ger: Fabeln wurden in der Predigt bereits im 10. Jahrhundert eingesetzt. In der deutschsprachigen Predigt sind jedoch nur sehr sporadische Hinweise auf den Einsatz von Fabeln vorhanden. Erst mit Johannes Geiler von Kaysersberg fand die Fabel Eingang in die deutschsprachige Predigt. Johannes Geiler von Kaysersberg (1445-1510) studierte Theologie an den Universitäten Freiburg und Basel. 1479 übernahm er eine Stadtpredigerstelle in Straßburg, die er bis zu seinem Tod ohne längere Unterbrechungen ausübte. Von den in seinem Namen veröffentlichten Schriften wurde nur ein sehr geringer Teil von ihm selbst veröffentlicht. Der weitaus größere Teil ist in Nachschriften von Hörern und Hörerinnen seiner Predigten erhalten geblieben und daher von unterschiedlicher Qualität und Authentizität. Es gibt keine wissenschaftliche Ausgabe von Geilers Werken, was zum Teil auf die politischen Verhältnisse im Elsass zurückzuführen ist. Gerhard Bauer, der diese Aufgabe in Angriff nahm, scheiterte an finanziellen Problemen. Johannes Geiler von Kaysersberg setzte in seinen Predigten eine große Anzahl von Fabeln ein. 51 verschiedene Fabeln konnten gefunden werden. Nur 15 dieser Fabeln kommen je ein einziges Mal vor. 36 Fabeln erscheinen in Geilers Predigten zwei- oder sogar mehrmals. Insgesamt konnten 130 Fabeln erfasst werden, wobei berücksichtigt werden muss, dass einige Predigten Geilers in mehreren Fassungen oder Übersetzungen vorliegen. Die Fabeln stammen aus verschiedenen Traditionssträngen. Neben den "äsopischen" und avianischen Fabeln nahm Geiler auch eine beträchtliche Anzahl Fabeln orientalischer Herkunft sowie Cyrillusfabeln in seine Predigten auf. Einige Fabeln dürften aus der Tradition des Tierepos stammen. Für eine Gruppe von Fabeln, die sich keinem dieser Überlieferungsstränge zuordnen ließ, dürfte Johannes Bromyards 'Summa praedicantium' als Quellentext benützt worden sein. Seine direkten Quellen gab Geiler in mehreren Fällen an. Am häufigsten wurde auf "Esopus" verwiesen, gefolgt von Cyrillus und Johannes Gerson. Nur jeweils ein oder zwei Mal wurden Horaz, die Romulus-Extravaganten, Avian, Vinzenz von Beauvais, Rinuccio da Castiglione und Sebastian Brant als Quellen angegeben. Mit "Esopus" dürfte in vielen Fällen Heinrich Steinhöwels 'Esopus' gemeint sein. Der erzählende Teil der Fabeln wurde in fast allen Fällen ziemlich unverändert übernommen. Er variiert hauptsächlich in Bezug auf seine Ausführlichkeit. Die Auslegung stimmt jedoch nur selten mit der Auslegung der Vorlage überein. Rund die Hälfte aller Fabeln in Geilers Predigten dient dem "illustrare", was unter anderem aus der Formulierung der Übergänge zwischen erzählendem Teil und Auslegung ersichtlich ist. Die andere Hälfte kann in die zwei Gruppen Vorbildfabeln und Warnfabeln eingeteilt werden. Mit direkten Handlungsaufforderungen im Imperativ wird die Nachahmung der Fabeltiere als Vorbilder empfohlen. Offensichtliche Warnfabeln gibt es vergleichsweise wenige. Einige mehrfach verwendete Fabeln werden zwar in etwas unterschiedlichen Predigtzusammenhängen eingesetzt, behalten ihre Auslegung jedoch bei. Es kristallisieren sich auf diese Weise zentrale Themenbereiche der Fabeln in Geilers Predigten heraus: Flucht als Rettung vor Versuchung, Vorsicht vor Gefahr, Vorbildfunktion eines beispielhaften Lebens, Warnung vor Eitelkeit, Rückfall in die Sündhaftigkeit. Andere mehrfach verwendete Fabeln wie die Fabel von Fuchs und Trauben werden mit unterschiedlichen Auslegungen versehen. Die meisten Fabeln stammen aus Quellen, in denen sie schon in moralischer Funktion eingesetzt wurden. Bei einer kleinen Gruppe von Fabeln wurde jedoch ihr Handlungssinn in den Hintergrund gedrängt, damit die Fabel mit einem moralischen Weltverständnis ausgesöhnt werden konnte. eng: Fables were used in sermons as early as in the 10th century. Yet in German sermons we only find sporadic hints on the use of fables. John Geiler of Kaysersberg was the first preacher who employed them consistently in his German sermons. John Geiler of Kaysersberg (1445-1510) studied theology at the universities of Freiburg and Basel. In 1479 he took on the position of town preacher in Strasbourg and held it until his death except for short leaves. Very few of the texts that were published in his name were in fact published by himself. Most of his sermons were written down by listeners and therefore greatly vary in quality and authenticity. There is no authorized edition of Geiler's texts, part of which is due to the political situation in Alsace. Gerhard Bauer, who took on this task, was not able to continue because of financial difficulties. In his sermons John Geiler of Kaysersberg employed a large number of fables. 51 fables could be identified. Merely 15 of these are used only once. 36 fables are used twice or even several times. All in all 130 fables could be catalogued, yet it has to be taken into account that some of Geiler's sermons were translated or published in several editions. The fables are taken from very different fable traditions. Apart from the "aesopic" fables and the fables of Avianus Geiler also used a considerable number of fables of Oriental origin, as well as fables of Cyrillus in his sermons. Some fables supposedly come from the tradition of the animal epic. John Bromyard's 'Summa praedicantium' seems to have been the source of a group of fables that could not be categorized to any of these traditions. In some cases Geiler cited his direct sources. He most often mentioned "Esopus", followed by Cyrillus and Jean Gerson. He only once or twice referred to Horace, the Extravagantes of Romulus, Avianus, Vincent of Beauvais, Rinuccio da Castaglione and Sebastian Brant. In most cases the term "Esopus" seems to have referred to Heinrich Steinhowel's 'Esopus'. In almost all cases Geiler took over the narrative of the fables without major change. It only varied in length and detail. Geiler's moral, however, only rarely corresponds with the source. About half of the fables in Geiler's sermons are used in order to illustrate, which among other things is visible in the transitions between narrative and moral. The other half can be categorized into fables of example and fables of warning. By urging in the imperative the listeners are incited to follow the example of the fable animal. There are relatively few explicit fables of warning. Some of the fables that Geiler used more than once are used in slightly different situations, yet they keep the same moral. In this way central themes of the fables in Geiler's sermons can be identified: flight as only escape from temptation, caution of danger, example of a model life, warning of vanity, relapse into sin. Other fables, like the fable of Fox and Grapes, were used several times with different morals. Most fables are taken from sources that already employed them in a moral function. In a small group of fables Geiler had to ignore the meaning of the narrative in order to reconcile the fable with a moral view of the world.
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