglichen Verbindungen und Anknüpfungspunkten der literaturwissenschaftlichen Forschung jenseits der Grenzen von Einzelphilologien. Ziel der Diskussion ist es ein operationalisierbares Instrumentarium zum Textbegriff zu erarbeiten, das diesen literarischen Reflexionen gerecht wird und für die literaturwissenschaftliche Forschung produktiv gemacht werden kann. Für die Vorträge sind sowohl konkrete Fallstudien als auch theoretisch-systematische Darstellungen erwünscht. Diskussionswürdig erscheinen u.a. die folgenden Aspekte und Themenfelder:

  • Wie lässt sich das dynamische Verhältnis Literatur – Text beschreiben?
  • Ist Literatur in dem hier verstandenen Sinn ohne Text möglich?
  • Was sind Grenzfälle der textuellen Praktik in Literatur?
  • Inwieweit ist Text in den Literaturwissenschaften an unterschiedliche Konzepte gebunden (z.B. Narrativität, Literarizität, Fiktionalität) und inwieweit reflektieren auch Autorinnen und Autoren diese Verbindungen in ihren Texten?
  • Inwieweit ist Text immer eine Frage der Textsorte und ihren kommunikativen Konventionen?
  • Text vs. Kontext: Welche Abgrenzungen nimmt die Literaturwissenschaft vor? Welche Abgrenzungen sind möglich und sinnvoll?
  • Macht und Politik des Textbegriffs: Wer entscheidet was Text ist? Welche Prozesse sind bei der Entscheidung involviert?

Informationen zu Organisation und Ablauf

Das Graduiertensymposium findet am 24. Jänner 2019 an der Universität Graz statt und ist angegliedert an die Tagung „Textbegriffe interdisziplinär“: Interdisziplinäre Fachtagung an der Karl-Franzens-Universität Graz am 24. und 25. Jänner 2019, organisiert von Dr. Doris Pichler. Als Keynote-Speaker konnte Prof. Dr. Ludwig Jäger gewonnen werden. Eine Teilnahme an den Veranstaltungen beider Tage ist ausdrücklich erwünscht. Das Organisationsteam des Graduiertensymposiums setzt sich aus Mitgliedern des Doktoratsprogramms „Kultur – Text – Handlung“ und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Zentrums für Kulturwissenschaften der Karl-Franzens-Universität Graz zusammen.

Ihr Abstract (inkl. Vortragstitel) mit einem Umfang von max. 300 Wörtern sowie einen Kurzlebenslauf (wissenschaftlicher Werdegang, Kontaktdaten, ggf. Publikationen) senden Sie bitte in einer PDF-Datei bis zum 01.07.2018 per E-Mail an: alena.heinritz@uni-graz.at oder dimitri.smirnov@uni-graz.at. Die Tagungssprache ist Deutsch. Reise- und Übernachtungskosten der Referentinnen und Referenten können nicht übernommen werden. Die Benachrichtigung über die Annahme der Beiträge erfolgt Ende Juli.

Die Vorträge haben eine Länge von 20 Minuten. Eine Veröffentlichung der Beiträge ist geplant. Für Fragen steht Ihnen Dimitri Smirnov (dimitri.smirnov@uni-graz.at) gerne zur Verfügung.

Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Forschungsgebiete

Literaturtheorie, Literatur des 20. Jahrhunderts, Literatur des 21. Jahrhunderts
Praxeologie, Textwissenschaft

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Ansprechpartner

Einrichtungen

Karl-Franzens-Universität Graz (KFUG)
Datum der Veröffentlichung: 12.12.2018
Letzte Änderung: 03.01.2019